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MSZP-Abgeordnete bezeichnet Fidesz-Anhänger als „Ratten“

Ungarn Heute 2019.04.29.

Nahezu einhellig verurteilen Kommentatoren eine Parlamentsabgeordnete der Sozialistischen Partei, die im Zusammenhang mit der Popularität des Fidesz von Ratten gesprochen hatte. Ein Pressevertreter akzeptiert immerhin ihr Dementi. Presseschau von budapost.de

In einem live ausgestrahlten Interview mit dem Morgenmagazin des Fernsehsenders ATV erklärte Ildikó Bangó Borbély: Es gibt zu viele Ratten in Ungarn.”  Im Nachhinein bestritt die sozialistische Politikerin, dass sie bei diesen Worten an die Wähler des Fidesz gedacht habe. Ihre Bemerkung fiel allerdings in Beantwortung der Frage, warum der Fidesz trotz weit verbreiteter Korruptionsvorwürfe nach wie vor so beliebt sei. „Da ich so unverblümt rede und da das Problem in Budapest so akut geworden ist: Es gibt zu viele Ratten in Ungarn“, so die Interviewte. Diese Äußerung wurde von führenden Politikern anderer linker Parteien – mit Ausnahme der MSZP – verurteilt. Bangó gehört keinem der führenden Gremien ihrer Partei an, ist aber eine ihrer umtriebigsten Abgeordneten. Sie bezog sich mit ihrer umstrittenen Stellungnahme auf eine kürzlich in zwei Budapester Stadtbezirken ausgebrochene Rattenplage. Der Stadtrat hatte ein neues Unternehmen damit beauftragt, die Metropole von Ratten frei zu halten. Allerdings scheint die entsprechende Firma bislang recht schlampig gearbeitet zu haben. Noch denkt die Stadtverwaltung darüber nach, ob sie den Vertrag kündigen oder doch auf Verbesserungen hoffen solle.

In der regierungsnahen Tageszeitung Magyar Nemzet weist Bálint Zelnik die Erklärungen Bangós zurück und unterstellt, dass sie tatsächlich drei Millionen Fidesz-Wähler als „Ratten“ bezeichnet habe. Oppositionspolitiker hätten in jüngster Zeit den Ton ihrer Kritik an der Regierung verschärft, Sitzstreiks sowie provokante Aktionen inszeniert. Dabei hätten sie sich gegenseitig einen Wettkampf geliefert, wer wohl die schrillsten Töne anschlage. Jedoch drei Millionen Widersacher als „Ratten“ zu beschimpfen, sei einfach nur ein Hinweis auf mangelnden Anstand, echauffiert sich Zelnik.

Mátyás Kohán vom Internetportal Mandiner räumt ein, dass verbale Ausrutscher in der Politik durchaus häufiger vorkämen. Allerdings seien die Äußerungen der Abgeordneten Bangó mehr als das. In der Entmenschlichung anderer Personen spiegele sich die Seele des Sprechenden wider, schreibt Kohán. Sie sei ein Ausdruck dessen, was tief in der Seele eines Politikers stecke und was er oder sie normalerweise zu verbergen suche, aber unter besonderem Stress ans Licht hervorbreche. „Das ist der Tag, an dem das Verfallsdatum des Politikers gekommen ist“, notiert Kohán.

Auf Mérce fordert András Jámbor die MSZP auf, Ildikó Bangó Borbély unverzüglich aus dem politischen Leben zu entfernen. Zwar häuften sich vulgäre Ausdrücke im öffentlichen Diskurs und regierungsfreundliche Autoren wie Zsolt Bayer hätten sich in ihren Kommentaren ähnlicher Ausdrücke bedient. Die Linke jedoch sollte eine Alternative anbieten, statt in die gleiche Kerbe zu schlagen, betont Jámbor. Außerdem werde die Beleidigung von Millionen von Fidesz-Anhängern sicherlich nicht helfen, auch nur einen einzigen von ihnen ins eigene Lager zu ziehen. Sowohl aus moralischen als auch aus praktischen Erwägungen „sollte die MSZP tätig werden und Bangó die politische Bühne verlassen“, empfiehlt der linksorientierte Publizist.

In seinem Kommentar für Népszava hingegen konzentriert sich György Sebes auf die „Rattenplage“ in Budapest. Er kritisiert den Stadtrat massiv, weil er die Augen vor diesem Problem verschlossen habe, anstatt seine Fehlentscheidung im Hinblick auf eine Firma zu revidieren, die für ein rattenfreies Budapest sorgen sollte. Im gesamten Text vermeidet Sebes eine namentliche Erwähnung Bangós oder eine Bezugnahme auf ihren Fernsehauftritt. Jedoch wiederholt er in seiner Abschlussbemerkung genau das alte Sprichwort, das die MSZP-Abgeordnete in ihrem gegenüber der Presse abgegebenen Dementi verwendet hatte: „Schämen sollte sich, wer Schlechtes darüber denkt.“

(Via: budapost.de, Beitragsbild: