Ist Deutschland zu schwach oder zu stark? – stellte das Institut des 21. Jahrhunderts die Frage bei einer Konferenz, die in Budapest veranstaltet wurde. Eingeladene Gäste beim „Runden Tisch“ waren solche relevante Persönlichkeiten, die sich in den deutsch-ungarischen Beziehungen sehr gut auskennen. Migration, Presse und wirtschaftliche Fragen standen auf dem Tisch.
Eine Menge von Themen in Bezug auf die deutsch-ungarischen Beziehungen wurden bei der Konferenz „Hassliebe“ – Ist Deutschland zu stark oder zu schwach?“, in dem Museum „Haus des Terrors“ angesprochen. Unter anderem, ob die sogenannte deutsche Frage „wieder auf der Tagesordnung steht?“ „In welcher Situation sich das Land befindet, sowie in welche Richtung wird es sich verändern und wie wird es Ungarn beeinflußen?“
Eingeladene Teilnehmer waren Mária Schmidt, Historikerin, Leiterin des Museums „Haus des Terrors“; Boris Kálnoky, Korrespondent der Zeitung „Die Welt“; Gergely Prőhle, ehemaliger Botschafter Ungarns in Berlin sowie Hubertus Knabe, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts des 21. Jahrhunderts.
Auf die Frage, was heute die deutsche Vorherrschaft beeinflußt und ob das Land zu schwach oder zu stark sei, sagte Mária Schmidt
Deutschland ist gleichzeitig zu schwach und zu stark. Es ist beispielsweise kulturell sehr schwach geworden.
Laut der Direktorin kann Deutschland keine große kulturelle Leistung aus den letzten Zeiten aufzeigen und Berlin ist, auch diplomatisch gesehen, sehr schwach geworden. Das Land konnte den Brexit auch nicht verhindern, obwohl das auch sein Interesse gewesen wäre. Schmidt betonte:
Es gibt in Deutschland eine Führungs-, eine Identitäts-, eine Orientierungs- sowie eine außenpolitische Krise, und diese alle haben einen Einfluß auch auf die wirtshaftliche Ebene.
Schmidt kritisierte die deutsche Presse und stellte die Frage, warum es für ein so großes Land wichtig sei, das kleine Ungarn als ein „Prügelknabe“ zu behandeln. Sie sagte:
Merkel hat aus Deutschland eine neue, große DDR gemacht.
Mária Schmidt fügte hinzu: Deutschland hat die Politik, d.h. die poilitische Kultur des Landes „getötet“, es gibt heute keinen Diskurs mehr in der öffentlichen Rede und die Politiker verhalten sich so, als wären sie in allen Gebieten Experte.
„Ich lebte in der DDR und freue mich, berichten zu können, dass die Lage jetzt viel besser ist.“
so reagierte Gergely Prőhle, ehemaliger Botschafter Ungarns in Berlin auf die Aussage der Historikerin. Er fügte hinzu: ein gegenseitiges Verständnis sei erforderlich, auch wenn zum Beispiel die deutsche Behandlung von Migration jede Kritik verdient. Es gebe eine deutsch-ungarische Schicksalsgemeinschaft, so Prőhle, und eine Stagnierung der deutschen Wirtschaft würde sicherlich auch auf die ungarische Wirtschaft negativ auswirken. Er betonte:
Also bitte vorsichtig mit dieser deutschen Kritik.
Boris Kálnoky, ungarischer Korrespondent der deutschen Zeitung „Die Welt“ betonte: Deutschlands Interesse ist vor allem, dass nach den Wahlen zum Europäischen Parlament „alles im Alten bleibt“. Also das Land ist im „status Quo“ interessiert. Es gebe aber – so Kálnoky, heftige Debatten darüber, wie man die EU verändern will.
Es gibt sehr unterschiedliche Interessen. Die Interessen der Visegrád Gruppe und die Interessen der Gruppe der mediterraner und skandinavischer Länder unterscheiden sich stark voneinenader.
Es wäre essenziell – so der Journalist – die anderen Länder besser zu verstehen.
Hubertus Knabe, Wissenschaflicher Mitarbeiter des Instituts des 21. Jahrhunderts betonte: es gebe auf zwei Gebieten Sorgen. Die Außenpolitik von Deutschland sei zu agressiv gegenüber Ost-Europa und das Land sei militärisch auch sehr schwach.
Es gibt zu wenige funktionierende Panzer, damit kann man eine Kleinstadt verteidigen nicht aber das ganze Land. Das ist ein riesengroßer Unsicherheitsfaktor!
Er fügte hinzu, dass es auch ein großes Problem bedeutet, dass in der Innenpolitik eine „starke Polarisierung gebe. „In der Öffentlichkeit redet man nicht miteinadner und tauscht die Argumente nicht aus“ – so Knabe.
Und das ist immer schlecht für ein Land. Man muss mit anderen Leuten reden, auch mit denen, die eine andere Meinung haben und man sollte sie nicht als Feinde ansehen.
Auf die Frage, ob Europa auch ohne ein starkes Deutschland ein positives Zukunfstbild haben könnte, sagten die Teilnehmer: das Land ist ein zu großes und zu wichtiges Land, um zu glauben: „wir können alles ohne Deutschland schaffen“.
(Beitragsbild: MTI – Noémi Bruzák)