Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán ist am Dienstagmorgen zu Gesprächen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew eingetroffen.Weiterlesen
Viktor Orbán hat nach seiner Reise nach Kiew und Moskau, aber noch vor seinen Reisen nach Peking und Washington der deutschen Boulevardzeitung Bild ein ausführliches Interview gegeben. Er verriet die Ziele der „Friedensmission“, sprach auch über seine Gespräche mit Putin und Selenskyj und darüber, warum er trotz heftiger Kritik westlicher Politiker an seiner Mission festhält.
Kein Politiker steht so sehr unter Kritik wie der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán, der die EU-Ratspräsidentschaft Ungarns nutzt, um dem Frieden einen Weg zu ebnen. Wie auch wir berichteten, führte Viktor Orbán zunächst Gespräche in Kiew mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und reiste am Freitag in nach Moskau, um den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu treffen. Seine „Friedensmission“ führte ihn weiter nach Peking zu einem Gespräch mit dem chinesischen Staatschef und am Ende in die Vereinigten Staaten nach Amerika. Westliche Politiker kritisieren die Methoden des ungarischen Ministerpräsidenten und sagten, dass die Reise mit niemandem abgesprochen sei und die Friedensmission zum Scheitern verurteilt sei.
In einem ausführlichen Interview fragte der stellvertretende Chefredakteur der Boulevardzeitung Bild den ungarischen Ministerpräsidenten, ob er wirklich glaubt, den Krieg allein beenden zu können und was ihm der russische Präsident im Kreml gesagt habe.
Viktor Orbán machte deutlich, dass er durch seine Gespräche in Kiew und Moskau die Konsequenz gezogen hat, dass
die Intensität der Auseinandersetzungen, die Zahl der Todesopfer in den nächsten Monaten viel brutaler sein wird als in den letzten sieben Monaten“.
Deshalb sei „es jetzt an der Zeit, von einer Politik des Krieges zu einer Politik des Friedens überzugehen“, fügte er hinzu.
Auf die Frage, was ihn antreibt, antwortet der Ministerpräsident, dass das Hauptargument das menschliche Leben sei. „Das ist die wichtigste moralische Motivation. Aber es gibt auch das Eigeninteresse Europas, denn was hier passiert, ist sehr schlecht für uns“, sagte er. Er sei ein neutraler Vermittler und sein Ziel sei Frieden und ein Waffenstillstand.
Um den Krieg zu beenden, will Viktor Orbán mit den fünf Hauptakteuren verhandeln: der Ukraine, Russland, China, den USA und der EU. Er beschuldigte die EU eine Kriegspolitik zu betreiben und rief Europa dazu auf, sich von den Vereinigten Staaten zu lösen und „eine unabhängige Politik zu verfolgen, denn die Hauptopfer der beiden Kriegsparteien sind die europäische Wirtschaft und die europäische Bevölkerung“. An der Front gibt es keine Lösung für diesen Konflikt, sagt der Ministerpräsident und wendet sich mit den Worten an Moskau und Kiew:
Die Menschen, wir, die Welt, wollen Frieden, hört auf, euch gegenseitig umzubringen. Lasst uns anfangen zu verhandeln. Oder zumindest verstehen, dass es keine Lösung an der Front gibt“.
Wladimir Putin habe eine klare Vorstellung davon, was passieren wird und wie Russland gewinnen wird. Das Gleiche gelte auch für Wolodymyr Selenskyi, so der Ministerpräsident. Putin habe in Bezug auf Truppen, Ausrüstung und Technologie nichts zu verlieren. Der Gedanke, Russland zu besiegen, ist schwer vorstellbar.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Russland tatsächlich besiegt werden könnte, ist völlig unkalkulierbar,
meint der ungarische Premierminister. Viktor Orbán habe Putin und Selenskyi nach der Zahl der Opfer gefragt, beide waren aber nur bereit, die Zahl der Opfer der anderen Seite zu nennen. Der ungarische Ministerpräsident glaubt jedoch, dass auch Putin das Sterben beenden will. Zwar seien beide Führer logischerweise gegen einen schnellen Waffenstillstand, aber „wenn es morgen früh keine toten Russen und Ukrainer gäbe“, wäre das für beide Seiten in jeder Hinsicht besser.
Viktor Orbán erklärte, dass es nur wenige Menschen auf der Welt gebe, die mehr über Russland wissen als die Ungarn und insbesondere er selbst. „Ich kenne die Russen. Sie sind anders als wir. Ihre Geschichte ist anders, ihre Kultur ist anders, ihre Instinkte und Einstellungen sind anders. Sie haben ein anderes Verständnis von Freiheit und ein anderes Verständnis von nationaler Souveränität“, sagte der Premierminister, der überzeugt ist, dass Putin seinen Krieg nicht begonnen hätte, wenn Angela Merkel noch Bundeskanzlerin wäre. Den Grund dafür sieht er in ihrer Fähigkeit, ihrem Verständnis und ihren Fertigkeiten, Konflikte zu isolieren, die schlecht für Europa sind.
Da Angela Merkel nicht mehr in die Politik zurückkommt, sieht Viktor Orbán eine Chance auf Frieden nach den kommenden US-Präsidentschaftswahlen. Der Premierminister ist der Meinung, dass Donald Trump für die Weltpolitik gut sein wird.
Donald Trump ist ein Mann des Friedens. Als US-Präsident hat er keine Kriege angezettelt und viel für den Frieden in den verschiedensten Regionen der Welt getan. Ich habe also großes Vertrauen in ihn“,
so der Ministerpräsident.
Auf die Frage des Journalisten, wie er mit dem Sturm von Kritiken umgeht, erklärte der Premierminister, dass er immer viel Kritik habe einstecken müssen, im Nachhinein aber immer Recht behalten habe. Er erinnerte daran, dass er 1988/89 sagte, dass die Russen Mitteleuropa und Ungarn verlassen sollten und dass so hart wie möglich daran gearbeitet werden sollte, die Berliner Mauer abzubauen. Schon damals wurde er von linken Politikern in Deutschland stark kritisiert, so der Ministerpräsident. Als er später davor warnte, dass die Migration die europäische Gesellschaft verändern wird, sei er „erneut heftig kritisiert“ worden.
Bezüglich der aktuellen Kritik und dem Vorwurf westlicher Politiker, Viktor Orbán würde Putin helfen und ihn sogar als Sicherheitsrisiko für die NATO und die EU ansehen, unterstrich der Premierminister, dass er durch seine „Friedensmission“ Europa helfen würde. Seine Herangehensweise an die ganze Situation sei einzig und allein, wie man eine bessere Politik für Europa entwickeln kann, so der Ministerpräsident abschließend.
via bild.de, Beitragsbild: Facebook/Orbán Viktor