Zsolt Bede-Fazekas, Chefredakteur des unabhängigen ungarischen Rundfunks von Toronto und ehemaliger Kulturdirektor des ungarischen kanadischen Kulturzentrums, betreibt die kanadische Buchhandlung „Pannonia”, die als einzige, alle Ungarn mit ungarischsprachigen Publikationen versorgt „Von Australien nach Amerika.“ Hungary Today hatte die Gelegenheit, sich vor der jährlichen Konferenz der „Freunde von Ungarn Stiftung“ mit Bede-Fazekas zu unterhalten, wo er für seine Arbeit zur Erhaltung der ungarischen Wurzeln in der Diaspora, mit dem „Freund von Ungarn Preis“ ausgezeichnet wurde. Geschrieben von Fanni Kaszás – Hungary Today. Übersetzt von Ungarn Heute.
Wir haben uns in Győr getroffen, wo Sie vor fast 30 Jahren gelebt haben…
Ja, ich habe beim „Kisfaludy Theater“ gearbeitet und dort auch meine Frau getroffen. Sie war Mitglied der Tanzgruppe des Theaters, als ich dort als Beleuchter arbeitete. Dann wurde ich Teil des Theaterchors, später bekam ich auch kleinere Rollen und absolvierte eine Regie-Ausbildung. Dann haben wir das Land verlassen.
War es eine durchdachte Entscheidung oder mussten Sie plötzlich gehen?
Es war nicht „abrupt“, aber es war eine sehr unangenehme Entscheidung. Wir haben das Land kurz vor dem Regimewechsel 1987 verlassen. Wir mussten gehen, weil man mich als Geheimagenten anwerben wollte. Viele Leute waren am Theater beteiligt; Es gab einen internen Geheimdienstoffizier, dessen Bereich das Theater war, und sie berichteten ihm. Nachdem sie sich mir genähert hatten, befand ich mich in einer sehr schwierigen Situation. Diejenigen, die diese Rolle übernahmen, wurden für immer „befleckt“, auch wenn sie überhaupt nichts taten. Ich denke, es war damals, ein paar Jahre vor dem Regimewechsel nicht mehr so ernst, aber wir wussten es nicht, deshalb haben wir geglaubt: wir müssen das Land verlassen.
Wohin sind Sie geflüchtet?
Wir haben ein Jahr in Österreich verbracht. Dort haben wir gehofft, dass sich bald etwas ändern wird, aber wir haben uns nicht gewagt, umzukehren. Obwohl ich einen Antrag auf politisches Asyl gestellt habe, hat Österreich uns am Ende nicht als Auswanderer akzeptiert, und so gingen wir nach Kanada.
Warum Kanada und nicht die Vereinigten Staaten?
Als sich herausstellte, dass wir Österreich verlassen mussten, hatten wir die Wahl, wohin wir gehen möchten: Australien, USA oder Kanada. Wir haben uns nicht einmal für Australien beworben, wir hatten das Gefühl, es sei zu weit weg und wir hatten es bereits schwer, Europa zu verlassen. Dann haben wir in den beiden anderen Ländern Asyl beantragt.
Diejenigen, die sich dieses Verfahren schon unterzigen haben, verstehen es, was der Unterschied zwischen illegaler Einwanderung und legaler Auswanderung ist… Offizielle Papiere, Pässe, einwöchige Quarantäne…
Obwohl wir Verwandte in den USA haben, haben wir uns für Kanada entschieden. Wir fanden es sympathischer. Als wir im Land ankamen, wurden wir in die Mitte des Landes gebracht, in die Prärie, wo es im Winter bis zu -60 Grad kalt war. Offensichtlich wurden Auswanderer in Gebiete gebracht, aus denen die Bewohner in größere Städte gezogen waren. Wir gingen zuerst nach Regina, Saskatchewan, wo wir sechs Monate blieben. Viele Ungarn haben die behördliche Kontrolle unterlaufen und sind in Toronto geblieben, aber ich denke, es war gut, weiter zu gehen. Es gingen weniger Menschen in die kleineren Städte, so dass die kanadischen Einwohner sich mehr um die Neuankömmlinge kümmerten. Sie gaben uns Möbel, Töpfe und halfen beim Sprachenlernen. Wir konnten damals noch kein Englisch.
Es ist ziemlich mutig, in ein anderes Land zu fliehen, in dem man nicht einmal die Sprache sprechen kann. Ich denke, es war auch schwierig, sich an das kältere Wetter und an die Kultur anzupassen…
Ja, es war anfangs schwer.
Wir kamen mit vier Koffern ohne Sprachkenntnisse an. Als wir in der Einwanderungsbehörde ankamen, fragten sie mich, was wir mitgebracht hatten: warme Kleidung, Handschuhe, solche Dinge … aber tatsächlich waren zwei unserer Koffer komplett mit Büchern gefüllt.
Es war zwar nicht das schlechteste Wetter, aber der von Ihnen erwähnte Kulturschock… In den ersten Wochen konnte ich nicht schlafen, ich hatte das Gefühl, dass ich sogar nach Rumänien zurückkehren würde, wenn ich nur wieder in Europa sein könnte. Als wir im Herbst in Kanada ankamen, gab es keine Sonne, alles war grau und es machte eine ziemlich deprimierende Stimmung für uns.
Gab es in den ersten Monaten auch lustige Situationen wegen der kulturellen Unterschiede?
Ja, viele Dinge waren ganz anders. Einmal wurden wir zu einer Hausparty eingeladen, die nach kanadischer Tradition „BYOB“ war: „bring your own beverage“ also bring dein eigenes Getränk mit“, das ist beispielsweise ganz anders als in Ungarn, wo „alles für alle“ angeboten wird. Natürlich haben wir es wie in Ungarn gemacht, und dann haben wir es realisiert, dass wir nichts für den ganzen Abend hatten. Aber wir lernten schnell diese Gewohnheiten, die Sprache, und als wir nach Toronto zogen, es war so viel einfacher, uns zurechtzufinden.
Haben Sie in Toronto begonnen, eine größere Rolle im Leben der ungarischen Gemeinde zu spielen?
Ja, wir haben bewusst nach der ungarischen Gemeinde in Toronto gesucht. Damals gab es in der Stadt eine Straße, „Bloor Street“, mit einem Abschnitt, der komplett ungarisch war.Viele ungarische Restaurants, zwei ungarische Buchhandlungen … das Leben in der Gemeinde war ebenfalls großartig. Wenn zum Beispiel der Dichter György Faludy in Toronto lebte, trank er am Abend in einer der beiden Buchhandlungen ein paar Gläser Wein, und hat über Poesie gesprochen. In einer anderen Buchhandlung sah ich eine Werbung über ungarische Theateraufführungen. Wir waren „Theaterleute“, also war ich sofort daran interessiert, in das Ensemble einzutreten. Ich habe zehn Jahre lang mit ihnen gespielt. Seitdem besitze ich die Buchhandlung „Pannonia“, die als einzige ungarische Buchhandlung, alle Ungarn in der Region mit ungarischsprachigen Publikationen versorgt.
Haben Sie damals angefangen, Programme zu organisieren?
Als wir Österreich verließen, fragten wir uns, ob wir uns in Kanada auch europäische Filme ansehen könnten?! Wir haben beschlossen, dass wir einen Filmclub gründen, wenn wir keine Gelegenheit dazu haben. Wir haben in Österreich einen Videorecorder und mehrere Kassetten gekauft und meinen Bruder gebeten, ungarische Filme aufzunehmen.
Als wir nach dem Regimewechsel nach Hause gingen, kehrte ich mit zwei Koffern ungarischer Filme nach Kanada zurück und gründete einen eigenen ungarischen Filmclub.
Ein paar Jahre später gründeten wir mit Freunden den „Fészek-Club“, in dem wir Kulturprogramme organisierten und auch ungarische Musiker und Künstler einluden. Dann, vor ungefähr 25 Jahren, verließ ich diesen Verein und gründete einen neuen, den „Parameter“, was heute immer noch funktioniert. In mehr als zwei Jahrzehnten hatten wir mehr als 400 Gäste, unter ihnen der berühmte ungarische Musiker Tamás Cseh.
Was ist Ihre Meinung über die ungarische Gemeinde in Kanada und wie hat sich diese in den drei Jahrzehnten verändert?
Dies ist meine subjektive Meinung, und vielleicht, viele Ungarisch-Kanadier mögen mir nicht zustimmen, aber als wir vor 30 Jahren ankamen, gab es eine ungarische Gemeinde, die 1956 auswanderte, eine völlig andere Generation. Sie leiteten alle Institutionen und ungarischen Häuser und organisierten riesige Bälle und elegante Veranstaltungen.
Als wir, eine jüngere Generation, ankamen, wollten wir mehr: ernstere kulturelle Programme, literarische Abende, Konzerte, Ausstellungen, Theater. Wir haben an die Türen geklopft und um Veränderung gebeten.
Dann endlich war unsere Zeit gekommen, aber zu dieser Zeit waren diese Institutionen und Häuser völlig abgenutzt. Ich leitete das ungarische Haus sechs Jahre lang – aber einige aus den alten Zeiten blieben skeptisch und waren empört und schätzten die Programme nicht. Ich organisierte mehr als 200 Programme, Festivals und seit dem gab es ein großes Leben in der Gemeinde. Dann musste man das Haus verkaufen, um die Gemeinschaft nachhaltiger zu machen.
Jetzt, da es eine enorme Unterstützung von Ungarn gibt und die Regierung die Diaspora mit großen Summen unterstützt, gibt es keine wirtschaftlichen Probleme mit dem neuen Haus der Ungarn.
Ich habe jedoch das Gefühl, dass wir in der Zeit zurück sind. Die Kulturprogramme wurden wieder durch die Bälle ersetzt, es gibt keine Vision in der Programmorganisation. Wir haben Potenzial, aber ich denke, die ungarische Gemeinde lebt nicht mit den großen Möglichkeiten. Deshalb organisiere ich weiterhin Kulturprogramme in meinem Klub, im „Parameter“.
Sie sind auch Chefredakteur des Unabhängigen Ungarischen Radios in Toronto. Wie haben Sie diese Gelegenheit bekommen?
Als die Ungarn in Kanada auftauchten, war die Gemeinde automatisch in eigene Theater-, Radio- und Kulturhäuser unterteilt. Als ich ankam, waren bereits Radiosender in Betrieb.
Ich habe alles, was ungarsich war unterstützt und wollte daran auch teilnehmen.
Als ich hörte, dass es ein ungarisches Radio gab, rief ich den Chefredakteur an und sagte, dass wir Programme organisieren, und bat ihn, mit mir ein Interview zu machen. Dann blieb ich beim Radio als „Freiwilliger“. Aus verschiedenen Gründen übernahm ich nach mehreren Funkfrequenz- und Eigentümerwechseln, schwierigen finanziellen Situationen die Redaktion. Ich dachte, ich hätte nicht wirklich etwas zu verlieren und brachte ein völlig neues Konzept. Ich habe die Eigentümer ungarischer Unternehmen gebeten, Werbung zu machen, und so hat das Radio überlebt. Zunächst haben wir jeden Samstag mit einer einstündigen Sendung begonnen und konnten kurz darauf auf Live-Übertragung umstellen. Seit mehr als 15 Jahren haben wir eine zweistündige Sendung. Das Besondere daran: Während die anderen Radiosender der Diaspora, wie in Cleveland oder Ottawa, die Sendezeit kostenlos erhalten, mieten wir einen Radiosender eines privaten Unternehmens für bis zu 35.000 Dollar pro Jahr. Es ist ziemlich viel.
Wie geht es weiter mit dem Radio?
Anfangs wurde die Hälfte durch Spenden finanziert, die andere Hälfte durch Anzeigen von ungarisch-kanadischen Unternehmen. Dann schlossen die ungarischen Läden leider nach und nach. Es gab ein Jahr, in dem elf ungarische Restaurants in Toronto geschlossen waren. Heute sind nur noch zwei oder drei übrig. Und mit ein oder zwei Ausnahmen interessieren sie sich nicht wirklich für Werbung. So können sie das Radio nicht mehr unterstützen. So kommen jetzt 80-90% des Einkommens aus dem Publikum. Leider wollte man im September letzten Jahres einen noch höheren Preis für die Sendezeit verlangen, so dass wir die zwei Stunden aufgeben mussten. Zum Glück konnte das Unternehmen die Zeit nicht verkaufen, also haben wir sie zurückbekommen. In Ontario kann man unsere Sendungen auf einer Fläche von 400 Quadratkilometern überall im Internet anhören.
Was ist mit den Subventionen der ungarischen Regierung?
Wir haben uns auch dafür beworben. Obwohl ich zunächst nicht wollte, dachte ich, dass wir in Ungarn keine Subventionen beantragen sollten, wenn wir unsere eigenen Radiosender und ungarischen Häuser nicht für uns behalten könnten. Aber dann wurde es mir klar, dass – auch wenn ich mich nicht bewerbe – wird das Geld trotzdem verteilt. Warum es dann nicht für einige nützliche, wertvolle Projekte ausgeben? Ich tue alles in diesen Sendungen, um Wert zu schaffen, und wir arbeiten daran freiwillig.
Denken Sie oder haben Sie Angst, dass mit diesen Subventionen die ungarische Politik in die Gemeinschaft eindringt und diese spaltet?
Es gibt diejenigen, die diese Mittel in keiner Weise akzeptieren wollen, weil sie sich politisch nicht mit der Regierung einig sind, auch wenn die Institutionen ruiniert und geschlossen sind oder es keine Mittel oder Möglichkeiten für Programme gibt. Ich sage, es ist okay, es ist ihre Entscheidung. Wenn ich jedoch die Subventionen akzeptiere, wenn ich daraus Programme organisiere und Werte schaffe und sie mich deswegen kritisieren, dann ist das ein Problem.
In diesem Jahr haben Sie für Ihre jahrzehntelange Arbeit für die kanadisch-ungarische Gemeinde den „Freund von Ungarn Preis“ erhalten…
Die Mitglieder der Freunde von Ungarn können Personen für diesen Preis nominieren, von denen sie glauben, dass sie viel für die Gemeinschaft und den Erhalt der ungarischen Identität, Kultur und Wurzeln tun. Deswegen ist es für mich eine große Ehre, diesen Preis bekommen zu haben.
Ich bin ihnen dankbar – nicht wegen des Preises, sondern weil sie die Wichtigkeit unserer Arbeit erkennen und zu unseren Programmen kommen, helfen, auch ihre Freunde mitbringen und an uns glauben.
Es ist unglaublich für mich, diese Auszeichnung zu erhalten. Ob Sie es glauben oder nicht, dies ist meine erste wirkliche Anerkennung für meine Arbeit in der Diaspora, die ich als „Freund Ungarns“ bezeichne.
„Wir waren, wir sind und wir bleiben für immer Ungarn“ – Freunde von Ungarn werden ausgezeichnet
Als ich 2007 das Ungarische Haus leitete, erhielt ich einen „Pro Cultura Hungarica Preis“. Das hätte ich von dem damaligen Botschafter Ungarns in Toronto bekommen sollen. Sie riefen mich an, um mich zum Erhalt der Auszeichnung zu beglückwünschen und sagten, wenn ein hochrangiger Beamter aus Ungarn nach Kanada ankommt, werden sie es bei einer Zeremonie übergeben. Dann kam beispielsweise der Präsident von Ungarn und viele andere angsehene Persönlichkeiten, aber irgendwie wurde es vergessen, und am Ende schloss das Konsulat von Toronto. Als sie alles gepackt hatten, riefen sie mich an und überreichten eine Plastiktüte mit dem Preis darin – sie hatten kein Herz, sie wegzuwerfen. Ich glaube, dies geschah aus politischen Gründen, da ich Gäste wie die „Zivil-Rechtsanwalts-Vereinigung“ eingeladen hatte, die der damaligen Führung vielleicht nicht gefallen haben. So hat sich Politik in Kultur verwandelt. Es war wirklich schwierig für mich, dies zu verarbeiten, da es eine sehr wichtige Auszeichnung war. Deshalb habe ich mich unglaublich gefreut, jetzt für meinen Job diese Auszeichnung“, den „Freund von Ungarn Preis“ zu erhalten. Für mich ist dies der „Pro Cultura Hungarica Award“.
(Geschrieben von Fanni Kaszás – Hungary Today, Übersetzt von Ungarn Heute)