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Rumäniens neuer Chefdiplomat reagiert entspannt auf den ungarischen Nationalatlas

Ferenc Rieger 2025.01.29.

Emil Hurezeanu begrüßt Péter Szijjártó in Bukarest

Der neue rumänische Außenminister unterstrich in einem Interview die Unterstützung Ungarns für den Beitritt seines Landes zum Schengen-Raum. Emil Hurezeanu verwies auch auf den Atlas, den der ungarische Botschafter bei der NATO den Vertretern mehrerer Mitgliedsstaaten der Militärorganisation überreicht hat und der historische Karten von Großungarn enthält.

„In den letzten sechs Monaten des vergangenen Jahres war die Unterstützung der ungarischen Beamten für Rumänien spürbar“, sagte Außenminister Emil Hurezeanu in einem Interview mit dem Fernsehsender Digi 24 zum Thema Schengen-Erweiterung. Er erinnerte daran, dass Premierminister Viktor Orbán Österreich immer wieder aufgefordert hatte, sein Veto gegen den Beitritt Rumäniens aufzugeben.

In Bezug auf die Beziehungen zwischen den beiden Ländern betonte der Chefdiplomat, dass „wir gemeinsame Interessen haben, weil wir Nachbarländer sind und Ungarn ein wichtiger Partner ist, ein wichtiger Handelspartner“. Er sagte auch, dass Bukarest während der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft ein guter Partner für Ungarn gewesen sei, auch wenn viele Themen unterschiedlich wahrgenommen würden.

Ferner erwähnte er, dass der ungarische Botschafter bei der NATO den Vertretern mehrerer Mitgliedsstaaten der Militärorganisation einen ungarischen Atlas mit historischen Karten von Großungarn überreicht habe.

Unsere gemeinsamen Interessen sind pragmatisch und beruhen auf einer Karte der gegenwärtigen und zukünftigen Interessen, nicht auf Karten der Vergangenheit,

die den Partnern manchmal zu offenherzig angeboten werden, als wären sie unschuldige Weihnachtsgeschenke. Wir alle haben mentale Landkarten“, so Emil Hurezeanu. Er fügte hinzu, dass mentale Landkarten oft das tatsächliche Handeln behindern.

Der ungarische Außen- und Handelsminister Péter Szijjártó hat letzte Woche in Bukarest Gespräche mit Außenminister Emil Hurezeanu geführt. „Wieder einmal habe ich einen neuen rumänischen Kollegen, daher habe ich meinem ersten Treffen mit Minister Emil Hurezeanu mit Spannung entgegengesehen.

Mein Eindruck war absolut positiv, denn unsere Ziele sind die gleichen: das Beste aus den ungarisch-rumänischen Beziehungen für beide Länder und beide Nationen herauszuholen“.

schrieb Péter Szijjártó auf seiner Facebook-Seite.

Das protokollarische Geschenk der ungarischen Botschaften, die englische Version des monumentalen Nationalatlas, einer Synthese der zeitgenössischen ungarischen Kartographie, ein Werk, das selbst von der ungarischen Oppositionspresse als „super partes“ bezeichnet wird, hat einen kleinen diplomatischen Skandal ausgelöst. Der Chefdiplomat in Agram (Zagreb), Gordan Grlić Radman, machte seinem Ärger in den sozialen Medien Luft und stellte die Angemessenheit dieser weihnachtlichen Bescherung in Frage. Er räumte implizit ein, dass er sich nicht mit dem Inhalt des Atlas auseinandergesetzt hat. Was ihn störte, war der historische Teil der wissenschaftlichen Publikation, der, horribile dictu, das gesamte Karpatenbecken behandelt, also das historische Ungarn, zu dem auch das heutige Gebiet Kroatiens gehörte. Das Bukarester Außenministerium bildete daraufhin eine gemeinsame Front mit der kroatischen Diplomatie. Das Geschenk sei „eine provokative Geste“, hieß es in einer Pressemitteilung der rumänischen Behörde, die im Geiste der Kleinen Entente gegen den angeblichen ungarischen Irredentismus vorgehen wollte.

Viele setzen ihre eigenen Obsessionen mit den Absichten des derzeitigen ungarischen Staates gleich. In Anbetracht der großen ungarischen Minderheit (1,1 Mio. Personen) ist die Reaktion der rumänischen Diplomatie nicht verwunderlich. Überraschend hingegen ist die kroatische Irritation angesichts der winzigen ungarischen Minderheit in Kroatien (2021: 10.315 Personen).

Die geschichtlich bedingten Empfindlichkeiten von Titularnationen, die ihre eigenen Staaten, genauso multiethnisch wie die österreichisch-ungarische Monarchie, auf den Ruinen des viel beschworenen „Völkergefängnisses“ errichtet haben, müssen geschont werden,

so der Grundtenor vieler – nur scheinbar neutralen – Stellungnahmen. Der entspannte Umgang des gebürtigen Hermannstädters Emil Hurezeanu mit dem von seiner Amtsvorgängerin geerbten diplomatischen „Sturm im Wasserglas“ ist in diesem Zusammenhang begrüßenswert. Von den 25 Außenminister-Mandaten nach der Wende sind nur fünf von gebürtigen Siebenbürgern wahrgenommen worden, die Ungarn nicht nur vom Hörensagen kennen. Dieser Umstand dürfte mit dem Auf und Ab der ungarisch-rumänischen Beziehungen in den letzten 35 Jahren einiges zu tun haben. Der im siebenbürgischen Tannenhof (Brád, Brad) geborene Teodor Meleșcanu war dreimal Leiter des Bukarester Außenamtes. 1996 unterzeichnete er den rumänisch-ungarischen Grundlagenvertrag, der zwar die kollektiven Rechte der ungarischen Minderheit und die Rückgabe des verstaatlichten Kircheneigentums nicht regeln wollte, dennoch ein neues, hoffnungsvolles Zeitalter der bilateralen Beziehungen einleitete. Hurezeanus Vorgängerin, die in Sächsisch-Regen (Szászrégen, Reghin) geborene Luminița Odobescu, war eine unscheinbare Beamtin, die durch keine Eigeninitiativen in Erscheinung getreten ist.

Die ungarische „historische Empfindlichkeit“ hat die schlechte Angewohnheit, unabhängig von den „historischen Empfindlichkeiten“ anderer Völker zu sein. So ist z.B. die Formulierung „rumänische Länder“, die Siebenbürgen, Banat, Partium, Marmarosch einschließt, viel tendenziöser als die Einbeziehung Kroatiens, das faktisch Teil des Königreichs Ungarn war, auch wenn es ein hohes Maß an Autonomie hatte. Die Empfindlichkeiten Kroatiens lassen sich nur durch die sehr junge Geschichte seiner Eigenstaatlichkeit erklären. Das Gleiche gilt auch für die Slowakei, abgesehen vom Zwischenspiel des faschistischen Marionettenstaates unter Prälat Tiso, ein ähnlicher Fall wie der kroatische Staat von Ante Pavelić. Slowaken und Kroaten sind immer noch damit beschäftigt, eine Geschichtsschreibung zu konstruieren, welche die Zugehörigkeit zur Stephanskrone am liebsten ausklammern würde, ein Unternehmen, das offensichtlich zum Scheitern verurteilt ist oder nur durch die Untergrabung der historischen Wahrheit durchgeführt werden kann. Es wäre interessant zu wissen, ob es in Kroatien ein ähnliches Projekt wie den ungarischen Nationalatlas gibt. Wenn ja, sollten die Daten verglichen werden, wenn nicht, wäre die angemessenste Reaktion, die Bemühungen ungarischer Forscher anzuerkennen, die eine riesige Datenmenge aufgearbeitet haben, die hauptsächlich nicht-magyarische Bevölkerungsgruppen betreffen (wohlgemerkt, nicht nur Kroaten, was vom kroatischen Nationalismus übersehen wird).

Rumänische und kroatische Diplomaten hadern mit Ungarns Geschichte
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Beitragsbild: Péter Szijjártó Facebook