Er ist müde. Kein Wunder: es ist kaum ein Tag vergangen, seit er als Redner bei einem Benefizkonzert mit Hunderten von Kindern und vor Tausenden von Menschen im Publikum in der Budapester Arena aufgetreten ist. Wir können nicht einmal 15 Meter auf der Straße spazieren, ohne dass er von jemandem angesprochen wird: viele kommen zu ihm, für einen Händedruck, eine Umarmung, oder ein Autogramm. Er sieht nur von außen müde aus, die unendliche Geduld und Liebe strahlt aus ihm. Er erzählt lächelnd über die vergangenen 25 Jahre des Fördervereins St. Franziskus in Déva und über Tausende von Kindern, denen die Stiftung ein Zuhause gegeben hat. Interview mit dem Franziskaner Mönch Csaba Böjte.
Welt- und ungarische Stars treten normalerweise in der großen Arena in Budapest auf. Am Tag nach dem Auftritt schrieb man in den Zeitungen: Sie haben die Show so professionell geleitet, als wäre es eine Oscar-Preis-Gala gewesen. Hatten Sie kein Lampenfieber?
Wenn jemand gewohnt ist, 25 Jahre lang vor 300-400 Kindern zu reden, dann ist es gar nicht schwer, vor 10.000 Erwachsenen dasselbe zu tun. Sie sind ja viel mehr „wohlerzogen” als die Kinder. Ich freue mich sehr, dass ich über Gott, Liebe, und alles, was ich unter meinen Kindern erfahren habe, erzählen konnte.
Es ist jedoch selten, dass ein katholischer Mönch so bekannt ist wie Pater Csaba. Sie werden oft „Star-Priester” genannt. Ist es eine schwierige Rolle?
Das Wesen einer Sämaschine ist nicht das, wofür wir es halten, sondern das, was es tut. Was er sät, soll reichlich Getreide produzieren. Ich denke, wenn ich das Wort Gottes verbreite, ist es gar nicht wichtig, was die Menschen von mir halten.
Viel wichtiger ist, dass der Wert, den ich aus dem Evangelium übergeben möchte, in den Herzen der Menschen verwurzelt
Denn dieser Wert „wächst auf“ und „entfaltet sich“, um die Menschen reicher und glücklicher zu machen.
Sie haben das Benefizkonzert mit der Stiftung „Never give up!” organisiert. Hauptbotschaft war: Gott schafft keine „Ausschussware“. An wen ist diese Nachricht gerichtet? An die Gesellschaft, die nicht genug einfühlsam ist, an die Politik, die den Menschen mit Behinderungen nicht genug Hilfe bietet oder an die Behinderten selbst, damit sie die Betreuung fühlen?
Wenn ein Mann nach Hause geht und seiner lieben Frau sagt: „Oh, mein Schätzchen, ich habe so sehr darauf gewartet, endlich nach Hause zu kommen, wie gut du bist, wie gut es ist, dass du zu Hause bist. Das Abendessen schmeckt auch sehr gut…“ – dieser Mann bekommt dann gleich einen Kuss, nein? Wenn er aber schon beim Eintreten ins Haus krittelt, bringt er aus derselben Frau sicherlich eine Harpyie heraus, dass sie beide staunen werden und sich wundern, wozu diese süße kleine Frau fähig sein kann? Wir bekamen den Befehl von unserem Herrn Jesus Christus, einander zu lieben.
Wir vergessen das oft und beginnen uns gegenseitig zu verurteilen, zu spotten und alle möglichen schlechten Dinge über den anderen zu sagen. Wenn wir aber ein bisschen nachdenken, ist es so einfach: Man kann den anderen durch Schlagen oder Schimpfen nicht besser machen, nur durch Liebe
Auch der einfache Bauer weiß sehr gut: wenn er das Feld düngt, d.h. sich liebevoll darum kümmert, dann wird es sicherlich mehr produzieren. Wenn er aber das Feld nur mit der Mistgabel sticht, wird es keine Ernte mehr geben. Das erste, was kleine Kinder neben dem Gehen und Sprechen lernen müssen, ist, dass die Liebe mehr Liebe trägt – während Hass, Wut und Geschrei mehr von demselben hervorbringen. Mit anderen Worten: man erntet, was man sät.
„Behindert zu sein ist ein sichtbares Kreuz“ – betonte ein junger Mann bei dem Konzert. Er sitzt seit seiner Kindheit in einem Rollstuhl. Atheisten und Skeptiker stellen immer die Frage: „Wenn es Gott gibt, warum lässt er Kinder leiden?“ Was antworten Sie darauf?
Alle Menschen haben ein Kreuz. Ich würde dies eher „Aufgaben” nennen, die zu lösen sind
Jeder hat sichtbare und unsichtbare Mängel, so auch ich. Diese muss man annehmen. Das kleine Veilchen beneidet die Sonnenblume nicht, weil sie feines Öl produzieren kann, und die Sonnenblume ist nicht eifersüchtig, weil das kleine Veilchen eine duftende Blüte hat, woraus man Parfüm herstellen kann. Beide bringen ihre eigenen Blumen, Blütenblätter und Früchte mit: sie schaffen ihre eigenen Aufgaben, die man später sogar nutzen kann. Ich denke, dass die Leute akzeptieren müssten, dass Gott einem diesen – dem anderen jenen Weg gegeben hat. Der ungarische Dichter János Pilinszky hatte recht, wenn er sagte: „Alles ist unaussprechlich gut so, wie es ist. Von allen Dächern ist die Sonne sichtbar.“
Sie ermutigen oft die Menschen, sich zu trauen, Kinder zu haben. Nicht nur Ungarn, sondern ganz Europa hat mit sinkenden Geburtenraten zu kämpfen. Wie kann das geändert werden? Kann etwa die Politik dabei eine Rolle spielen?
Ich finde, dass die ungarische Regierung bisher sehr viel getan hat, um den Wunsch nach einem Kind zu erhöhen. Es ist eine große Freude, dass nach den staatlichen Statistiken die Rate in den letzten 5-10 Jahren um 0,25% steigen konnte. Das ist eine sehr ernste Sache. Ich denke jedoch, dass man für die Ehe nicht nur Geld und ein Auto braucht, sondern vor allem Liebe. Deshalb hatten wir die Idee, einen sog. „Liebeslehrpfad“ zu schaffen. Die schönsten Liebesgedichte stammen von Sándor Petőfi. Er hat seine Geliebte Julia in Siebenbürgen kennengelernt. Er hat sehr lange für sie geworben, dann bat er um ihre Hand, was Julia zuerst ablehnte. Warum denn? Weil unser großer Dichter in privaten Unterhaltungen sehr obszön war. Julia mochte das nicht. So ging Petőfi nach Hause, „wusch sich den Mund“, erneuerte sein Vokabular, ging zurück und war so charmant, dass Julia schließlich ja gesagt hat. Bis zum heutigen Tag steht in Szatmár der Altar und das große Kruzifix, wovor sie einander ewige Treue geschworen haben. Sein Freund Graf Teleki lud sie für eine Hochzeitsreise nach Koltó ein. Der Liebespfad folgt dem Weg von Nagyvárad nach Koltó. Das Ziel wäre es, in 9 Punkten zeigen zu können, was es bedeutet, Bekanntschaft zu machen, um ein Mädchen zu werben, zu heiraten, und eine Familie zu gründen. Anhand der altbewährten christlichen Werte möchten wir den Jugendlichen erzählen, was es bedeutet, zu lieben. Gott sei mit uns, damit wir es schaffen! Wir laden alle mit Liebe ein.
Hätten Sie gedacht, als das erste Camp für verwaiste Kinder in Deva organisiert wurde, dass es nicht nur eine Woche, sondern eine 25 Jahre lange – oder hoffentlich sogar längere – kontinuierliche Arbeit sein wird?
Ich habe nicht einmal daran gedacht, dass die rumänischen Behörden uns das tun lassen werden. Ich habe eine Sache gelernt: man darf nie aufgeben! Ich selbst bin nicht imstande zu sagen, ob es weiter geht. Wir werfen so leicht das Handtuch und gehen. Am Palmsonntag hätte Jesus Christus sagen können: „Es war genug, ich vermehrte Brot, machte Wunder, ihr wollt das nicht. Ich will es nicht erzwingen.“ Aber er blieb unter uns. Seinen Aufstieg in den Himmel hätte er auch schön früher tun können.
Es war schön, euch zu treffen, auf Wiedersehen, mein Gott, sprenge diese Welt auseinander, denn das ist alles, was es wert ist. Wie gut ist es doch, dass er mit uns geblieben ist!
Wir halten durch, neben unserem Kind, einem Kollegen, unserem Ehemann, etc.. Wir sagen dem anderen gegenüber zu leicht „NEIN“. Es gibt sehr viele Scheidungen und so viele einsame junge Leute! Wir haben 300 Kollegen bei der Stiftung, und ich sagte voraus, dass wir nie einem kündigen werden. Denn auch Jesus sitzt immer noch mit seinen Aposteln auf dem Thron des Himmels.
(Geschrieben von Zsófia Nagy-Vargha, Fotos: Péter Csákvári)