Anstatt die Folgen eines harten Brexit für Ungarn zu analysieren, wird in den ersten Kommentaren zur Ablehnung der Brexit-Vereinbarung durch das Unterhaus in London der Versuch unternommen, den Sinn des Geschehens zu verstehen. Zudem werden die möglichen nächsten Schritte erörtert. Eine Presseschau von budapost.de.
In Népszava verurteilt Tamás Rónay die führenden EU-Austrittsbefürworter, denn sie hätten eine knappe Mehrheit der Briten vor drei Jahren in eine unverantwortliche Entscheidung hinein manipuliert. Mittlerweile sei klar, dass die Versprechungen – einschließlich der für das Gesundheitssystem frei werdenden Milliardensummen – keinerlei Substanz hätten. Doch anstatt die Fakten anzuerkennen, drängten sie jetzt ungeachtet der offensichtlichen, doch unkalkulierbaren Risiken zu einem harten Bexit. Der linke Kommentator kritisiert aber auch Premierministerin Theresa May sowie Labour-Chef Jeremy Corbyn scharf: May habe ihr Land in die Sackgasse geführt und Corbyn – selbst Brexiteer – stelle als solcher kein Gegengewicht zu denjenigen dar, die Großbritannien ins Chaos führen würden.
Auf HVG.hu skizziert Mercédesz Gyükeri mehrere Optionen, nachdem die von der britischen Regierung und Brüssel getroffene Vereinbarung am Dienstagabend vom Parlament in London abgeschmettert wurde. Allerdings hält die Kommentatorin einen harten Brexit für die nunmehr wahrscheinlichste der Möglichkeiten. Immerhin ist Gyükeri auch davon überzeugt, dass in der Zwischenzeit letzte Anstrengungen unternommen würden und daher die Frist für den Austritt des Vereinigten Königreichs am 29. März voraussichtlich verlängert werden dürfte. Auf jeden Fall werde es eine knapp zweijährige Übergangszeit den Beteiligten ermöglichen, sich zumindest in einigen kritischen Fragen zu verständigen, bevor die eigentliche Scheidung im Dezember 2020 vollzogen werde.
Brexit aus regierungsnaher Perspektive
Eine konservative Analystin äußert ihr Bedauern darüber, dass mit dem Brexit Ungarn einen Verbündeten innerhalb der Europäischen Union verlieren werde. Besorgniserregend sei zudem die Tatsache, dass sich das Ausscheiden Großbritanniens aus der EU offenbar unter chaotischen Umständen abspielen dürfte.
Die Regierungschefs Ungarns und des Vereinigten Königreichs seien die einzigen gewesen, die gegen die Ernennung von Jean-Claude Juncker zum Präsidenten der Europäischen Kommission gestimmt hätten. Mariann Őry erinnert in ihrem Kommentar für Magyar Hírlap auch an den Grund für dieses Abstimmungsverhalten: Juncker widersetze sich einer auf starken Nationalstaaten basierenden Union. Sowohl David Cameron als auch Viktor Orbán hätten sich gegen das ausgesprochen, was Őry als „die schleichende Stärkung der Macht der EU-Institutionen“ bezeichnet. Der Brexit sei weitgehend Brüssel zuzuschreiben, so die regierungsfreundliche Kommentatorin, denn Eingriffe in die nationale Souveränität gehörten zu den Gründen, die die Briten zum Austritt aus der Union veranlassen würden. Sie glaubt nicht, dass die Schnitzer während des Austrittsprozesses den Brexit umkehrbar machen werden. Es sei doch ziemlich armselig, dass die britische Führung gut zwei Monate vor Ablauf der Frist noch immer mehr Fragen als Antworten hinsichtlich der konkreten Form des EU-Austritts habe, kritisiert Őry.
(Via: budapost.de, Beitragsbild: MTI/EPA/Stephanie Lecocq)