In einem aktuellen Interview für das unabhängige deutsche Nachrichtenportal Tichys Einblick sprach der ungarische Minister des Ministerpräsidentenamtes über seine Hoffnungen auf einen Rechtsruck in den europäischen Institutionen nach den Wahlen im nächsten Jahr und über seine Ansichten zur Berichterstattung über Ungarn in den deutschen Medien.
Dabei betonte Gergely Gulyás, dass die EU-Wahl im Juni 2024 die Richtung für die Zukunft vorgeben wird und prognostizierte, dass konservative Abgeordnete künftig eine „viel stärkere Stimme im Parlament“ haben könnten. Seiner Ansicht nach verläuft die Haupttrennlinie nicht mehr zwischen links oder rechts, liberal oder konservativ, sondern zwischen Föderalisten und den Kräften, die an der freiwilligen Zusammenarbeit der europäischen Nationalstaaten auf der Grundlage der EU-Verträge festhalten.
Gergely Gulyás äußerte anschließend seine Überzeugung, dass die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten gestärkt wird und dass auch die Fraktion Identität und Demokratie im nächsten Jahr mit Zugewinnen rechnen kann.
Inwieweit und welche Parteien der Europäischen Volkspartei noch konservativ sind, muss individuell geprüft werden,
sagte er. Scharfe Kritik übte er auch an der von Manfred Weber geführten Fraktion der Europäischen Volkspartei, der Fidesz früher angehörte: Sie orientiere sich heute sehr oft an den Grünen und den Liberalen, vor allem in sozialen Fragen und bei der Ausweitung der gesamteuropäischen Kompetenzen. Dies sei ein trauriger Identitätsverlust, so der Minister.
Seiner Meinung nach werden die konservativen Abgeordneten im nächsten Europäischen Parlament eine viel stärkere Stimme haben. Er fügte jedoch hinzu, dass das Europäische Parlament nach Ansicht der ungarischen Regierung ein beratendes Gremium sei, das keine Gesetze im Alleingang verabschieden könne, und das solle auch so bleiben.
Zum Thema Migration erläuterte der Minister die ungarische Position, die sich seit 2015 konsequent für den Schutz der Außengrenzen einsetzt, um den Schengen-Raum zu schützen. Die illegale Masseneinwanderung schwäche die einzelnen Staaten und führe zu kulturellen und wirtschaftlichen Herausforderungen, die für die europäischen Gesellschaften immer schwerer zu bewältigen seien.
Die Ungarn sind tolerant gegenüber den Regierungen und Staaten, die mit der Massenmigration zusammenleben wollen, aber sie erwarten auch Toleranz gegenüber ihrer Lebensweise, was bedeutet, dass die Ungarn selbst entscheiden wollen, mit wem sie zusammenleben wollen.
Was die Bedenken gegenüber einer Massenmigration aus dem Gazastreifen angeht, so ist Minister Gulyás der Meinung, dass dies vor allem von Ägypten abhängt. Wenn ein Massenexodus aus dem Gazastreifen Realität wird, dann muss die gesamte EU mit Ägypten eine Vereinbarung treffen, dass wir bereit sind, jede Form von humanitärer und finanzieller Hilfe zu leisten, wenn wir Garantien erhalten, dass Ägypten den Flüchtlingen aus dem Gazastreifen Asyl gewährt und sie nicht weiterreisen lässt.
Auf die Frage eines Journalisten, ob das Ungarnbild in der deutschen Politik und den Medien der Realität entspreche, antwortete Gergely Gulyás, dass die bewusste Fehlinformation der deutschen Medien über Ungarn berüchtigt sei. Es gibt unzählige bekannte Beispiele, die dies belegen.
Letztes Jahr sagte Ministerpräsident Viktor Orbán in einer Rede: „Wir unsererseits wollen die Europäische Union zusammenhalten, und deshalb haben wir Brüssel und Berlin immer wieder Toleranzangebote gemacht.“ Aufgrund dieser Aussage titelte die deutsche Presseagentur DPA wie folgt: „Orban deutet auf die Möglichkeit eines Austritts Ungarns aus der EU hin“. Diese Art von Scharade (Täuschung) ist alltäglich. Das ist kein Journalismus, das ist Verfälschung von Informationen.