Die landesweit erscheinende linksorientierte Tageszeitung lässt die Enkelin Imre Nagys zu Wort kommen. Demnach habe Viktor Orbán beim Regimewechsel vor dreißig Jahren nur eine minimale Rolle gespielt. Ein regierungsfreundlicher Kolumnist wiederum erinnert daran, dass das kommunistische Regime eine Kampagne gegen die Rede des jungen Orbán bei der Wiederbestattungszeremonie 1989 geführt hatte.
Am Sonntagmorgen wurde die Statue des ehemaligen ungarischen Ministerpräsidenten Imre Nagy an ihrem neuen Standort unweit der Margaretenbrücke enthüllt. Das Denkmal für den 1958 wegen seiner letztendlichen Beteiligung am antisowjetischen Volksaufstand des Jahres 1956 hingerichteten Politiker war vor sechs Monaten von seinem ursprünglichen Standort in der Nähe des Parlamentsgebäudes entfernt worden, um die ursprüngliche Gestalt des Areals wiederherzustellen (siehe BudaPost vom 31. Dezember 2018). Die erneute Bestattung von Imre Nagy und seinen Mitmärtyrern am 16. Juni 1989 war ein symbolisches Wende-Ereignis, bei dem der 26-jährige Viktor Orbán eine dezidiert antikommunistische Rede gehalten hatte und die nun von Vertretern der Regierung als Geburtsstunde des neuen, unabhängigen und freien Ungarn gefeiert wird. Orbán bekundete am Sonntag am Grab von Imre Nagy seinen Respekt.
„Die Diktatur wurde nicht von Viktor Orbán zerschlagen“, lautet die Überschrift eines in Népszava erschienenen Artikels zum Jahrestag der Wiederbestattung Imre Nagys. Autorin Erika Gulyás zitiert dabei Äußerungen der Enkelin des Hingerichteten auf einer Kundgebung von Oppositionsanhängern, die sich vor der Statue ihres Großvaters versammelt hatten. Demnach betreibe die Regierung Geschichtsklitterung, wenn sie versuche, Viktor Orbán zum Helden von 1989 zu stilisieren, denn damals habe es sich beim heutigen Ministerpräsidenten lediglich um einen unbekannten jungen Mann gehandelt, der zufällig als Sprecher bei der Zeremonie auserkoren worden sei. Die aktuell herrschenden Kräfte würden Imre Nagy fürchten – genau wie die Kommunisten zu Zeiten ihrer Herrschaft, betonte Katalin Jánosi und warf der Regierung unter anderem vor, sie arbeite an der Errichtung eines weiteren Parteistaats mit Ähnlichkeiten zu kommunistischen Diktaturen.
In Magyar Nemzet erinnert Dávid Megyeri an eine Reihe von Angriffen auf den jungen Viktor Orbán, weil dieser im Rahmen einer Veranstaltung zur Förderung der nationalen Einheit ausdrücklich den Abzug der sowjetischen Truppen aus Ungarn gefordert habe. Jene kritischen Äußerungen ähnelten denen, die heutzutage gegen die konservative Regierung des Landes laut würden, behauptet Megyeri. Kritiker untermauerten ihren Standpunkt nicht mit Zitaten aus der Rede Orbáns, wüssten sie doch, dass seine Worte von der Mehrheit der Ungarn unterstützt würden. Der Regimewechsel, so Megyeri abschließend, sei das Resultat dieses Mehrheitskonsenses gewesen.
(Via: budapost.de, Beitragsbild: facebook.com/orbanviktor)