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Schäuble: „Wir vergessen den mutigen Beitrag Ungarns zur Wiedervereinigung nicht“

Ungarn Heute 2019.09.10.

Der 10. September 1989. An diesem Tag wurde der Fall der Berliner Mauer schon fast eine Tatsache. Vor 30 Jahren, am 10. September, um Mitternacht öffnete Ungarn seine Grenzen endgültig für den Reiseverkehr. Drei Wochen zuvor, beim Paneuropäischen Picknick von Sopron, hatte Ungarn schon eine Hauptprobe gehalten. Genau 30 Jahre nach der Öffnung der Grenzen hat Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) dazu aufgerufen, die europäische Einigung zu bewahren. Er bedankte sich für Ungarns Beitrag zu der deutschen Wiedervereinigung. 

„Es ist die Aufgabe von uns allen, aber gerade auch die der jungen Generation, die Idee eines vereinten Europas als Erbe des Krieges weiterzutragen“, sagte Schäuble am Dienstag im Bundestag. In Berlin hat der Bundestagspräsident den Dank an seinen ungarischen Kollegen László Kövér ausgesprochen. Er sagte:

Die Grenzöffnung in Ungarn löste eine neue Dynamik aus. Wir Deutschen vergessen den mutigen Beitrag Ungarns zur Wiedervereinigung unseres Landes nicht

Schäuble erinnerte auch an den Beginn des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren, und zwar an das Ende der Schlacht bei Wizna am 10. September 1939.

Vor 30 Jahren, am 27. Juni 1989 hatten der damalige österreichische Außenminister Alois Mock und sein ungarischer Amtskollege Gyula Horn symbolisch den Zaun bei der ungarisch-österreichischen Grenze durchtrennt, um den am 2. Mai 1989 begonnenen Abbau der Überwachungsanlagen durch Ungarn zu unterstreichen. Danach kam die Idde von Otto Habsburg und der MDF-Organisation der ostungarischen Stadt Debrecen, einen improvisierten Grenzübergang zu organisieren. Das Picknick fand zwischen der österreichischen Stadt Sankt Margarethen und dem ungarischen Sopronkőhida (Steinambrückl) statt. Die Organisatoren sahen im geplanten Picknick eine Chance, die Reaktion Gorbatschows auf eine Grenzöffnung zu testen. Mehrere hundert DDR-Bürger, zahlreiche ostdeutsche Familien kamen nach Ungarn, um die Grenzöffnung zu einer Flucht nach der BRD auszunutzen.

„Als ich Hunderte von Ostdeutschen sah, musste ich innerhalb von Sekunden entscheiden, ob ich sie aufhalte oder nicht. Ich glaube, ich habe die richtige Wahl getroffen.“

Allein in Budapest hielten sich rund 30.000 DDR-Bürger auf. Im ganzen Land warteten etwa 200.000 Ostdeutsche auf eine Gelegenheit zur Flucht. Unter der Leitung von Csilla von Boeselager und in Kooperation mit Pater Imre Kozma bauten deutsche und ungarische Malteser Zeltlager für die DDR-Flüchtlinge auf.

„Die Ostdeutschen wurden der Erbe ihrer Vorfahren beraubt und es wurde ihnen eine fremde Ideologie aufgezwungen. Viele hatten genug davon”

Die ungarischstämmige Csilla von Boeselager hat in dieser Zeit den Malteser-Caritas-Dienst in Ungarn gegründet. Mit ihrer Hilfe konnten die deutschen Flüchtlinge in Zugliget aufgenommen werden. Sie erledigte auch, dass die deutschen Maltesern durch unbürokratische Hilfstransporte den Lager mit Decken, Zelten, mobilen Küchen und freiwilligen Helfern versorgen konnte.

Fact

Csilla von Boeselager
In Budapest geboren, nach Venezuela geflohen, gründete Csilla von Fényes 1973 mit Dr. Wolfhard von Boeselager in Deutschland eine Familie mit 2 Töchtern und einem Pflegesohn. Als im Sommer 1989 der Strom der DDR-Flüchtlinge über Budapest hereinbrach, ergriff Csilla spontan die Initiative: Unter ihrer Leitung und in Kooperation mit Msgr. Imre Kozma bauten deutsche und ungarische Malteser Zeltlager für über 30.000 Flüchtlinge auf. Gleichzeitig informierte und beruhigte Csilla täglich die Weltpresse, führte Gespräche hinter den diplomatischen Kulissen und trug so wesentlich zur friedlichen Öffnung des Eisernen Vorhanges bei. Csilla wurde in ganz Europa bekannt. Mehrere Staaten, NGOs, Kirchen und die EU ehrten sie mit Preisen, z.B. dem Europäischen Preis für Menschenrechte, dem Bundesverdienstkreuz am Bande, St.-Liborius-Medaille für Einheit und Frieden in Europa, Erste Preisträgerin des Deutschen Preises Frauen für Europa, dem Verdienstkreuz der Republik Ungarn, uvm. Das jüngst im Herder-Verlag erschienene Buch Urbi et Gorbi des Journalisten Joachim Jauer zeichnet ein treffendes Bild der Ereignisse um den Fall des Eisernen Vorhangs und die Verdienste Csilla von Boeselagers.

(Via: nau.ch, tagesspiegel.de, boeselager-osteuropahilfe.de, Beitragsbild: MTI – Károly Matusz)