Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán lobte am Dienstag vor der Ungarischen Industrie- und Handelskammer die Leistungen der einheimischen Wirtschaft. Dabei unterstrich er, dass die wirtschaftliche Stabilisierung auf die Bemühungen seiner Regierung um eine Ankurbelung der Produktion sowie die Eindämmung des Defizits zurückzuführen sei. Pläne einer EU-weiten einheitlichen Besteuerung wies Orbán zurück. Nach Ansicht des Regierungschefs ist ein Stopp von Migrationsbewegungen Richtung Ungarn die Voraussetzung für Aufrechterhaltung eines schnellen Wirtschaftswachstums. Falls es Ungarn gelingen sollte, seine migrations- und wirtschaftspolitische Souveränität zu bewahren, könnten das jährliche BIP-Wachstum bei vier Prozent gehalten und die Erwerbsquote weiter verbessert werden, so Orbáns Einschätzung. Kommentatoren der Linken und Rechten befassen sich in diesem Zusammenhang mit der Frage, ob und inwiefern sich Bevölkerungsbewegungen auf die ungarische Wirtschaft auswirken könnten. Ungarische Presseschau von budapost.de:
Sándor Faggyas von Magyar Hírlap stimmt mit dem Ministerpräsidenten darin überein, dass Masseneinwanderung das Wachstum verlangsame und staatliches Handeln untergrabe. Der regierungsfreundliche Kommentator verweist in diesem Zusammenhang auf Statistiken, denen zufolge die Integration jedes einzelnen Migranten bis zu 4,5 Millionen Forint pro Jahr kosten könne. Falls die EU eine obligatorische Umverteilung von Migranten umsetzen und Ungarn gezwungen sein sollte, 10.000 Migranten aufzunehmen, werde der Staatshaushalt die Gesamtkosten von 450 Milliarden Forint tragen müssen. Demnach fordert nach Ansicht Faggyas’ Ministerpräsident Orbán zu Recht, dass die Migration gestoppt werden müsse, um das schnelle ungarische Wirtschaftswachstum aufrechtzuerhalten.
In Népszava wirft Ferenc Dávid der Regierung vor, dass sie bei der Betrachtung der Beschäftigungszahlen Rosinenpickerei betreibe. So umfasse die entsprechende Statistik der Regierung sowohl öffentlich Bedienstete als auch zahlreiche im Ausland tätige Ungarn. Würden diese herausgerechnet, wäre die Erwerbstätigenquote weit weniger beeindruckend, glaubt der Wirtschaftswissenschaftler und Generalsekretär des hauptsächlich mittelständische Firmen vertretenden Arbeitgeberverbandes VOSZ. Ungeachtet der niedrigen Arbeitslosenquote hat laut David die Abwanderung in verschiedenen Bereichen einen Arbeitskräftemangel verursacht, darunter im Gesundheitswesen und in anderen Dienstleistungssektoren.
Der liberale Analyst und Investmentfondsmanager Viktor Zsiday vertritt die Auffassung, dass die ungarischen Löhne in den nächsten zwei bis drei Jahren im Jahresvergleich um zehn bis zwölf Prozent steigen dürften. Zsiday – regelmäßiger Kritiker der Wirtschaftspolitik der Regierung – geht davon aus, dass Nationalbank und Kabinett ihr Bestes tun würden, um den Konsum durch höhere Löhne anzukurbeln. Sollten diese Bemühungen erfolgreich sein, könnten die Migrationstrends umgekehrt und durch steigende Löhne viele derjenigen Landsleute zurück in die Heimat gelockt werden, die Ungarn in den vergangenen Jahren verlassen hätten, meint Zsiday.
via budapost.de, Foto: Szilárd Koszticsák – MTI