Wöchentliche Newsletter

Kanzleramtsminister Gulyás: „Wir haben keine Ost-West-Schaukelpolitik. Es liegt im nationalen Interesse“

Ungarn Heute 2022.03.03.

Auf der Kabinettssitzung am Mittwoch hat sich die Regierung mit der Lage im ukrainisch-russischen Krieg befasst, berichtete Gergely Gulyás auf seiner gewöhnlichen Pressekonferenz. Der Minister bestätigte den früheren Standpunkt der Regierung: „Die Sicherheit Ungarns ist in der gegenwärtigen Situation von höchster Bedeutung, es liegt im ausdrücklichen Interesse des Landes, sich nicht in den Krieg zu verwickeln.“ 

Die ungarische Regierung sei „fest entschlossen“, keine Truppen in die Ukraine zu entsenden, und sie werde auch nicht zulassen, dass Waffen über die ungarisch-ukrainische Grenze transportiert werden, sagte Gergely Gulyás.

Unter Berufung auf „Expertenmeinungen und verfügbaren Informationen“ sagte Gulyás, es bestehe eine gute Chance, dass „diese Transporte zerstört werden könnten“, und fügte hinzu, die ungarische Entscheidung diene der Sicherheit der Unterkarpaten und ihrer Bevölkerung. Die Sicherheit der lokalen ethnischen ungarischen Minderheit sei am wichtigsten, so der Minister. Viele seien gezwungen worden, die Ukraine zu verlassen, so Gulyás fügte aber hinzu, dass es Männern zwischen 18 und 60 Jahren nun verboten sei, das Land zu verlassen, weshalb „viele Familien beschlossen haben zu bleiben“.

Gulyás wies auch auf den Standpunkt der Regierung hin, dass die Flüchtlinge in dem ersten sicheren Land untergebracht werden sollten, was für ukrainische Flüchtlinge Ungarn sei.

Orbán: "Wir stehen im Kreuzfeuer der großen geopolitischen Akteure"
Orbán:

Ungarn verurteilt den Krieg, bis vor kurzem gab es ein ausgewogenes und faires System der Beziehungen zwischen den Ungarn und den Russen, und jetzt ist die Einheit der EU das Wichtigste, betonte der Ministerpräsident Viktor Orbán in einem Interview.Weiterlesen

Der Minister erklärte außerdem, dass die Regierung die Maßnahmen zur Bereitstellung humanitärer Hilfe für die aus der Ukraine ankommenden Menschen koordiniert und unterstützt und dass „wir alle hereinlassen“. Seit dem Ausbruch des Krieges sind bisher etwa 120.000 Menschen nach Ungarn gekommen.

Die Regierung stellte außerdem 1,3 Milliarden Forint für die größten Hilfsorganisationen bereit, die sich bereits an der Grenze befinden. Der Grenzübergang wird von der Polizei überwacht, und es besteht eine gute Zusammenarbeit zwischen den staatlichen und lokalen Behörden

so der Minister. Unter den Flüchtlingen befinden sich Menschen, die nur durch Ungarn reisen wollen, aber auch solche, die Verwandte oder Freunde in Ungarn haben.

Diejenigen, die nach Ungarn fliehen und hier vorübergehend oder für längere Zeit leben werden, können freie Arbeitsplätze finden, von denen es derzeit fast 80.000 gibt 

„Ungarn hat immer die Position vertreten, dass die Flüchtlinge im ersten sicheren Land aufgenommen werden sollten. Dies war während der südslawischen Kriege, der Migrationskrise und auch jetzt der Fall“ stellte Gergely Gulyás klar. Im Rahmen der staatlichen Hilfskampagne „Brücke für die Unterkarpaten“ sind bisher 200 Millionen Forint gesammelt worden. Darüber hinaus liefert die Regierung Treibstoff und medizinische Hilfsgüter nach Transkarpatien. Die Hilfspakete werden in Absprache mit ungarischen Organisationen und dem örtlichen Gouverneur bereitgestellt.

Ungarn unterstütze alle Sanktionen, die die EU-Länder unterstützten, weil auch wir den russischen Militärangriff verurteilen, sagte Gulyás, aber es sei wichtig, dass niemand eine Maßnahme ergreift, die Ungarn mehr schadet als der Person, die sie sanktionieren will. Ein solches Beispiel ist der Energiesektor.

Wenn die von Paks produzierte Energie auf dem freien Markt gekauft werden müsste, würde das für jeden Haushalt 22.000 Forint pro Monat zusätzlich bedeuten

so Gulyás.

Oppositionsleiter Márki-Zay sagt Selenkyj Unterstützung zu
Oppositionsleiter Márki-Zay sagt Selenkyj Unterstützung zu

Er versprach, der Ukraine dabei zu helfen, so schnell wie möglich "einen stabilen Platz und eine stabile Rolle in der euro-atlantischen Gemeinschaft" zu finden.Weiterlesen

Wir wissen nicht, wie lange der Krieg dauern wird. Die Europäische Union hat ernsthafte Sanktionen beschlossen, die Ungarn auch wirtschaftlich schaden. Trotzdem geht es derzeit der ungarischen Wirtschaft gut

sagte Gulyás weiter.

In einer Kriegssituation reagiert der Markt immer hektisch und aufgeregt, aber wie er formulierte, „die Schwächung des Forint wird keine ernsthaften wirtschaftlichen Auswirkungen haben“. Die Regierung ist zuversichtlich, dass die ungarische Wirtschaft diese schwierige Zeit ohne größere Schäden überstehen wird, betonte der Minister.

Eines der ersten Opfer der Sanktionen ist die russische Sberbank, die am Mittwoch Bankrott ging. 70.000 Menschen hatten Geld bei der Bank, und nach den Vorschriften werden diejenigen, die weniger als 100.000 Euro auf ihren Kontos hatten, automatisch entschädigt.

Das Problem liegt bei den wenigen tausend Konten, die Einlagen von mehr als 100.000 Euro aufweisen. 12 Gemeinden sind auch betroffen. Die Regierung hat schon solche Pläne vorbereitet, damit der Staat die Gehaltszahlungen unverzüglich übernimmt, und den Gemeinden werden auch günstige Kreditkonditionen angeboten

Gulyás sagte, die Regierung findet es traurig, dass die Opposition im Wahlkampf Unsinn über den Krieg redet und Soldaten und Waffen in die Ukraine schicken wolle, was „nur Öl ins Feuer gießen würde“, und betonte erneut, dass die „Linken“ sich unverantwortlich verhalten.

Das oppositionelle Telex befragte den Minister auch über den Besuch von Viktor Orbán Anfang Februar in Moskau. Sie wollten wissen, ob der ungarische Premierminister Informationen von Wladimir Putin erhalten hat, dass Russland Vergeltung üben könnte, wenn wir Waffen in den Krieg schicken.

Gulyás sagte, der ungarische Ministerpräsident sei nicht über die Kriegsabsichten Russlands informiert worden, aber jeder Politikexperte könne voraussagen, dass es Russlands Ziel sei, Waffen zu zerstören, wenn wir Waffen oder Waffenlieferungen durch unser Land schicken. Er fügte hinzu, dass die ungarische Regierung über weitere Informationen verfügte, bevor sie diese Entscheidung traf, verriet jedoch keine Details.

Er wurde auch gefragt, ob die Regierung ihre Haltung ändern würde, wenn die Region „Unterkarpaten“, in denen auch Ungarn leben, von den Russen angegriffen würden. Gulyás sagte, dass die Grenzsicherheit dann noch mehr in den Vordergrund rücken werde, und er erwähnte auch die Flüchtlingsproblematik und die Hilfe für die dort lebenden Menschen.

Die geopolitische Positionierung der Ukraine und Ungarns ist unterschiedlich, so dass es jetzt gerechtfertigt ist, dass Ungarn aus dem Krieg herausgehalten wird, aber nicht, weil der Westen uns 1956 nicht geholfen hat. Auch die Bedingungen des Kalten Krieges waren damals anders als heute, sagte Gulyás auf die Frage, in welcher Hinsicht die Situation der Revolution im Jahr 1956 ähnelt, wobei der „Westen“ Ungarn damals im Kampf gegen die Sowjets nicht geholfen hat. Er fügte hinzu:

Wir stehen auf dem Boden des Budapester Abkommens, das die territoriale Integrität der Ukraine garantiert und von Russland respektiert wird

sagte Gulyás auf die Frage, ob Ungarn Anspruch auf die transkarpatischen Gebiete erheben würde.

(Titelbild: MTI/Illyés Tibor)