Kanzleramtsminister: Kabinett will Notstandsregierung auch in Kriegszeiten erlauben

Angesichts des Krieges in der Ukraine wird die Regierung vorschlagen, die in der Verfassung verankerten Arten der Sonderrechtsordnung zu erweitern, sagte der Stabschef des Ministerpräsidenten am Donnerstag. Der aufgrund der Coronavirus-Epidemie eingeführte Sonderrechtszustand werde am 31. Mai auslaufen, sagte Gergely Gulyás auf einer regulären Pressekonferenz. Der Minister wurde außerdem über das Rechtstaatsverfahren gegen Ungarn, über die Epidemie, über die Preisstopps und über die möglichen Mitglieder der neuen, 5. Orbán-Regierung befragt. 

Ukraine-Krieg

Angesichts des Krieges in der Ukraine sei es wichtig, dass die Regierung in der Lage sei, im Bedarfsfall schnell zu handeln, und sie werde vorschlagen, den Status der besonderen Rechtsordnung auf humanitäre Katastrophen und den Krieg in einem Nachbarland auszudehnen, sagte er. Es sei zu hoffen, dass diese Option nicht in Anspruch genommen werden müsse, aber die Möglichkeit müsse gegeben sein, sagte er.

Ungarn wird weiterhin alles tun, um den Frieden so schnell wie möglich wiederherzustellen, aber sein Einfluss ist begrenzt

sagte er. Es sei ein realistisches Szenario, dass der Krieg Monate oder sogar Jahre dauern könne, und die Truppenbewegungen zeigten, dass sich die Kämpfe zeitweise intensivieren könnten, fügte er hinzu.

Der Minister sprach auch über die Hunderttausende von Ungarn, die seit dem Krieg aus der Ukraine nach Transkarpatien gekommen sind, betonte aber:

Die Situation für die ungarische Gemeinschaft in den Unterkarpaten ist extrem schlecht. Während die Regierung sowohl den ukrainischen als auch den ungarischen Flüchtlingen humanitäre Hilfe leistet, herrscht eine anti-ungarische Stimmung vor. Ich möchte hinzufügen, dass dies schon vor dem Krieg der Fall war und die Behörden nichts dagegen unternommen haben

sagte Gulyás auf die Frage nach der Zahl der ethnischen Ungarn aus den Unterkarpaten, die nach Ungarn kommen. Er geht davon aus, dass diese Zahl in die Hunderttausende gehen könnte. Die Zahl derjenigen, die Arbeit finden und auch bleiben wollen kann er auf etwa 10.000 schätzen.

Gulyás sagte, der ukrainische Präsident habe viel getan, „um der Ukraine die Solidarität zu erschweren, aber man dürfe nicht vergessen, dass Russland die Ukraine angegriffen habe.“ Er bekräftigte, dass Ungarn den Ukrainern weiterhin humanitäre Hilfe leisten werde.

Was den Beitritt Finnlands und Schwedens zur NATO betrifft, sagte Gulyás, dass Ungarn die Erweiterung des Militärbündnisses grundsätzlich befürworte.

Die Regierungssprecherin Alexandra Szentkirályi wurde gefragt, ob sie es nicht für unvereinbar halte, dass die Regierung Flugzeuge gerade von ihrem Ehemann kauft. Die Regierungssprecherin sagte, es sei wichtig, die Streitkräfte zu entwickeln, welche Entscheidung auch durch den Krieg im Nachbarland gerechtfertigt sei. Die 12 neuen Militärflugzeuge, die Ungarn vom Ehemann von Alexandra Szentkirályi kauft, hält sie daher nicht für unvereinbar.

EU-Mittel, Rechtsstaatsverfahren 

Ein Journalist von Telex fragte Gulyás, ob die Regierung plane, eine Behörde zur Überprüfung der EU-Mittel einzurichten. Der Minister sagte, dass es eine gründliche, bürokratische Buchführung über diese Fonds geben sollte, die die Regierung weiterhin betreiben wird, dass aber die Einrichtung einer neuen Behörde nicht auf der Tagesordnung steht. Gulyás sagte, dass die Aufgabe nicht effizienter durchgeführt werden kann, wenn ein neues Amt dafür eingerichtet wird. Gulyás wiederholte die Behauptung der Regierung, dass der Wiederherstellungsfonds mit der EU vereinbart worden sei: Er sei nur wegen der „Hysterie um das Kinderschutzgesetz zurückgezogen worden“.

Epidemie verliert an Intensität

Die Zahl der Coronavirus-Fälle in Ungarn deutet darauf hin, dass die Coronavirus-Pandemie zwar nicht verschwunden ist, aber ihre Intensität nachgelassen hat, sagte Gulyás weiter.

In den vergangenen 24 Stunden starben in Ungarn 24 Menschen an der Folge einer COVID-Infektion und es wurden insgesamt 3.041 Neuinfektionen registriert. Inzwischen sei die Zahl der Menschen, die auf der Intensivstation behandelt werden müssen, auf 1.500 gesunken, von denen 48 an einem Beatmungsgerät hängen.

Die Zahl der Neuinfektionen schwankt nach wie vor sehr stark, was die Präsenz des Virus in der Bevölkerung zeigt

sagte Gulyás und fügte hinzu, dass ältere Menschen und Patienten mit Vorerkrankungen immer noch die am stärksten gefährdeten Gruppen sind.

Familienförderungsmaßnahmen bleiben

Es dürfe keine Einsparungen bei der Familienförderung geben, antwortete der Minister auch auf die Frage eines Journalisten. In Europa gebe Ungarn im Verhältnis zum BIP am meisten für die Familienförderung aus, und das werde auch so bleiben, betonte Gulyás und fügte hinzu, dass noch keine Entscheidung über spezifische Maßnahmen getroffen worden sei.

Gulyás wurde auch nach dem Einfrieren der Lebensmittel- und Benzinpreise gefragt, über das spätestens nächste Woche gesondert entschieden werden soll. Er sagte, dass die Entscheidung auf politischen und fachlichen Erwägungen und nicht auf dem Wirtschaftswachstum beruhen würde.

Heute können wir sagen, dass sie funktioniert haben, dass sie einen wesentlichen Beitrag zur Senkung der Inflation geleistet haben. Ohne die vier Preisstopps läge die Inflation bei 13 %, wir haben es also geschafft, sie um 4 % zu senken

sagte Gulyás und fügte hinzu, dass Ungarn mit diesen Inflationszahlen in der Mitte des europäischen Durchschnitts liege.

Die ungarische Wirtschaft steht trotz aller Schwierigkeiten auf einem stabilen Fundament, betonte er erneut.

Parlament wählt nach dem 16. Mai den neuen Ministerpräsidenten

Ungarns neues Parlament wird voraussichtlich in der Woche ab dem 16. Mai den nächsten Premierminister wählen, sagte Gulyás. Die neue ungarische Regierung könnte danach innerhalb von zwei bis drei Tagen gebildet werden. Die Regierung werde unmittelbar nach der ersten Sitzung des neuen Parlaments am 2. Mai einen Vorschlag für die Struktur der neuen Regierung vorlegen. Eine neue Regierung könne gebildet werden, sobald das Parlament ein Gesetz zur Festlegung ihrer Struktur verabschiedet habe, sagte er.

Die Gespräche über die neue Regierung sind im Gange, und die Ergebnisse werden unverzüglich veröffentlicht, bestätigte der Minister.

Enthält die Pressekonferenz der Regierung eine Einschätzung der Opposition?

Die Frage wurde von dem regierungskritischen Portal Telex gestellt, nachdem die Pressekonferenz jetzt auf zwei Stunden begrenzt wurde und obwohl sie unter dem Motto steht, „was die Regierung tut“, wird ein Großteil der verfügbaren Zeit von „regierungsnahen Zeitungen, die den Minister bitten, die Aktivitäten der Opposition zu kommentieren“, in Anspruch genommen. (Dies war auch bei der heutigen Pressekonferenz der Fall.)

Aber Gulyás reagierte kurz und sagte, dass man auf einer zweistündigen Pressekonferenz alles fragen kann, was er will.

(Via: mti, Titelbild: Noémi Bruzák/MTI)