Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur Flüchtlingsquote ist eine Übergangsmaßnahme, sagte der ungarische Justizminister, László Trócsányi im Interview mit der Zeitung „Die Welt”.
Ungarn müsse die Entscheidung der EuGH akzeptieren, auch wenn das Land mit der Argumentation der Richter nicht einverstanden sei, erklärte Trócsányi. Allerdings hätten die Richter in ihrem Urteilspruch unterstrichen, „dass die zweijährige „Übergangszeit“ für die Umsetzung des Beschlusses am 26. September abläuft.” Ungarn könnte ab dem 26. September auf die die Aufnahme von Flüchtlingen, ganz verzichten, da der als Übergangsmaßnahme angenommene Beschluss seine Geltung zu dieser Zeit verlieren werde, so der Justizminister weiter.
„Von den 160.000 Asylsuchenden, die umverteilt werden sollten, wurden nur 27.000 aufgenommen”, der Beschluss sei in den meisten EU-Ländern nicht durchgesetzt worden, das sei keine Erfolgsgeschichte der Kommission, erläuterte Trócsányi. Er stellte im Interview die Frage, warum nur gegen Ungarn, Polen und Tschechien Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet wurde. Ein Land, das 0,7 Prozent seiner Quote erfülle, müsse jedoch keiner Retorsion gegenüberstehen.
„Warum ist es ein Problem, wenn ein Land sowohl politisch als auch juristisch eine prinzipielle Frage stellt? Ist das vielleicht politisch nicht korrekt?”, fragt der Minister. Die ungarische Regierung formuliere ihre Stellungnahme auf einer prinzipiellen Ebene, deswegen erhalte sie eine härtere Behandlung als die anderen, meint Trócsányi. „Meine Position ist, dass es besser wäre, wenn wir alle darüber sprechen würden, dass der Beschluss über die Flüchtlingsquoten die Erwartungen gar nicht erfüllt hatte.”, so der Minister. Er erklärte, er glaube an die Verhandlungen, da der Sinn der EU sei es, zu verhandeln und Kompromisse zu finden.
Laut Trócsányi gibt es eine ausgeprägte mitteleuropäische Art zu denken und zu fühlen, was sich von der westeuropäischen unterscheidet. Mitteleuropa habe 40 Jahre kommunistische Diktatur erlitten, deswegen sei es sensibel, wenn eine sich auf seine Identität auswirkende Entscheidung getroffen werde. Der Justizminister hofft, es werde keine Mehrheitsentscheidung der Innenminister geben. „Die Einwanderungspolitik gehört klar in den Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten.” Es sei zurzeit aber schwer, Migrationspolitik und Flüchtlingspolitik voneinander zu trennen, diese seien ständig vermischt, erläuterte Trócsányi.
Auf die Frage, ob Ungarn die EU verlässt, falls es zu einer permanenten Pflichtquote für die Aufnahme von Flüchtlingen kommt, antwortete der Minister: „Die EU-Mitgliedschaft und deren Aufrechterhaltung ist für Ungarn gar keine Frage. Wir sind Teil der Union, wir gehören zur Union, wir haben allerhöchstens Debatten, die aber als reiner Familienstreit angesehen werden können.”
via welt.de, Foto: Béla Nagy – mno.hu