Wöchentliche Newsletter

19. März: Vor 75 Jahren marschierte die Wehrmacht in Ungarn ein

Ungarn Heute 2019.03.20.

Mit 120 000 Soldaten besetzte die Wehrmacht am 19. März 1944 Ungarn. Obwohl das Land heute immer noch als „der letzte Schildhalter Hitlers“ genannt wird, Aufzeichnungen, die in den letzten Monaten in den US-Archiven in Washington gefunden wurden, haben doch bestätigt, dass Amerika und Großbritannien die Besetzung nicht verhindert, sondern eher geholfen haben. Auf dem Portal index.hu betont László Borhi Historiker: „In dem doppelgesichtigen angelsächsischen Spiel kümmerte man sich nicht um die tragischen Folgen der Besatzung, über das ungarische Judentum und die Hunderttausende von Opfern.“ – so der Professor der „Indiana-Universität“. 

Warum fand die Besetzung statt, als der ungarische Staatsoberhaupt, Miklós Horthy ein scheinbar zuverlässiger Verbündeter der Deutschen war? – stellt die Frage der ungarische Historiker László Borhi in einem Artikel auf index.hu. Der Autor erinnert auch daran: Horthy unterstützte wirtschaftlich die deutschen Kriegsanstrengungen, schickte seine Armee an die Ostfront, weit entfernt von den ungarischen Grenzen. Hitler erklärte doch die Besatzung mit zwei Dingen: mit der „ungelösten jüdischen Frage“ und der „Untreue“ der ungarischen Führung.

Miklós Horthy und Hitler in Schloss Klessheim am 16. April 1943 Quelle: Gamma-Keystone via Getty Images

Obwohl Ungarn oft als der „letzte Schildhalter Hitlers“ zitiert wird, berichten in den USA gefundenen Archiven darüber, dass Ungarn im Herbst 1943 ein Prinzip der bedingungslosen Kapitulation akzeptiert hätte. Im März 1944 erwartete man sogar eine geheime US-Delegation, um darüber zu diskutieren. Ziel der Alliierten war es aber keine Kapitulation, seit März 1943 wollten sie „die ungarische Führung in den Augen der Deutschen zu diskreditieren“ und die deutsche Besetzung des Landes zu erzwingen – so Borhi. Ziel war es, die deutschen Truppen bei der bevorstehenden Landung auf dem Kontinent zu schwächen.

Der Plan enthielt jedoch kein einziges Wort über die 825.000 in Ungarn lebende jüdische Bevölkerung – betont der Historiker.

Fact

Nach der Schlacht von Stalingrad 1942, wurde die ungarische 2. Armee mit 200.000 Mann von der Roten Armee beim Frontdurchbruch der Roten Armee südlich von Woronesch eingekesselt, und der Regierung von Miklós Kállay wurde klar, dass Ungarn auf die Seite der Alliierten wechseln müsste. Im August 1943 nahmen Teile der ungarischen Regierung ersten Kontakt mit den Alliierten auf, was dem deutschen Geheimdienst bekannt wurde, ohne dass zunächst Gegenmaßnahmen ergriffen wurden. Die Situation änderte sich jedoch grundlegend nach der Schlacht bei Kursk und der alliierten Landung auf Sizilien (10. Juli 1943), die zum Bruch der Achse Berlin-Rom führte. Deutschland war entschlossen, ein „zweites Italien“ zu verhindern. Unter dem Decknamen „Margarethe“ wurden seit September 1943 die Operationspläne ausgearbeitet, am 19. März 1944 fielen aus den Räumen Belgrad, Zagreb, Wien und Krakau acht Divisionen in Ungarn ein. Die bewaffneten Kräfte Ungarns leisteten keinen Widerstand, Horthy blieb als Staatsoberhaupt im Amt. Am 28. Februar 1944 ordnete Hitler an, die militärische Besetzung Ungarn vorzubereiten – Deckname: „Unternehmen Margarethe“. Zwei Wochen später ließ er Horthy bewusst kurzfristig mitteilen, er wünsche ihn zu treffen – am 18. März 1944 auf Schloss Klessheim, 25 Kilometer nördlich vom „Berghof“. Horthy rechnete damit, dass die Rückführung ungarischer Truppen von der Ostfront besprochen würde – so war der Grund für die Einladung benannt worden. Das jedoch interessierte Hitler nicht im Geringsten. Stattdessen beschwerte er sich, dass die ungarische Regierung das Ausscheiden Ungarns aus dem Krieg vorbereite – die Kapitulation gegenüber der Sowjetunion und den Westmächten. Abermals kam Hitler auf die „Judenfrage“ zu sprechen. In Ungarn könnten fast eine Million Juden frei und fast ohne persönliche Beschränkung leben, was er als eine Bedrohung der Ost- und Balkanfront betrachte.

 

Deutscher Tiger II-Panzer im Oktober 1944 in Budapest

So geschah es: In der Nacht von Samstag, dem 18. März 1944, auf Sonntag, den 19. März 1944, marschierten aus Norden, Westen und Süden deutsche Truppen Richtung Budapest. Am frühen Sonntagmorgen standen Wehrmachtseinheiten rund um Budapest; zu Widerstand kam es nicht.

Mit den Truppen, tauchten SD-Vorkommandos auf und begannen sofort mit der Verhaftung „reichsfeindlicher“ Leute. Sie kamen mit Namenslisten und zogen ihre Opfer meistens aus dem Bett heraus. Einzig der Abgeordnete der Kleinlandwirtepartei, Endre Bajcsy-Zsilinszky, ein glühender Hitler-Gegner, wehrte sich. Nach einem Schußwechsel wurde er verwundet in den Pkw des SD gezerrt. Mit letzter Kraft rief er den Passanten zu: „Es lebe das freie Ungarn! Verteidigt unsere Unabhängigkeit!“ Kein Mensch rührte sich, ihm zu helfen. (Via: zeit.de)

Die deutsche Besetzung endete mit der sowjetischen. Die Rote Armee besetzte Ungarn seit Ende September 1944 schrittweise. Deutsche Besatzungstruppen und ungarische Kollaborateure leisteten den sowjetischen Truppen beim Kampf um Ungarn über ein halbes Jahr noch Widerstand.

Das Museum „Haus des Terrors“ in Budapest gedenkt den Opfern beider Diktaturen.

(Via: index.hu, zeit.de, welt.de, wikipedia.org, Beitragsbild: mult-kor.hu)