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Orbáns Moskau-Reise in der Diskussion

Ungarn Heute 2022.01.31.
FIZETŐS

Eine liberale und eine konservative Wochenzeitung sind sich uneins hinsichtlich der Möglichkeit eines ernsten militärischen Konflikts zwischen Russland und der Ukraine – und damit auch über die Botschaft, die der ungarische Ministerpräsident mit seiner Moskau-Visite am kommenden Dienstag aussenden wird. Presseschau von budapost.de. 

Der Ministerpräsident erklärte am Donnerstag auf einer Pressekonferenz, dass Ungarn gute Beziehungen sowohl zu Moskau als auch zu Kiew wünsche. In seinem üblichen zweiwöchentlichen Radiointerview ergänzte Orbán tags darauf, dass er sich mit Verbündeten in der Europäischen Union und der NATO berate – ganz wie er es stets vor einem der jährlichen Treffen mit Präsident Putin zu tun pflege.

Magyar Narancs verurteilt den Regierungschef aufs Schärfste dafür, dass er Moskau zu einem Zeitpunkt einen Besuch abstatten werde, an dem Russland nach Ansicht der liberalen Wochenzeitung riesige militärische Kräfte sammle, um in ein unabhängiges, souveränes und demokratisches Land einzumarschieren. Sollte ein solcher Krieg ausbrechen, so die Redakteure in ihrem Seite-1-Leitartikel, sei ein lang anhaltender Krieg mit Hunderttausenden von Opfern wahrscheinlich. Die Verfasser verurteilen den Ministerpräsidenten dafür, dass er sich auf einen Handschlag mit einem den Weltfrieden gefährdenden Diktator einlasse, womit er Schande über Ungarn bringe. Darüber hinaus interpretiert Magyar Narancs die berühmte russische Dezember-Note dahingehend, dass Ungarn zusammen mit den übrigen Ländern, die der NATO seit 1999 beigetreten seien, das atlantische Bündnis zu verlassen habe. Die Redakteure fragen sich, warum sich Orbán, der die ungarische Souveränität so unnachgiebig gegenüber Brüssel verteidige, keine Sorgen über „einen brutalen Angriff auf die Souveränität Ungarns“ mache.

In einem Kommentar für Mandiner dagegen hält Attila Demkó einen Krieg in der Ukraine für höchst unwahrscheinlich. Er nennt drei mögliche Ziele, an denen die Russen interessiert sein könnten, hält sie aber ohne Inkaufnahme hoher Verluste für schwer zu erreichen. Zudem wären sie auf Dauer nur mit Mühe zu verteidigen. Der konservative Analyst hält es für viel plausibler, dass die diplomatische Offensive Russlands auf einen neuen Kompromiss mit den Vereinigten Staaten abziele. Er hält Präsident Biden für einen Realisten, der bereit sei, sich den Überzeugungen, Interessen und Lobbyisten zu widersetzen, die in der Regel die Außenpolitik der USA dominieren würden. So könnte er sich aus der Ukraine „zurückziehen“ – wenn auch weniger spektakulär als bei der Evakuierung seiner Truppen aus Afghanistan. Amerikas Kerninteressen würden von China bedroht, nicht von Russland, meint Demkó. Wenn Washington sich auf Peking konzentrieren wolle, dann sei die Ukraine eine sinnlose Front zum Kämpfen, argumentiert er.

(Via: budapost.de, Titelbild: MTI/Máthé Zoltán)