Die Zukunft Europas geht nicht in Richtung großer Schuldenberge, so Péter Szijjártó.Weiterlesen
Mehrere europäische Tageszeitungen, darunter die Welt und La Repubblica, veröffentlichten online ein Interview mit Annalena Baerbock, der deutschen Außenministerin. Ihre Antwort auf die Frage eines Journalisten, was mit den Ländern zu tun sei, die bereits zu sehr bei China verschuldet sind, wie einige Balkanländer oder Ungarn, wirft aus ungarischer Sicht einige Fragen auf.
„Wir müssen den Ländern Angebote machen, sich aus dieser Abhängigkeit zu lösen. Darum bin ich im vergangenen Jahr sehr strategisch in Länder gereist, die finanziell abhängig von China geworden sind, um Unterstützung anzubieten. Äthiopien etwa, aber auch europäische Staaten. Zur Ehrlichkeit gehört aber auch: Es gab Länder in Europa, die in der Euro-Krise oder der Corona-Pandemie um Hilfe gebeten haben, und als wir nicht geholfen haben, sind die Chinesen eingesprungen. Ungarn wiederum ist ein Fall für sich, dort müssen wir auch mit Blick auf chinesische Investitionen auf die Einhaltung europäischer Regeln achten. Zugleich gilt:
Wenn wir Ländern helfen, sich auch aus der Abhängigkeit zu lösen, dann müssen wir uns darauf verlassen, dass nicht hinter unserem Rücken plötzlich doch Geschäfte mit denjenigen gemacht werden, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit oder Menschenrechte mit Füßen treten.
Daher spreche ich diese Themen eben auch so deutlich an.“
Deutschland gehört mit zu den EU-Ländern, die Ungarn seit geraumer Zeit den Zugang zu dem Wiederherstellungsfonds mit einem Rechtsstaatlichkeitsverfahren blockieren, das mit objektiven Kriterien wenig, mit ideologisch motivierter Erpressung hingegen viel zu tun hat. Dass die deutsche Chefdiplomatin Ungarn eine Verschuldung gegenüber China vorhält, ist – gelinde gesagt – verwunderlich. Der ungarische Staat muss sich in Ermangelung der ihm zustehenden EU-Gelder nach anderen Finanzierungsquellen umsehen. Wer könnte Ungarn übelnehmen, wenn möglicherweise chinesische Banken Kredite gewährleisten?
Die Volksrepublik China ist nach wie vor der wichtigste Handelspartner der Bundesrepublik, mit einem stolzen Handelsvolumen von 298,2 Milliarden Euro (Exporte und Importe). Zum Vergleich: Das Handelsvolumen Ungarns mit China erreichte im vergangenen Jahr 12 Mrd. USD. In Anbetracht dieser Zahlen erübrigt sich die Frage, wer eifriger dabei ist, mit dem Land Geschäfte zu machen, das „Demokratie, Rechtsstaatlichkeit oder Menschenrechte mit Füßen tritt“ (so Annalena Baerbock).
Ungarn hatte 2021 eine Verschuldung gegenüber China (als Anteil am BIP) von 1.1 %, was nicht als „wirtschaftliche Abhängigkeit“ gedeutet werden kann. Die ansonsten schlagfertige deutsche Außenministerin hätte die irreführende Frage des Journalisten sofort korrigieren müssen. Ihre Antwort geht also von falschen Prämissen aus.
Zu den Maßnahmen der deutschen Regierung, die sicherlich nicht dazu geeignet sind, das Vertrauen in die Zuverlässigkeit mancher bundesrepublikanischen Handelspartner zu steigern, gehört die Obstruktionspolitik gegenüber den Kernenergieprojekten Ungarns, die dazu geführt hat, dass Siemens Energy keine Exportgenehmigung für das Steuerungssystem des Kernkraftwerks Paks II erhalten hat (wir berichteten). Unter solchen Umständen entbehren die Vorwürfe der deutschen Außenministerin bezüglich der östlichen Öffnung des kleinen mitteleuropäischen Landes jeglicher moralischen Grundlage.
Beitragsbild: Annalena Baerbock Facebook