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Migrationskrise 2015-2020: Nähern sich die Standpunkte an?

Ungarn Heute 2020.01.30.

„Der Fehler war nicht, Menschen aufzunehmen, die vor unseren Türen standen. Der Fehler habe darin bestanden, nicht im Vorhinein dafür zu sorgen, dass die Menschen in ihrer Heimat bleiben können“ – sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich in Davos, bei der Tagung des Weltwirtschaftsforums. Vor zwei Jahren betonte Bundespräsident Joachim Gauck, ebenfalls hier, dass eine „Begrenzungsstrategie“ moralisch und politisch sogar geboten sein kann, um die Handlungsfähigkeit des Staates zu erhalten und er sprach auch über die Wichtigkeit des Schutzes der EU-Außengrenzen. Diese Gedanken stimmen mit der Idee des ungarischen Premierministers fast ganz überein, er sagt aber die schon seit Anfang der Migrationskrise.

„Nicht die Probleme nach Europa holen“

„Wenn ein Land wie Syrien mit knapp über 20 Millionen Einwohnern eine Bevölkerung hat, die zur Hälfte geflüchtet ist (…)  wenn man sieht, dass die Türkei an die vier Millionen Flüchtlinge aus Syrien beherbergt (…) dann kann man nur sagen: Wir müssen immer wieder alles tun, um Friedensprozesse in Gang zu setzen“ – dies sagte die deutsche Bundeskanzlerin kürzlich in Davos, als sie bei dem Weltwirtschaftsforum das Wort ergriff. Angela Merkel betonte in Bezug auf Migration diesmal vor allem die „Prävention“ und dass das Problem dort gelöst werden sollte, wo es entstanden ist.

 

Migranten auf ihrem Weg in Ungarn 2015, Foto: Gergely Zoltán Kelemen – MTI (09.09.2015)

„Deshalb darf ich heute hier ankündigen, dass wir uns an internationalen Hilfsaktionen weiterhin beteiligen werden. (…) In der Zeit bis 2025 werden wir wieder 600 Millionen Euro zur Verfügung stellen, um Krankheiten zu bekämpfen, um medizinische Systeme zu verbessern und damit auch Stabilität zu fördern“ – so Merkel.

Zum Ende ihrer Rede kam die Kanzlerin auch auf die Flüchtlingskrise 2015 zu sprechen. Sie sagte, es sei der Fehler „mit Sicherheit nicht“ gewesen, „Menschen aufzunehmen, die vor unserer Türe standen, sondern im Vorfeld nicht darauf geachtet zu haben, Bedingungen zu schaffen, dass Menschen in ihrer Heimat bleiben können“, sagte sie.

Anstatt Probleme nach Europa zu bringen, will die ungarische Regierung dort Hilfe leisten, wo sie gebraucht wird

dies sagte Premier Viktor Orbán schon Anfang 2018, als er bei der CSU-Klausurtagung in Seeon zu Gast war. 

Die ungarische Regierung hat als erstes Land der Europäischen Union ein ganzes Programm für die Hilfe der verfolgten Christen gegründet. Das Programm „Hungary Helps“ hat bisher für mehrere Zehntausende geholfen, in ihrem Heimatland zu bleiben.

„Das ungarische Beispiel ist in seiner Einfachheit hervorragend“

Leiter des Programms ist Staatssekretär Tristan Azbej, der schon bei der vorjährigen Konferenz der „Stitftung Freunde von Ungarn“ betonte:

Durch das Programm hilft die ungarische Regierung verfolgten Christen bei der Wiederherstellung ihrer Häuser und ihrer Kirchen. Man baut auch Gemeinschaftshäuser im Irak, in Syrien und im Libanon. Der ungarische Staat startete auch ein spezielles Stipendienprogramm für die jungen Angehörigen der christlichen Familien, die die Verfolgung erleiden mussten

„Migration und Integration sind zusammenzudenken“

„Fast 60 Millionen Menschen, so viele wie nie zuvor, befinden sich gegenwärtig – oft unter Lebensgefahr – auf der Flucht. Hunderttausende, die Schutz auf unserem Kontinent suchen, stellen die Europäische Union vor die wohl größte Belastungsprobe ihrer Geschichte“ – dies sagte schon Bundespräsident Joachim Gauck gerade vor zwei Jahren in Davos. Der Politiker machte einen geschichtlichen Rückblick auf die positiven Seiten der Migration, warnte aber zugleich, dass „nicht alle Zuwanderer alle europäischen Grundüberzeugungen übernommen haben“. Laut Gauck gilt es  besonders für manche Menschen, die selbst oder deren Familien aus muslimischen Ländern stammen, und es gilt für ihre Ansichten etwa über die Rolle der Frau, die Toleranz, die Rolle der Religion oder über unser Rechtssystem. Deswegen soll – laut ihm – die zentrale Lehre der Migration heißen:

Migration und Integration sind zusammenzudenken 

Er verwies auch auf 2015, ähnlich zu Merkels Gedanken aus 2020 und sagte, dass obwohl viele die Haltung Deutschlands in 2015 als Gefühlsüberschwang oder Naivität empfanden, bedeutete diese Haltung für Deutschland mehr:

Vielen Älteren galt die Aufnahmebereitschaft als Bekenntnis zu einem Land, das nach seinem tiefen Fall einst nun offen, solidarisch, aber nie mehr fremdenfeindlich oder gar rassistisch sein will

„Neuankömmlinge, wir wissen es, bringen andere Sitten und Auffassungen, andere Sprachen, Religionen und teilweise auch andere Wertvorstellungen in den Alltag. Was zu geschehen hat, formulierte der frühere Präsident des Deutschen Bundestages, Wolfgang Thierse, – sicher zugespitzt – einmal so: „Die zu uns Gekommenen sollen heimisch werden im fremden Land. Und die Einheimischen sollen nicht fremd werden im eigenen Land

setzte Gauck seine Gedanken fort.

Orbán: „Eine hohe Zahl an Muslime führe zu Parallelgesellschaften“

„Eine hohe Zahl an Muslime führe zu Parallelgesellschaften, da die christliche und die muslimische Gesellschaft sich nie verbinden werden“ – dies sagte schon der ungarische Premier Orbán 2015. Der Ministerpräsident fügte hinzu: „Multikulturalismus ist nur eine Illusion”. „So etwas möchten wir nicht. Und wir möchten uns nichts aufzwingen lassen.”

Während Orbán immer an der Seite einer sogenannten „Zero-Toleranz gegenüber Migration“ stand, ist Gauck permissiver: er ist immer nur noch der Meinung, dass eine Begrenzungsstrategie bei der Aufnahme von Miranten annehmbar sein sollte, aber dies ist schon eine große positive Veränderung gegenüber der früheren „Willkommenskultur-Politik“.

Eine Begrenzungsstrategie kann moralisch und politisch sogar geboten sein, um die Handlungsfähigkeit des Staates zu erhalten

„Wenn wir uns über die Aufnahmefähigkeit einer Gesellschaft Gedanken machen, so stellen wir fest: Eine magische oder auch eine mathematische Formel gibt es dafür nicht. Das Maß unterliegt vielmehr einem permanenten Aushandlungsprozess in Gesellschaft und Politik. In Deutschland, zum Beispiel, war vor zehn, erst recht vor zwanzig Jahren nicht möglich, gar nicht denkbar, was wir heute leisten können und wollen. Aber auch heute wird über die Grenzen der Aufnahmefähigkeit diskutiert.“ – sagte der Bundespräsident bei seiner, schon oben zitierten -„Davos-Rede“. Er war 2016 der Meinung,  dass „Begrenzung“ nicht per se unethisch sei:

Begrenzung hilft, Akzeptanz zu erhalten. Ohne Akzeptanz aber ist eine Gesellschaft nicht offen und nicht aufnahmebereit

Und genau aus diesem Grund suchen jetzt verstärkt die Regierungen in Deutschland und anderen europäischen Staaten, sucht auch Brüssel nach Lösungen, die Zahl der Flüchtlinge zu reduzieren – so Gauck.

Der Präsident warnte aber zugleich davor, was „die populistischen Parteien in Europa machen“:

Eine menschenfeindliche, eine ressentimentgeladene Politik, die plädiert grundsätzlich für verschlossene Türen 

Auch Gauck bestätigte, dass viele Syrer möglichst nahe an der Heimat bleiben wollen, um möglichst schnell wieder zurückkehren zu können.

Schutz der Außengrenzen

„Solange die Außengrenzen nicht wirksam gesichert sind, werden nationale Grenzen wieder an Bedeutung gewinnen, und die europäische Freizügigkeit, sie gerät in Gefahr“ – hieß Gaucks Schlußfolgerung in Bezug auf den Grenzenschutz. Er sagte: die Freizügigkeit innerhalb des Schengenraums wird nur dann zu erhalten sein, wenn die Sicherheit an den Außengrenzen gewährleistet ist. „Umgekehrt gilt – und dies zeigt ja die Entwicklung der vergangenen Monate.“

Die Verstärkung der Außengrenzen war schon 2015 in Ungarn auf der Tagesordnung, schließlich wurde noch in diesem Jahr ein Zaun aufgebaut. Der Standpunkt der ungarischen Regierung ist von Anfang an klar: Ungarn schütze dadurch nicht nur sich selbst, sondern auch Europa vor illegalen Migranten.

Diesen Zaun verteidigte sogar die Bundeskanzlerin 2018, als sie sagte: „Ungarn habe ja eine EU-Außengrenze zur Serbien und macht da für uns gewissermaßen die Arbeit“.

Merkel verteidigt den ungarischen Zaun

„Zahl der Migranten steigt radikal an“ 

„Die Jahresdaten der türkischen Hauptdirektion für Einwanderung zeigen, dass 2019, etwa 450 tausend illegal die Grenze überschreitende Personen in die Türkei gelangt seien. Dies stellt im Vergleich zum Vorjahr ein Anwachsen von siebzig Prozent dar“ – sagte der ungarische Premier bei einer internationalen Pressekonferenz zum Auftakt des neuen Jahres (am 9. Januar 2020).

Viktor Orbán machte darauf aufmerksam, dass dementsprechend bzw. infolgedessen auch die Zahl der sich Richtung Griechenland bewegenden Migranten auf radikale Weise angestiegen sei und als logische Folge dessen hat auch die Zahl der Migranten auf der Balkanroute zugenommen. Laut Orbán wählen die Migranten die „leichter begehbaren Routen“, folgerichtig kommen immer mehr Menschen in Nord-Süd-Richtung an die ungarisch-serbische Grenze. Außerdem müssen die ungarischen Behörden wachsam sein, vor einigen Tagen versuchten beispielsweise rund 60 Migranten den südlichen Grenzzaun von Röszke zu durchbrechen.

Strafverfahren gegen 5, in Röszke inhaftierte Migranten eingeleitet

Deshalb hat die ungarische Regierung in den ersten Tagen des neuen Jahres entschieden, die Zahl der Soldaten und Polizisten, die ihren Dienst an der serbisch-ungarischen Grenze versehen, zu erhöhen: neue Einheiten wurden an die Grenze geschickt und neue Polizisten werden in die Region kommandiert, und die mit den V4 geschlossen Grenzschutzvereinbarung scharfgemacht, wenn es also notwendig werden sollte, dann sind die Tschechen, die Polen und die Slowaken sofort in der Lage, Ungarn Hilfe zu leisten.

(Via: wz.de, bundespraesident.de, bundeskanzlerin.de, miniszterelnok.hu, Beitragsbild: MTI – Zsolt Szigetvári)