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„Mit Hilfe talentierter Ungarn hat das Land die Chance, eine Schlüsselposition in der Region zu einzunehmen“ – Interview mit Dr. Ábel Lajtha

Ungarn Heute 2020.05.15.

Da die „Freunde von Ungarn Stiftung“, Herausgeber unseres Nachrichtenportals „Ungarn Heute“, sich ihrem 10-jährigen Jubiläum nähert, haben wir beschlossen, mit den Gründern der Organisation eine Interviewreihe zu starten. Einer von ihnen ist Dr. Ábel Lajtha, renommierter Neurowissenschaftler, der einzige noch lebende Student des weltberühmten Nobelpreisträgers Albert Szent-Györgyi. Wir warfen mit ihm einen Rückblick auf die letzten 10 Jahre der Organisation und sprachen mit ihm über die Probleme und Herausforderungen der heutigen Zeit, vor denen Ungarn und die Welt im nächsten Jahrzehnt stehen werden.

Wie würden Sie als einer der Gründer der „Freunde von Ungarn Stiftung“ die Aktivität der Organisation in den ersten 10 Jahren ihres Bestehens bewerten? Inwieweit wurden die Ziele der Gründer erreicht?

Ich bin mit der Stiftung sehr zufrieden. Ich denke, dass deren Begründung eine großartige Initiative war. Die Ungarn sind wirklich talentierte Menschen und viele dieser Talente arbeiten außerhalb der Landesgrenzen. Wir wollten sie mit ihrem Mutterland verbinden und die Organisation dient in erster Linie dieser Verbindung. Die Stiftung hat ihr endgültiges Ziel noch nicht erreicht, nämlich Ungarn zu einem respektablen Ruf zu verhelfen, aber sie arbeitet daran. Einer der großen Verdienste der Organisation ist, dass sie Ungarn durch ihre Arbeit auf eine angemessene und schlüssige Weise präsentiert und die Herausforderungen und Motive des Landes für andere verständlich darlegt.

Ábel Lajtha hält einen Vortrag an der Semmelweis Universität. Foto: semmelweis.hu

Wie wird die Welt in 10 Jahren aussehen und welche Rolle werden die Ungarn dabei spielen?

Es gibt viele Herausforderungen, denen wir uns heute gegenübersehen und die in den nächsten 10 Jahren auftreten könnten, darunter globale- und auch eher spezifisch ungarische Probleme.

Für Ungarn wird eine der wichtigsten Herausforderungen die Automatisierung sein, da dadurch die Handarbeit in vielen Industriegebieten überflüssig wird.

Industrie und Landwirtschaft, die für die ungarische Wirtschaft von entscheidender Bedeutung sind, können betroffen sein. Ebendeshalb muss das Land mit den technologischen Verbesserungen Schritt halten und in der Zukunft herausragende Leistungen in diesem Bereich erbringen.

Schauen Sie eher optimistisch oder eher pessimistisch in die Zukunft?

Generell bin ich sowohl in Bezug auf die Welt im Allgemeinen als auch in Bezug auf Ungarn meist optimistisch, aber es ist auch wichtig anzumerken, dass eine bessere Zukunft Anstrengungen erfordert. Es wird sicherlich nicht automatisch geschehen, wir müssen uns alle dafür einsetzen.

Wie kann die „Freunde von Ungarn Stiftung“ dazu beitragen?

Auch Ungarn kann eine erfolgreiche Zukunft haben, aber nur dann, wenn das Land in der Lage ist, sich selbst zu verwalten.

Ich möchte, dass Ungarn für seine technischen Fähigkeiten, für seine hochwertige Industrie, für seine Medikamente sowie für seine Universitäten berühmt wird. Dies erfordert die Unterstützung talentierter ungarischer Wissenschaftler und Unternehmer.

Die Stiftung könnte meiner Meinung nach dazu beitragen, indem sie in unterschiedlichen Bereichen Ausschüsse für bestimmte Probleme einrichtet und Personen ernennt, die dann Empfehlungen und Pläne für finanzielle Unterstützung ausarbeiten.

Ábel Lajtha, Gründungsmitglied der „Freunde von Ungarn Stiftung“ und Empfänger des Kommandantenkreuzes des Ungarischen Verdienstordens, mit E. Sylvester Vizi, Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung, während der Preisverleihung im Ministerium für auswärtige Angelegenheiten und Handel am 6. Mai 2016. Foto: MTI – Zoltán Máthé

Was ist für Sie die größte Herausforderung, vor der die Menschheit heute steht? Wie wird die Menschheit auf die Herausforderung reagieren und wie wird sie die Welt verändern?

Wie ich bereits schon erwähnt habe, ist die Automatisierung, soweit ich das beurteilen kann, eine der größten Herausforderungen. Migration ist für den alten Kontinent ein ganz anderes Problem. Es geht darum, die eigene Identität zu bewahren, nicht unsere Existenz auf diesem Planeten. Es gibt einige, die sogar argumentieren würden, dass dies keine echte Herausforderung ist. Aber wenn die Menschheit überleben will, ist der Klimawandel das Problem, mit dem wir uns in erster Linie befassen müssen. Es ist höchste Zeit, dass die Welt erkennt, dass wir Kohlenstoff-Energie und -Emissionen nicht mehr so nutzen können wie früher. Je früher dies geschieht, desto besser. Ich muss aber auch zugeben, dass ich optimistisch bin, eine Lösung zu finden und dass immer mehr Menschen solche Energiequellen nutzen werden, die die Atmosphäre nicht verändern.

Wie stellen Sie sich Ungarn in einem Jahrzehnt vor?

Es ist bereits ein außergewöhnliches Land in Osteuropa. Ein großartiger Ort zum Besuchen und zum Leben.

Ich denke, mit Hilfe talentierter Ungarn hat das Land die Chance, eine Schlüsselposition in der Region einzunehmen. Ich bin gespannt darauf, ob dies geschieht oder nicht.

Was halten Sie als Wissenschaftler von der neuartigen Coronavirus-Epidemie?

Wir hätten besser vorbereitet sein sollen.

Die Welt hätte früher reagieren und an einer Lösung arbeiten sollen und gleichzeitig sollte sie weitere Tests durchführen. Wir werden diese Nachlässigkeit leider mit einer angemessenen Anzahl von Leben bezahlen.

Das ist bedauerlich. Andererseits, wenn wir die Epidemie aus historischer Sicht betrachten, können wir deutlich sehen, dass die Zahl der Opfer nicht extrem hoch ist. Ich denke nicht, dass es eine unlösbare, langfristige Herausforderung unserer Zeit bleibt. Ich vermute, dass wir in den nächsten Monaten einen funktionierenden Impfstoff haben werden. Aber nachdem die Pandemie vorbei ist, müssen wir uns auch auf die nächste einstellen. Angesichts der Geschwindigkeit, mit der diese Viren mutieren können, ist dies unvermeidlich.

Glauben Sie, dass dies die Einstellung von Menschen und Regierungen verändern wird?

Nach einigen Monaten, wenn die Epidemie vorbei ist und die Wirtschaft sich wieder erholt, werden die Menschen sie vergessen und das Leben wird genauso weitergehen wie zuvor. Aber es ist wichtig, nicht zu vergessen, sich auf eine nächste Epidemie vorzubereiten.

(Via: Hungary Today – Péter Cseresnyés, Übersetzt von Ungarn Heute, Beitragsbild: MTI – Lajos Soós)