Ungarn beging am 15. März den Feiertag in Erinnerung an die Revolution des Jahres 1848. Auf der offiziellen Festveranstaltung vor dem Nationalmuseum in Budapest wendeten sich sowohl der ungarische als auch der polnische Ministerpräsident an ihre versammelte Anhängerschaft. Die Wochenzeitungen konnten aufgrund ihres früheren Erscheinens nicht auf die Ansprachen Viktor Orbáns und Mateusz Morawieckis eingehen, analysierten jedoch die Bedeutung des Ereignisses und beschäftigten sich auch mit seinen möglichen Wirkungen auf das Ausland. Presseschau von budapost.de.
In Figyelő bewertet Zoltán Kiszelly die Anwesenheit des polnischen Ministerpräsidenten in Budapest als Ausdruck des Widerstandes beider Regierungen gegen einen „schleichenden Föderalismus“. Der regierungsfreundliche Politologe sieht Polen und Ungarn an der Schnittstelle expansiver Imperien: Brüssel strebe die Schaffung eines technokratischen Superstaates an, während Russland und die USA ihren wirtschaftlichen und politischen Einfluss in der Region aktiv ausbauen würden, konstatiert der Autor. Unter derartigen Bedingungen seien beide Staaten auf Verbündete angewiesen. Und da die Achse Budapest – Wien – München Ermüdungserscheinungen aufzuweisen scheine, könne die Achse Budapest – Warschau die entstehende Lücke füllen und auch andernorts als interessanter Partner betrachtet werden – beispielsweise in Rom, mutmaßt Kiszelly.
András Bencsik stellt in seinem Leitartikel für Demokrata zwei Visiten gegenüber: die des polnischen Regierungschefs sowie den Budapester Kurzbesuch des EVP-Spitzenkandidaten Manfred Weber Anfang der vergangenen Woche. Letzteren interpretiert der regierungsnahe Publizist dahingehend, dass die Drohung, den Fidesz aus der Europäischen Volkspartei auszuschließen, schwächer geworden sei. Dessen ungeachtet schließt Bencsik keineswegs aus, dass der Fidesz zu einem späteren Zeitpunkt doch noch vor die Tür gesetzt werde – dann nämlich, „wenn Pro-Migrationskräfte die EVP hoffnungslos durcheinanderwirbeln sollten“. Die Botschaft des 15. März vor 171 Jahren habe darin bestanden, dass die nationale Souveränität um jeden Preis verteidigt werden müsse. Demzufolge begrüßt Bencsik, dass Polen an der Seite Ungarns stehe, wie dies schon so oft in der Geschichte der Fall gewesen sei.
In Hetek beschreibt Máté Kulifai Manfred Weber als schwache Führungspersönlichkeit, habe er doch zunächst dem Fidesz mit dem EVP-Ausschluss gedroht. Als dann jedoch die ungarische Seite keine Anzeichen eines Einlenkens habe erkennen lassen, sei die Führung der Europäischen Volkspartei auf die Bremse getreten, um Fidesz bis zu den Europawahlen im Mai in den eigenen Reihen zu halten. Auch wenn der Fidesz letztendlich Mitglied der EVP bleiben werde, „Manfred Weber und die Europäische Volkspartei selbst sind ungeeignet, Europa zu führen“, schlussfolgert Kulifai.
Der Politologe Gábor Török hat sich eingehend mit aktuellen Artikeln regierungsnaher Kolumnisten beschäftigt. Aus ihnen könne man herauslesen, dass sich die wahren Verbündeten des Fidesz außerhalb der Europäischen Volkspartei befinden würden, stellt er in Magyar Narancs fest. Die Freiheitliche Partei Österreichs, die Nationale Sammlungsbewegung in Frankreich sowie die deutsche AfD betrachteten Ministerpräsident Orbán im Gegensatz zu vielen Politikern der Volkspartei bereits als ihren Verbündeten, so Török. Obgleich die gegen die Einwanderung gerichtete Politik des ungarischen Ministerpräsidenten viele neue Anhänger unter den führenden europäischen Politikern gewonnen habe, sei er selbst nicht stärker geworden, glaubt der Experte. Obwohl sich die traditionellen Parteistrukturen in einer Krise befänden, fielen sie durchaus nicht auseinander. Folglich existiere kein kraftvolles Konkurrenzlager, dem sich Orbán im Falle eines Rausschmisses aus der EVP anschließen könnte, beobachtet Török.
(Via: budapost.de, Beitragsbild: MTI – Zsolt Szigetváry)