In diesen Tagen können die Anhänger der Opposition darüber entscheiden, wer bei den Kommunalwahlen im Herbst als Herausforderer – respektive Herausforderin – gegen den amtierenden Budapester Oberbürgermeister István Tarlós antreten wird. Vor diesem Hintergrund erörtern verschiedene Kommentatoren die Chancen der Opposition in der Hauptstadt, aber auch außerhalb ihrer Grenzen.
In Demokrata befasst sich Gábor Bencsik mit den unterschiedlichen Einstellungen städtisch und ländlich geprägter Wählerschichten. Dabei lässt er José Ortega y Gasset zu Wort kommen. (Der angesehene spanische Denker der Zwischenkriegsperiode hatte im Vergleich zur traditionelleren ländlichen Bevölkerung die fortschrittlich gesinnten Stadtbewohner als „die verzogenen Kinder der Freiheit“ bezeichnet – Anm. d. Red.) Bencsik räumt ein, dass die Opposition in Budapest sowie einigen anderen Städten des Landes bessere Erfolgsaussichten habe als andernorts. Doch erinnert er die Regierungsgegner daran, dass die Mehrheit der Bevölkerung außerhalb dieser Regionen lebe. Und an die Adresse der Machthaber gerichtet empfiehlt der ihnen nahestehende Publizist, sie sollten die Budapester in einer grundsätzlich anderen Art und Weise zu erreichen versuchen als die Bewohner ländlich geprägter Gebiete.
Zoltán Czeglédi äußert die in 168 Óra Befürchtung, dass die Opposition den Wählern keine substantielle Botschaft anzubieten habe. Sie sei mit dem Streit über das Wie der Bündnisbildung sowie der Frage beschäftigt, auf welche Kommunikationsstrategien man wohl zurückgreifen sollte. Doch könne all dies ohne klare politische Agenda kaum erfolgreich sein, argumentiert. Der linke Analyst erkennt an, dass Politiker der Öffentlichkeit wie Waschpulver „verkauft“ werden müssten. Letztendlich jedoch müsse die attraktiv gestaltete Verpackung tatsächlich auch ein Waschmittel enthalten. Alles beginne mit der Entwicklung ihres Produktes, der gesamte Rest – einschließlich Marketing und Verpackung – sei zweitrangig, notiert Czeglédi.
Auch Szabolcs Szerető glaubt in Magyar Hang, dass die Opposition ungeachtet möglicher lokaler Erfolge aufgrund der gemeinsamen Unterstützung eines einzigen Kandidaten nach wie vor keine echte Alternative zur amtierenden Regierung darstelle. Dies führt der Autor auf das Fehlen einer Kraft der politischen Mitte zurück, die passive und von der Politik enttäuschte Wählerschichten mobilisieren könnte. Die Demokratische Koalition, die mit 16 Prozent der Stimmen als stärkste Oppositionskraft aus der Europawahl hervorgegangen sei, liege weit hinter dem Fidesz mit seinen 53 Prozent zurück. Auch sei die Opposition in ihrer Gesamtheit der Regierungspartei nicht näher gekommen, erinnert Szerető. Der einst regierungsfreundliche, heutzutage aber Fidesz-kritische Autor wünscht sich, dass eine „neue überparteiliche Bewegung“ dem desillusionierten Zentrum Hoffnung einflößen könnte.
In Heti Világgazdaság vertritt der konservative Politologe András Körösényi die Auffassung, dass die Opposition dem Fidesz zur Zeit nicht das Wasser reichen könne. Der Autor weist in Mode gekommene Theorien zurück, wonach es sich bei der Herrschaft von Ministerpräsident Viktor Orbán um ein hybrides Regime handele, das weder eine Demokratie noch eine Diktatur sei. Diese Definition spiegele den liberalen Ansatz wider, dem zufolge viele Nachkriegsdemokratien als undemokratisch gelten würden. Körösényi selbst ordnet das aktuelle ungarische Politiksystem der von Max Weber als plebiszitäre Demokratie bezeichneten Kategorie zu. Er selbst hält es für eine Ausformung des allgemeinen westlichen Trends, bei dem Parteien eher um Persönlichkeiten herum organisiert seien, als dass sie Klassen vertreten würden.
Körösényi glaubt, dass in einer plebiszitären Demokratie die herrschende politische Elite abgewählt werden könne, obwohl die Popularität von Ministerpräsident Orbán momentan erdrückend sei. Allerdings könnten Veränderungen eintreten. So sei mit Jobbiks Untergang das „zentralen Machtfeld“, das der Regierung zunächst eine komfortable Mehrheit im Parlament garantiert habe, inzwischen weggebrochen. Auch der Spielraum des Regierungschefs auf internationaler Bühne könnte schrumpfen, fügt Körösényi hinzu und schließt mit der Feststellung, dass wirtschaftliche Hochkonjunktur niemals ewig anhalten werde.
(Via: budapost.de,. Beitragsbild: facebook.com/pg/originalkalmanolga)