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Kritik an der deutschen Berichterstattung über Ungarn

Enikő Enzsöl 2017.09.29.

Der Botschafter von Ungarn in Deutschland, Dr. Péter Györkös kritisierte in einem an die Vorsitzende der ARD und an den Intendanten des ZDF gerichteten Brief, die Berichterstattung über Ungarn lasse bei den öffentlich-rechtlichen Sendern Tatsachen außer Acht. Er bot seinerseits Information und einen Austausch zu den Kritikpunkten an.

„Frau Prof. Dr. Karola Wille
Vorsitzende der ARD
Anstalt des öffentlichen Rechts
Kantstraße 71-73
04275 Leipzig

Herrn Dr. Thomas Bellut
Intendant
Zweites Deutsches Fernsehen
Anstalt des öffentlichen Rechts
ZDF-Straße 1
55127 Mainz

Berlin, den 27. September 2017

Sehr geehrte Frau Vorsitzende, sehr geehrter Herr Intendant,

Deutschland hat einen lehrreichen Wahlkampf hinter sich. Während dieses Wahlkampfes war oft von Ungarn die Rede, dem Land, das ich in Ihrem Land vertrete. C’est la vie, könnte man meinen, doch erlauben Sie mir, auf diesem Wege Stellung zu den im Wahlkampf von den öffentlich-rechtlichen Medien und deren Mitarbeitern gestellten Fragen zu Ungarn zu nehmen, bei denen ich leider ein Minimum an Sachlichkeit vermisst habe. Zu einer Stellungnahme bewegt hat mich unter anderem die Frage, mit der Ihre Kollegin das Kanzlerkandidaten-Duell vom 3. September eröffnet hat und die, die in der sog. Elefantenrunde am Wahlabend von Ihrem Kollegen als Schlussfrage gestellt wurde. Ich bin guter Hoffnung, dass die nachfolgenden Tatsachen eine Möglichkeit eröffnen, sich ein korrektes Bild zu machen.

Man kann das Funktionieren der ungarischen Demokratie kritisieren, aber Ungarns demokratischen Charakter in Frage zu stellen ist unwürdig. Seit der Wende 1990 ist die ungarische Demokratie die stabilste parlamentarische Demokratie in Europa. Jedes Parlament bestand über die gesamte Legislaturperiode, es gab keine vorgezogenen Neuwahlen. Sicherlich ist das Wesen der ungarischen Demokratie eher konfrontativ, das gilt meines Wissens im Kreis der europäischen Demokratien aber nicht als Ausschlusskriterium.

Der zweite große Vorwurf galt der angeblichen Nichtanerkennung des EuGH-Urteils. Erlauben Sie mir deshalb den Versuch, Ihr Interesse auf folgende Tatsachen zu lenken:

Ungarns Ministerpräsident hat am 8. September im öffentlich-rechtlichen ungarischen Rundfunk klargestellt: als Mitglied der EU respektieren wir die Verträge, daraus ergibt sich, dass wir auch die Gerichtsurteile zur Kenntnis nehmen… die Achtung des Rechts ist das Fundament der EU.

Für diese Achtung des Rechts hat Ungarn in den letzten Jahren die deutlichsten Zeichen gesetzt. Ich könnte hier an die heftigen Diskussionen in der Zeit nach der Verabschiedung des ungarischen Grundgesetzes oder der Kardinalgesetze erinnern, die wir alle — lassen Sie mich das hervorheben entlang der europäischen Regeln entweder mit der Europäischen Kommission als Hüterin der Verträge, oder in den Fällen, in denen wir unterschiedlicher Ansicht waren, im EuGH-Verfahren abgestimmt haben.

Nicht wenige EU-Mitgliedsstaaten haben die Haushaltsregeln verletzt. Deshalb mit finanziellen Mitteln sanktioniert wurde bislang nur ein Land: Ungarn, was sicher reiner Zufall ist. Die Korrekturen haben wir vollzogen, die Regeln angewandt, und wir haben unser Land auf eine nachhaltige Wachstums- und Haushaltsbahn gebracht.

Im Verlauf der viel diskutierten Migrationskrise gehörte Ungarn zu den Ländern und war zu Beginn gar das einzige Land, das die Auflagen von Schengen und Dublin ernst genommen hat. Wir haben bewiesen, dass die Durchsetzung der gemeinsamen Regeln möglich und im Interesse des Schutzes der Sicherheit der Bürger Europas — unter ihnen die der Bürger Deutschlands — unabdingbar ist. Es ist beispiellos, dass Ungarn für sein regelkonformes Verhalten auch in den deutschen Medien regelmäßig das Ziel von Angriffen, Kritik und Spott war.

Seine europäische Solidarität hat Ungarn durch sein gesetzestreues Verhalten mehrfach bekräftigt und unter Beweis gestellt. Wem dies nicht genügt, dem möchte ich folgende Tatsachen in Erinnerung rufen: Zusätzlich zu den Kosten des Grenzschutzes, die sich mittlerweile auf fast eine Milliarde Euro belaufen, und dem aufopferungsvollen Dienst, den mehrere Tausend Grenzpolizisten täglich an der Außengrenze leisten, versehen annähernd Tausend ungarische Soldaten ihren Dienst in Krisenregionen. Wenn ich mich nicht irre, bewegt sich diese Zahl für die Bundesrepublik um die 3.000. Wir haben all unsere humanitären und finanziellen Verpflichtungen erfüllt und werden dies auch in der Zukunft tun.

Dank unserer geographischen Lage und unserer technologischen Expertise sind wir einer der Vorreiter im Kampf gegen eine der Hauptfluchtursachen: Wassermangel. Wir möchten Hilfe exportieren und nicht Probleme importieren, die auf EU-Territorium nicht zu lösen sind. Der ungarische Staat finanziert Stipendien für mehr als 2.000 Studierende aus Ländern, aus denen die meisten illegalen Einwanderer nach Europa kamen, damit sie ihr Studium in Ungarn finanzieren und gleichzeitig ihre Lebenshaltungskosten decken können. Wahr ist, dass wir eine automatische Zwangsverteilung ablehnen; in unseren Augen ist sie ein inadäquates Mittel und ein Mechanismus, der illegaler Einwanderung Vorschub leistet. Wahr ist aber auch, und das möchte ich hervorheben, dass mein Heimatland bis Mitte September allein in diesem Jahr annähernd 800 tatsächlichen Flüchtlingen Bleiberecht und internationalen Schutz gewährt hat.

Ich möchte meiner vorsichtigen Hoffnung Ausdruck verleihen, dass die vorgenannten Fakten zur Stärkung der europäischen Rechtsachtung beizutragen vermögen und dem gegenseitigen Respekt zu mehr Raum verhelfen. Ich bin überzeugt: wenn es zwei Länder und zwei Völker gibt, denen gegenseitiger Respekt gebührt, dann sind es unsere beiden Länder, Deutschland und Ungarn.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Dr. Péter Györkös
Botschafter”

 

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Der offizielle Brief wurde auf der Webseite der Botschaft von Ungarn in Berlin unter diesem Link veröffentlicht.

via berlin.mfa.gov.hu, Foto: Halfpoint – fotolia.com