Nach dem fünften Tag von Demonstrationen gegen die Regierung denken Beobachter darüber nach, ob die jüngsten Proteste die Geburt einer neuen geeinten Opposition markieren – oder ob das Bemühen recht unpopulärer Oppositionsparteien um eine Führungsrolle keine neuen Unterstützer hervorbringen werde. Eine Presseschau von budapost.de.
Gegen Ende der oppositionellen Demonstration vom Sonntagabend, der größten einer seit vergangenen Mittwoch anhaltenden Serie, verschafften sich 13 Abgeordnete der Opposition nach Mitternacht Zugang zum Gebäudekomplex der staatlichen Medienholding MTVA und versuchten, eine Fünf-Punkte-Erklärung zu verbreiten. In ihr werden etwa die Aufhebung des kürzlich verabschiedeten Überstundengesetzes, eine unabhängige Justiz, die Beteiligung am Projekt eines Europäischen Staatsanwalts sowie unabhängige öffentlich-rechtliche Medien gefordert. Am Montagmorgen wurden die Volksvertreter des Gebäudes verwiesen, wobei sich einige von ihnen erfolgreich zur Wehr setzten. Die Stadtbezirksverwaltung ließ sie dann wegen Verletzung des Hausrechts entfernen. Die Betroffenen erklärten daraufhin, sie würden das Medienunternehmen verklagen, da dessen Sicherheitspersonal handgreiflich geworden sei. Die Angestellten des Wachdienstes wiederum warfen den Abgeordneten im Gegenzug vor, sie hätten ihre parlamentarische Immunität missbraucht. (Ein Abgeordneter hatte beispielsweise falschen Feueralarm ausgelöst.) Sowohl am Sonntag- als auch am Montagabend verfolgten einige tausend Demonstranten die Ereignisse von der vor dem Medienzentrum gelegenen Straße aus.
In seinem Hausblatt Magyar Idők legt Zsolt Bayer nahe, dass die Abgeordneten der Opposition einen Skandal hätten inszenieren wollen. Das sei ihnen wichtiger gewesen, als sich Gehör zu verschaffen, behauptet der regierungsnahe Publizist, (der am Samstag noch darüber nachgedacht hatte, ob er nicht einen Marsch zur Unterstützung der Regierenden veranstalten sollte, um klarzustellen, welche Seite von den Massen unterstützt werde). Die Oppositionsabgeordneten würden gewöhnlich davon reden, dass die öffentlichen Medien ihr Publikum verloren hätten. Warum, fragt Bayer, hätten sie dann eine Ansprache dieser wenigen Zuschauer versucht, anstatt RTL Klub als den meistgesehenen Sender Ungarns um eine Ausstrahlung ihre Forderungen zu bitten? „Weil sie Ärger suchten“, gibt Bayer selbst die Antwort.
Auf dem Nachrichtenportal 24.hu warnt Péter Pető, dass tägliche Demonstrationen auf Dauer nicht nachhaltig seien. Der Kommentator fragt sich, ob Parteien und Politiker eine Aufrechterhaltung der Spannung gelingen könne. Und wären sie in der Lage, den Rest der Gesellschaft von ihrer Fähigkeit der Vertretung ihrer Interessen zu überzeugen? Falls sie sich als fähig erweisen sollten, könnten sie eine große Koalition von „regimegeplagten Ungarn“ bilden, notiert Pető.
Péter Uj erinnert auf 444 an frühere Demonstrationen, deren Initiatoren mittlerweile vergessen seien. Würden die aktuellen vielleicht eine bleibende Spur hinterlassen?, fragt der Kolumnist und verweist darauf, dass jene Kundgebungen damals Zehntausende mobilisiert hätten, während diejenigen der letzten Tage nur von einigen tausend Personen besucht worden seien. Gewiss, die „diskreditierten und inkompetenten“ Führer der Opposition hätten klugerweise das Überstundengesetz genutzt, um sich als Verteidiger der arbeitenden Menschen in Szene zu setzen. Doch seien die Zeiten für diejenigen, die mit der Unzufriedenheit der Arbeitnehmer rechnen würden, nicht günstig, da die Reallöhne in den letzten Jahren Zuwachsraten im zweistelligen Bereich zu verzeichnen gehabt hätten, befürchtet Uj.
(Via: budapost.hu, Beitragsbild: facebook.com/szelbernadett)