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Afghanistan-Krise: „Dutzende Viktor Orbáns werden auf der europäischen Bühne erscheinen“

Ungarn Heute 2021.08.19.
FIZETŐS

Seit dem Ausbruch der Afghanistan-Krise betonen immer mehr führende westeuropäische Politiker die Notwendigkeit, die Flüchtlingskrise und eine neue Massenmigration zu verhindern, denn, wie sie sagen, „2015 darf sich nicht wiederholen“. Auch führende Analysten sind der gleichen Meinung. Ein afghanischer Geschäftsmann betonte zugleich in einem New York Times Interview: Die afghanische Situation wird die Flüchtlingskrise verschärfen, was erhebliche Auswirkungen auf Europa haben wird. „Dutzende Viktor Orbáns werden auf der europäischen Bühne erscheinen“. 

Am Mittwoch sind die Innenministerinnen und -minister der EU zu einer außerordentlichen Tagung zusammengekommen, um die jüngsten Entwicklungen in Afghanistan zu bewerten.

Die Lage in Afghanistan ist eindeutig nicht sicher und wird es auch noch einige Zeit nicht sein

sagte EU-Innenkommissarin  Ylva Johansson laut einer am Mittwoch veröffentlichten Mitteilung. Zudem betonte sie, wie wichtig es sei, dass man auch weiterhin andere Länder – vor allem in der Nachbarschaft Afghanistans – dabei unterstütze, Flüchtlinge aufzunehmen. Johanssons Angaben zufolge sind 80 Prozent der zur Flucht gezwungenen Menschen Frauen und Kinder.

Gleichzeitig forderte Johansson die EU-Mitgliedstaaten auf, „ihre Migrationsquoten zu erhöhen und mehr legale Einwanderungsmöglichkeiten“ für Menschen zu bieten, die internationalen Schutz benötigen, insbesondere für Frauen und junge Mädchen. „Dies würde unseren umfassenden und ausgewogenen Ansatz zur Migration widerspiegeln, wie er im Neuen Pakt zu Migration und Asyl dargelegt ist“, fügte sie hinzu.

Dies rief in Europa scharfe Kritiken hervor. Der Innenminister von Österreich, Karl Nehammer sagte laut einer am Donnerstag der APA übermittelten Stellungnahme:

Die Aussage der EU-Innenkommissarin zu legalen Fluchtrouten ist das völlig falsche Signal. Ich bin davon ausgegangen, dass die EU-Kommission aus 2015 gelernt hat und solche Fehler nicht mehr machen möchte

Nehammer fordert „eine sofortige Klarstellung und Gewissheit darüber, dass die Kommission auch die Meinung der Mitgliedsländer vertritt“. Denn es sei in der Sitzung der EU-Innenminister vom Mittwoch „ganz klar der Tenor“ gewesen, „dass sich 2015 nicht wiederholen darf, und deshalb müssen wir auch klar in der Botschaft, die wir als europäische Staatengemeinschaft senden, sein, dass wir Schutz und Hilfe vor Ort in der Region leisten wollen und das oberste Priorität hat“.

Die Flüchtlingswelle im Zuge der Afghanistan-Krise könnte zu einem Wiedererstarken der extremen Rechten führen, während europäische Politiker die weltpolitischen Überlegungen, die sich aus der Situation in Afghanistan ergeben, zunehmend ignorieren könnten, dies schreibt schon der luxemburgische Politikwissenschaftler Florian Bieber in einem in Politico veröffentlichten Meinungsartikel.

Dem Experten zufolge haben in den letzten Jahren immer mehr europäische Staats- und Regierungschefs ihre Positionen in Migrationsfragen nach rechts verschoben. Beispiele dafür sind der österreichische Innenminister Karl Nehammer, der mehrmals von der Ausweisung von Afghanen aus Österreich sprach, und der deutsche CDU-Vorsitzende Armin Laschet, der nach der Machtübernahme durch die Taliban sagte, dass sich „2015 nicht wiederholen darf“. Dies zeigt sich auch in der ersten Rede von Emmanuel Macron nach der Einnahme von Kabul, in der er ebenfalls sagte, dass „wir auf die Zunahme der Migrationsrouten vorbereitet sein und uns verteidigen müssen.“

Nach Ansicht des Politikwissenschaftlers deutet dies darauf hin,

dass die Position von Ministerpräsident Viktor Orbán, dass sich Europa vor illegalen Migranten schützen müsse, in der europäischen Politik immer mehr zum Mainstream wird

(Via: index.hu, politico.com, kurier.at, Titelbild: Premierminister Viktor Orbán und der bulgarische Premierminister Bojko Borissow an einem Grenzkontrollpunkt an der bulgarisch-türkischen Grenze bei Leszovo, 14. September 2016, Via: MTI/EPA/Vasszil Donyev)