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Panikkäufe und Tanktourismus: Regierung reagiert mit harten Maßnahmen

Ungarn Heute 2022.03.11.

Am Donnerstag ging an zahlreichen ungarischen Tankstellen der Treibstoff aus, oder es wurden schon früher verschiedene Mengenbeschränkungen für den Verkauf verhängt und es bildeten sich lange Warteschlangen an den Zapfsäulen. Die Regierung antwortete schnell: sie kündigte am späten Donnerstagabend strikte Maßnahmen an, die gleich nach der Ankündigung in Kraft traten. Demnach  dürfen Fahrzeuge über 7,5 Tonnen ab Donnerstagabend 22 Uhr nur noch an vorgegebenen Tankstellen tanken, an denen der Kraftstoff zu Marktpreisen erhältlich ist. Dies gilt sowohl für ungarische als auch für ausländische LKWs und sogar für ausländische Fahrzeuge mit einem Gewicht von mehr als 3,5 Tonnen. „Panikmacher“, die über Versorgungsprobleme schreiben, werden streng bestraft. Die Verbrauchssteuer wird gesenkt. Der Preisstopp wird jedoch mit Sicherheit bis Mai aufrechterhalten. 

Zu einem etwas unerwarteten Zeitpunkt hielt der Kanzleramtsminister am Donnerstagabend um halb zehn eine außerordentliche Pressekonferenz mit dem Titel „Der Benzinpreisstopp bleibt bestehen und die Kraftstoffversorgung in Ungarn ist gesichert“ an, an der wie üblich Minister Gergely Gulyás aber auch der MOL-Chef Zsolt Hernádi teilnahmen.

Der Regierung und MOL zufolge gibt es in Ungarn keine Sprit-Versorgungskrise, sondern nur einen extremen Anstieg der Nachfrage, der eine logistische Herausforderung verursachte. Dies bestätigte Zsolt Hernádi, CEO des Ölunternehmens. Die Versorgungsunterbrechung wurde durch eine Verdreifachung der täglichen Nachfrage aufgrund von Missbrauch mit dem Preisstopp (Tanktourismus) und durch eine Panikbetankung verursacht.

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Gergely Gulyás erläuterte zunächst, warum die Energiepreise gestiegen sind (Ukraine-Krieg) und was die Regierung bisher getan hat (Preisstopp). Er sagte, es gebe viele Gerüchte, dass die Regierung den Preisstopp nicht aufrechterhalten wolle und dass es nicht genug Benzin und Diesel an den Zapfsäulen geben würde. Es gebe zwar Schwierigkeiten, aber das ungarische Ölunternehmen MOL sei in der Lage, den gesamten ungarischen Markt zu beliefern. Der Verbrauch ist wie gesagt aufgrund des Tanktourismus und der Panikmache gestiegen, so dass mehr Entscheidungen getroffen wurden:

  1. Fahrzeuge über 7,5 Tonnen und ausländische Autos über 3,5 Tonnen können nur zum Marktpreis an Hochdruck-Zapfsäulen tanken. Eine Ausnahme bilden die landwirtschaftlichen Maschinen, die Kraftstoff weiterhin zu ermäßigten Preisen kaufen können.
  2. Die Regierung wird die Verbrauchssteuer auf Kraftstoffe um 20 Forint senken.
  3. Die Polizei wurde angewiesen, gegen diejenigen vorzugehen, die über Versorgungsunterbrechungen schreiben oder sprechen, sowie gegen diejenigen, die Benzin oder Diesel nicht in dafür geeignete Kanister tanken.
  4. Die Vorschriften sind am Donnerstag um 22.00 Uhr in Kraft getreten, und es kann noch einige Tage lang zu Störungen bei den Hochdruck-Zapfsäulen kommen
  5. Ab Freitag gilt über das lange Wochenende ein LKW-Fahrverbot.
  6. Die Verordnung sieht auch strengere Strafen für Tankstellen vor, die sich nicht an den Preisstopp halten. Stellt die nationale Steuer- und Zollverwaltung bei einer Kontrolle fest, dass Kraftstoff zu einem höheren Preis verkauft wird, kann sie Geldbußen in Höhe von 6 bis 15 Millionen Forint verhängen und ein Unternehmen an einem Tag mehrmals bestrafen (früher lagen die Geldbußen zwischen 100.000 und 3 Millionen Forint).
  7. Die Regierung wird auch die Verbrauchssteuer auf Kraftstoff um 20 Forint pro Liter senken. Benzin wird von 115 000 HUF/Tausend Liter auf 95 000 HUF/Tausend Liter und Diesel von 105 350 HUF/Tausend Liter auf 85 350 HUF/Tausend Liter gesenkt.

Der MOL-CEO Zsolt Hernádi sagte außerdem, dass sonst alles gut funktioniere, die Ölpipelines funktionierten gut (auch die russische „Freundschaftspipeline) und sie könnten Öl auch aus der Adria bringen. „MOL verfügt über ausreichende Vorräte und ausreichende Raffineriekapazitäten, um den ungarischen Verbrauch zu decken“ sagte er und fügte hinzu, der erhöhte Umsatz sei nun darauf zurückzuführen, dass die Spediteure wie z. B. Bus- und Transportunternehmen, den Kraftstoff an öffentlichen Tankstellen kaufen wollten. Auch der Tanktourismus und die Panikkäufe haben die Situation hervorgerufen.

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Insgesamt 4 Medien konnten am Abend Fragen stellen.  In einem davon ging es darum, wie die Unterscheidung von Autos mit ausländischen Nummernschildern technisch aussehen würde. Laut Gulyás wird der Sitz des Unternehmens wichtig sein, so dass es immer noch eine „Runde“ zu Brüssel geben wird (damit es nicht zu Konflikten mit EU-Wettbewerbsregeln oder anderen Vorschriften kommt). Aus der Verordnung ging jedoch später hervor, dass die Unterscheidung auf der Grundlage des ausländischen Kennzeichens erfolgen wird.

CEO Hernádi sprach auch darüber, dass die Schwierigkeiten vor allem in den Grenzsiedlungen auftraten, wo einige Tankstellen auch geschlossen werden mussten, z. B. in Mosonmagyaróvár. Er sagte jedoch, dass es jetzt in erster Linie darum gehe, die Betankung des Transitverkehrs zu begrenzen.

Ein LKW hat genug Treibstoff für 3000 Kilometer, jetzt rechnet jeder Spediteur, dass es sich lohnt, in Ungarn zu tanken, das ist das größere Problem, nicht der Tanktourismus mit  einem normalen Auto an der Grenze

Preisstopp, Spritpreise 

Die Regierung hat noch im November letzten Jahres beschlossen, dass der Preis für 95-Liter-Benzin und -Diesel bei 480 Forint maximalisiert wird. Die Maßnahme trat am 15. November in Kraft und wurde im Februar um noch weitere 3 Monate verlängert.

In den letzten Wochen sind die Ölpreise weltweit unaufhaltsam gestiegen, was zum Teil auf den Krieg in der Ukraine und die Reaktion des Westens darauf zurückzuführen ist, die die ungarische Regierung mit einem Preisstopp für Einzel- und Großhandelspreise einzudämmen versuchte. Wie wir in mehreren Artikeln berichtet haben, hatte dies jedoch Folgen: Erstens konnten sich kleine Tankstellen diese entgangenen Einnahmen nicht leisten (sie kauften Benzin und Diesel zu einem höheren Preis, als sie es verkaufen konnten), so dass einige schließen mussten, andere jedoch Mengenbeschränkungen einführten.

In den Grenzsiedlungen ist tatsächlich ein Tanktourismus entstanden, kein Wunder, denn in Österreich (Eisenstadt) kostet ein Liter Benzin derzeit fast 2 Euro, während er in Sopron 1,26 Euro kostet.

(Via: mti.hu, 24.hu, Telex, Titelbild: Magyar Hang/Gulyás Balázs)