„Unter vier Augen nenne ich Orbán seit Jahren einen Diktator. Er hat immer darüber gelacht.“ – sagte der scheidende Kommissionspräsident auf die Frage in einem Interview, ob er einen Fehler gemacht habe, indem er Viktor Orbán im Mai 2015 öffentlich als „Diktator“ bezeichnete. Jean-Claude Juncker sprach auch darüber, wen er für einen Demokraten hält.
Vor zwei Jahren begrüßte Juncker Orbán bei einem EU-Gipfel in Riga mit den Worten: „Der Diktator kommt“, bevor er ihn spielerisch ins Gesicht schlug. Juncker sagt jetzt, es sei nur ein Scherz und ein unglücklicher Zufall, dass jeder durch das Mikrofon hören konnte, was er sagte.
„Bei der besagten Veranstaltung, beim Gipfel in Riga, standen Mikrofone vor uns. Ich begrüßte ihn auf humorvolle Weise, so wie ich es immer tue. Ich persönlich habe gute Beziehungen zu ihm.“ – so Juncker.
Der ehemalige luxemburgische Premier fügte auch hinzu: „Ich habe großen Respekt vor Viktor Orbán. Ich bewunderte den Mut, den er an den Tag legte, als er sich dem Kommunismus widersetzte – zu einer Zeit, als sowjetische Truppen noch in Ungarn stationiert waren.
Ich habe ihn immer als Helden betrachtet. Aber wir haben in einigen Punkten andere Ansichten.
Obwohl der Politiker über „gute Beziehungen mit Orbán“ geredet hat, ist das Verhältnis zwischen ihnen nicht so friedlich. Kaum vor 3 Wochen hat der scheidende Präsident der Europäischen Kommission dem italienischen Fernsehsender RAI1 geäußert, dass er sich nicht für die jüngste Plakatkampagne der ungarischen Regierung interessiere und viel mehr über Orbáns wütende Haltung gegenüber Ausländern besorgt sei. Der Premierminister erwiderte, dass jemand, der stolz Statuen von Karl Marx enthüllt, wahrscheinlich nicht versuchen sollte, jemanden über Fremdenfeindlichkeit aufzuklären.
Orbán: „Juncker sollte uns über Fremdenfeindlichkeit nicht belehren“
Jetzt in dem Interview mit der polnischen Tageszeitung Rzeczpospolita sagte Juncker auf Nachfrage, ob er Orbán für einen Demokraten halte: „Wer ist ein Demokrat? Jemand, der von den Wählern gewählt wurde? Nein, das reicht nicht. Denn selbst wenn Sie eine große Mehrheit haben, bekommen Sie dadurch nicht das Recht, diejenigen zu ignorieren, die nicht für Sie gestimmt haben. Als luxemburgischer Premierminister wäre ich niemals auf den Gedanken gekommen, dass diejenigen, die nicht für mich gestimmt haben, keine Rechte hätten. Natürlich hatten und haben sie diese Rechte, weil sie Bürger desselben Landes sind, auch wenn sie in der Opposition waren. In jedem Land muss es ein solches System der gegenseitigen Kontrolle und des Machtausgleichs geben.“
(Via: euractiv.de, Beitragsbild: index.hu)