Es gibt unzählige Bilder von ihr. Jeder Tourist, der schon einmal in Budapest war, kennt sie. Sie steht für die Vereinigung der beiden Städte Buda und Pest. Sie ist über 150 Jahre alt und noch heute so schön, wie am ersten Tag. Die Kettenbrücke in Budapest. Doch was wenige wissen: sie hat, wie viele Wohnhäuser auch, einen Hausmeister. Wir stellen euch nun diesen Menschen bzw. die Geschichte seiner Familie vor, die seit Generationen an der Brücke Arbeiten und lange Zeit auch gewohnt haben. Dies ist die Geschichte des Brückenmeisters János Fazekas.
Das Büro von János liegt unweit der Kettenbrücke, auf der gegenüberliegenden Seite des Clark Ádám-Platzes, direkt am Tunneleingang, welcher unter dem Berg Buda hindurchführt. Genauer noch: Sein Büro liegt eingebettet in der Frontfassade des Tunnels. Wer bei einem Besuch in Budapest auf dem Clark Ádám-Platz sich den Tunneleingang, welcher ebenfalls sehr imposant ist, ansieht, kann mit etwas Glück bis heute János an seinem Arbeitsplatz antreffen (er erzählt sehr gerne und ausführlich, sowie überaus geduldig und freundlich von „seiner“ Brücke, wie er immer sagt, also nur Mut und einfach mal ansprechen).
Aber was sind eigentlich die Aufgaben eines Brückenmeisters?
Nicht nur der tägliche Rundgang auf der Brücke, sondern auch das Kontrollieren der Lichtsignale für die Schiffe und die Meldung jeglicher Fehler und Schäden an der Brücke gehört zu den Aufgaben von János.
Auch in die Kettenkammer, 12m unter der Fahrbahn, muss János ab und zu, gerade bei Hochwasser hinabsteigen und nachsehen, ob sich Wasser in der Kammer staut, da dies zu Rost und damit zu massiven Schäden an der Brücke führen kann. Selbst wenn jemand sich die Kettenbrücke aussucht, um dort seinem Leben ein Ende zu setzen, wird János informiert, damit er bzw. die zuständigen Behörden möglichst schnell handeln können. Allerdings ist das seit Jahren nicht mehr vorgekommen.
Auch die Kontrolle und Instandhaltung des Tunnels gehört zu seinem Aufgabenbereich. Gerade die Wartung der riesigen Belüftungsanlage, bestehend aus alten Bergwerksventilatoren, benötigt zusätzliche Aufmerksamkeit.
János ist allerdings froh darüber, dass mittlerweile vieles elektronisch läuft und er nicht per Hand die Lüftungsanlage zum Laufen bringen muss, bzw. viele Fehler digital angezeigt werden.
Für die abendliche Beleuchtung der Kettenbrücke ist er allerdings nicht zuständig, er meldet nur die Fehler an die zuständigen Firmen. Diese Aufgabe erledigt er mit solch einer Hingabe und Liebe zur Brücke, wie kein zweiter. Wie sein eigenes Kind, so behandelt er die Brücke (Aussage von János selbst).
Denn wie wir erfahren haben, ist die ganze Familie eng mit der Donau und damit mit der Brücke verbunden. Der Urgroßvater von János ist z.B. auf einem Schiff auf der Donau zur Welt gekommen. In seiner Geburtsurkunde steht keine Stadt, oder gar ein Krankenhaus, sondern eine Kilometerzahl.
Nach dem zweiten Weltkrieg half er (der Urgroßvater) beim Wiederaufbau der Margaretenbrücke und wurde anschließend Brückenmeister einer provisorischen Brücke über die Donau.
Diese Berufung gab er später an Imre Fazekas, dem Onkel von János, weiter, der bis heute der Brückenmeister der Margaretenbrücke bzw. der Árpád-Brücke ist.
Den Beruf des Brückenmeisters bekam damit auch logischerweise der Vater von János, der das Amt des Brückenmeisters der Kettenbrücke im Jahre 1964 übernahm.
Als der Vater von János die Aufgabe bekam, war János noch ein Kind. Oft spielte der auf dem leeren Platz vor dem Tunnel, denn die Wohnung des Brückenmeisters lag damals ebenfalls am Tunneleingang. Noch heute ist selbst der Balkon der Wohnung direkt am Eingang des Tunnels erkennbar.
János allerdings fing seine Karriere als Brückenmeister auf einer anderen Brücke an. Nach dem Wehrdienst bekam er 1984 den Posten des Brückenmeisters an der Freiheitsbrücke. Allerdings wollte János, wie jeder junge Mensch, auch seinen eigenen Weg gehen. So arbeitete er auch als Zeichner an In- und Auslandsproduktionen in den Pannonia Filmstudios, war aber auch als Gitarrist einer Rockband unterwegs.
Sein Vater erkrankte im Jahre 2004 sehr plötzlich und verstarb kurze Zeit später. Auf dem Totenbett seines Vaters versprach János, dass er das Amt des Brückenmeisters weiterführt und in Ehren hält. Für ihn ist dies das größte Geschenk, das er von seinem Vater bekommen konnte. Damit verlies er die Laufbahn eines angehenden Rockstars und wurde Brückenmeister der schönsten Brücke der Welt. Die Musik blieb aber als Hobby bis heute erhalten. Noch heute ist János Mitglied in einer Band namens „Blues Fathers“.
Er berichtete mir auch, wie er früher, zu sozialistischen Zeiten, in der Kettenkammer mit seiner Band spielt und wie öfters die Polizei gerufen wurde, weil man dachte, eine Untergrundorganisation zum Sturz des System würde sich dort treffen, formieren und Anti-System-Lieder einstudieren, welche man dann auf Demos spielen und damit die Menge anheizen würde.
Scherzhaft sagt er mir immer wieder, dass falls er einmal ein Buch schreibt, dieser den Titel „Von der Freiheit zu den Ketten“ bekommt, welches liebevoll und nicht ganz so ernst als eine Anspielung auf seine Ehe gemeint ist, aber auch die beiden Namen der Brücken beinhaltet (Freiheitsbrücke und Kettenbrücke).
János erzählte mir, dass er früher den Mädels und Frauen mit unterschiedlichen Tricks imponieren wollte. Sein Lieblingstrick war es eine Fernbedienung zum Rendezvous mitzunehmen und bei Sonnenuntergang mit der Angebeteten am Ufer der Donau spazieren zu gehen.
Da sein Vater die genauen Zeitpunkte für die Einschaltung der Lichter der Brücke wusste, wusste auch János, wann genau die Lichter der Brücke angingen. Er unterbrach die Herzensdame, falls diese gerade etwas erzählte und sagte, er müsse kurz noch etwas erledigen. Daraufhin zog er die Fernbedienung heraus und tat so, als würde er die Lichter der Brücke einschalten. Falls das Timing mal nicht genau genug war, hatte er auch einen Plan B, buchstäblich in der Tasche. Er nahm immer ein Paar Batterien mit, die er einlegte, verknüpft mit den Worten „achja, ich habe die Batterien vergessen“.
János erzählte mir, dass er damit nicht wenige Frauen verführen konnte.
János hofft, dass eines Tages, zumindest eines seiner Kinder, sich genauso für den Posten des Brückenmeisters interessieren wird, wie er. Es wäre beruhigend für ihn zu wissen, dass „seine“ Brücke weiterhin in guten Händen ist.
(Geschrieben von Márk Mervai, Fotos: Márk Mervai)