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Leiter der LIBE-Delegation in Budapest: „Faire Wahlen in Ungarn in Gefahr“

Ungarn Heute 2021.10.06.

Die LIBE-Delegation des Europäischen Parlaments besuchte letzte Woche Ungarn und untersuchte unter anderem, in welche Richtung sich die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn verändert hat. Die Delegationsleiterin der Grünen Partei sagte, dass die Wahlen im nächsten Jahr nicht wirklich fair sein können, wenn der Opposition in den öffentlichen Medien kein angemessener Platz eingeräumt wird. Gwendoline Delbos-Corfield äußerte sich gegenüber Euronews in Straßburg. Die Regierung spricht währenddessen weiterhin von politischen Angriffen. Auch der LIBE-Ausschuss scheint sich nicht einig zu sein: Mehrere seiner Mitglieder haben sich FÜR die ungarische Regierung ausgesprochen.

„Wir sind mit Bedenken hergekommen und diese Bedenken bleiben bestehen“, sagte die Delegationsleiterin Gwendoline Delbos-Corfield noch bei einer Pressekonferenz in Budapest. Die grüne Politikerin bestätigte nach ihrem Ungarn-Besuch, dass „die Mehrheit der Delegation davon ausgeht, dass sich die Situation in einigen Bereichen der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn verschlechtert hat“. Laut der österreichischen Bettina Vollath (Sozialisten und Demokraten) habe die ungarische Regierung das Land zu einem „autoritären Regime weiterentwickelt“, „in dem die Gewaltenteilung, die Freiheit der Medien und die Unabhängigkeit des Justizsystems nicht mehr gewährleistet sind.“

Unter Berufung auf einen ungarischen rechtsgerichteten Abgeordneten (von der Partei Jobbik) erklärte die Delegationsleiterin gegenüber Euronews, Ungarn habe ein „Einparteiensystem“. Die Tatsache, dass „eine einzige Partei überall Leute eingesetzt hat, von den Medien über die Justiz bis hin zu den Universitäten, bedeutet, dass sie bei Wahlen vieles kontrollieren kann“, erklärte Gwendoline Delbos-Corfield.

Sie hofft zugleich, dass die Wahlen dennoch fair verlaufen werden. Formulierte doch die Kritik, dass „die Opposition nie Zeit in den öffentlichen Medien bekommt, die Wähler somit direkt nicht oder nur schwer erreichen kann, weil sie nicht im Fernsehen oder im Radio zu sehen sind. Sie sind nur in unabhängigen, alternativen Medien zu finden“. All dies, so sagt sie, „verhindert echte faire Wahlen“.

Die französische Abgeordnete betonte, dass die LGBTQI-Frage und die Migration überhaupt nicht die Hauptthemen der Diskussion in ihrer Delegation gewesen seien.

Laut Gwendoline Delbos-Corfield gab es eine Menge falscher Nachrichten über ihre Reise.

Es wurden schreckliche Dinge über uns geschrieben, und das gesamte Europäische Parlament wurde in den ungarischen regierungsfreundlichen Medien angegriffen, wir wurden als etwas dargestellt, was wir nicht sind. Das hilft den Menschen auch nicht zu wissen, warum und wofür sie wählen

Uneinigkeit innerhalb der LIBE-Delegation

Die Delegationsleiterin betonte, dass die beiden rechtsextremen Europaabgeordneten Nicolas Bay aus Frankreich und Jorge Buxadé Villalba aus Spanien, die die ungarische Regierung wiederholt öffentlich unterstützt haben, an den Sitzungen nicht immer teilnahmen oder zu spät kamen, zu früh gingen und zu getrennten Treffen mit ungarischen Regierungsvertretern und regierungsfreundlichen Personen gingen. Daher können sie nicht als neutral betrachtet werden.

Fact

Der französische EU-Parlamentarier Nicolas Bay (Identität und Demokratie), Mitglied des rechtspopulistischen Rassemblement Nationale, erklärte während des Treffens in einem Video auf Twitter, die Delegation habe „keinerlei Anzeichen“ für eine Verletzung der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn gefunden. Die seit Jahren andauernden Artikel-7-Verfahren gegen Ungarn und Polen bezeichnete er als „politische Operationen gegen Regierungen, die den Mut haben, sich den Forderungen der Brüsseler Technokraten zu widersetzen“. In einem weiteren Post bezeichnete er Ungarn gar als „Opfer eines stalinistischen Prozesses“. Der spanische Jorge Buxadé Villalba (Europäische Konservative und Reformer) von der rechtspopulistischen Vox-Partei kritisierte die Mission auf Twitter als „hysterisch“. Die dreitägige Reise habe „die Lügen der Brüsseler Bürokraten entlarvt“. (Via: dw.com)

Regierung weist Vorwürfe zurück

Mehrere Regierungsmitglieder kritisierten den Besuch der LIBE-Delegation in Budapest in der vergangenen Woche. Sie sehen einen klaren politischen Angriff darin. Staatssekretär für internationale Kommunikation, Zoltán Kovacs bezeichnete die Delegationsmitglieder als „Rechtsstaatlichkeitskrieger“, die „LGBTQ-Aktivisten in Kindergärten, Schulen und TV-Sender“ bringen wollen.

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„Der Wahlkampf 2022 ist in Brüssel bereits im Gange“, dies sagte schon die Justizministerin und nannte die LIBE-Delegation ein „politisches Gremium“. Die Delegation setzt sich aus vier linken, drei liberalen und drei rechtskonservativen Mitgliedern zusammen. Das laufende Artikel-7-Verfahren gegen Ungarn bezeichnete sie als eine „politische Hexenjagd“.

Einen ausführlichen Bericht über die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn wird man dem Europäischen Parlament im Dezember vorlegen.

(Via: Deutsche Welle, mandiner.hu, Titelbild: MTI/Máthé Zoltán)