In seiner stets im Sommer gehalten programmatischen Rede im siebenbürgischen Kurort Băile Tușnad verteidigte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán sein Konzept einer illiberalen Demokratie. Zudem ergriff er für die „christliche Freiheit“ Partei. Eine ungarische Presseschau von budapost.de.
In seiner jährlichen Rede an der Freien Jugenduniversität des Fidesz in Tusnádfürdő (im rumänischen Băile Tușnad) hat Ministerpräsident Orbán die seit 1989 vergangenen 30 Jahre Revue passieren lassen und sein Augenmerk dabei vor allem auf das zurückliegende Jahrzehnt gelegt. Ungarn habe seine Souveränität wiedererlangt, konstatierte Orbán in diesem Zusammenhang und verteidigte zugleich seine Vorstellung von einer illiberalen Demokratie mit der Behauptung, dieser Begriff umfasse den Schutz der nationalen Kultur, die Ablehnung internationaler Imperien sowie „christliche Freiheit“. Zwar befürworte er die Demokratie, nicht aber den Liberalismus, fügte Orbán hinzu. Auch räume er Kollektivinteressen Vorrang vor individuellen Ansprüchen ein. Zudem gab der Ministerpräsident bekannt, dass die Regierung für neue Impulse sorgen werde, um das schnelle BIP-Wachstum aufrechtzuerhalten, selbst wenn die europäischen Volkswirtschaften eine konjunkturelle Schwächephase durchleben sollten.
Orbáns Modell der illiberalen Demokratie werde zunehmend populärer, beobachtet Tamás Lánczi auf dem Blog Mozgástér. Der ungarische Ministerpräsident sei der Erste gewesen, der die „totalitäre liberale Hegemonie“ heftig kritisiert und die antidemokratischen „Eliten-Kartelle“ bekämpft habe, die weder Menschen noch Demokratie respektieren würden. Der regierungsnahe Autor führt weiter aus, dass in Polen, Italien, Österreich und ebenso in den USA christdemokratische Regierungen gewählt worden seien. Ministerpräsident Orbán dürfte von den Liberalen kritisiert werden, doch seine Ideen würden zunehmend zum Mainstream avancieren, so Lánczi abschließend.
Péter Magyari vom Onlineportal 444 vergleicht Ministerpräsident Viktor Orbán mit einem verkannten Propheten. Der liberale Kommentator glaubt, dass Orbán Schreckgespenster erschaffe und ihnen vorwerfe, sie würden die ungarische Nation wie auch die Christenheit angreifen. Magyari bezichtigt den Ministerpräsidenten einer massiven Korruption sowie der Entwurzelung unabhängiger Institutionen. Orbán wolle seine Machtpolitik als eine politische Vision verkaufen, glaubt Magyari.
Ein liberaler Kommentator vergleicht die Ansprache des Ministerpräsidenten mit der letzten Rede des einstigen kommunistischen Parteichefs János Kádár. Ein regierungsnaher Analyst erklärt die Bedeutung des Begriffs „christliche Freiheit“, während ein linker Kolumnist die Opposition aufs Korn nimmt, deren Spitzenpolitiker über gar keine Botschaft verfügen würden.
Auf der Homepage von Magyar Narancs weist ein anonymer Autor die Ansprache von Ministerpräsidenten Viktor Orbán beim traditionellen Fidesz-Sommertreffen in Siebenbürgen (siehe Budapest vom 29. Juli) als widersprüchlich zurück. Zugleich erinnere sie ihn an die verwirrte Rede, die der damalige KP-Chef János Kádár bei seiner letzten Teilnahme an einer Sitzung des Zentralkomitees kurz vor seinem Tod – und dem Ende seines Regimes – im Jahr 1989 gehalten habe. Vollkommen absurd sei jedoch, dass Orbán Finnland einen Vortrag zum Thema Demokratie gehalten habe. (Finnland plant in seiner Funktion als EU-Ratspräsident in der zweiten Jahreshälfte die Rechtsstaatlichkeitsverfahren gegen die ungarische Regierung zu beschleunigen. Orbán hatte seinen Anhängern am Samstag mitgeteilt, dass in Finnland gar kein Verfassungsgericht existiere und die Finnische Akademie der Wissenschaften vom Bildungsministerium beaufsichtigt werde – Anm. d. Red.)
Der regierungsnahe Politologe Dániel Deák erklärt auf Vasárnap den Begriff „christliche Freiheit“, den Orbán neuerdings anstelle der früher von ihm geprägten Formel „illiberale Demokratie“ verwende. Er stehe demnach für den Vorrang der Gemeinschaft gegenüber dem Einzelnen. Kollektive, einschließlich der Familie, die im Westen immer weiter geschwächt würden, müssen laut Deák geschützt werden.
Auf 24.hu notiert der erfahrene Kolumnist Ervin Tamás, dass Ministerpräsident Orbán ungeachtet des tatsächlichen Wertes seiner Ideen jeden Sommer mit einer neuen Botschaft aufwarte. Diese würden die Meinungsseiten dann wochenlang beschäftigen. Nichts dergleichen käme von links – im Gegenteil, so Tamás: In diesem Sommer und nur wenige Monate vor den Kommunalwahlen sei die einzige Nachricht aus sozialistischen Kreisen die Mitteilung gewesen, dass der ehemalige Parteivorsitzende József Tóbiás nach Teneriffa auf die Kanarischen Inseln gezogen sei und von dort aus nach Budapest fliegen werde, um an wichtigen Parlamentssitzungen teilzunehmen. (Eine seiner Vorgängerinnen im Amt an der Spitze der MSZP bezeichnete diese Entscheidung als nicht zu vertreten: „Das wird nicht funktionieren“, sagte Ildikó Lendvai im Fernsehsender ATV – Anm. d. Red.)
(Via: budapost.de, Beitragsbild: MTI)