Ist es ein Skandal oder eher ein Zeichen für Brüderlichkeit, in Zeiten der Not zu spenden, wenn die Ressourcen sogar für das eigene Volk knapp sind? Gastartikel von Miklós Verseghi-Nagy.
Am Montag erhob Tímea Szabó, Gründerin und Ko-Vorsitzende der Partei Párbeszéd, in der Nationalversammlung ihre Stimme gegen die Maßnahmen der Regierung, Schutzausrüstung an Nachbar- und Balkanländer zu spenden. Als sie die Empfängerländer und die verschiedenen Typen der gespendeten Ausrüstungen auflistete, brach im Raum lauter Applaus aus. Sie konnte ihre Rede wegen des Applauses der Regierungsparteien nicht beenden. Ihr Standpunkt war offensichtlich: es ist unverantwortlich, in Zeiten zu spenden, in denen der Staat an solche Ausrüstungen mangelt und nicht einmal für seine eigene Staatsbürger genug hat. Während dies ihr Standpunkt war, sollte der Applaus der Mitglieder der Regierungsparteien die Großzügigkeit Ungarns und die respektvolle Kooperation mit unseren Nachbarn in diesen schwierigen Zeiten anerkennen.
Die Ungarische Regierung spendete Schutzausrüstungen für mehrere Staaten in den vergangenen Wochen, die hauptsächlich, aber nicht ausschließlich Gebiete betrifft, in denen ungarische Minderheiten leben.
Trotz kontinuierlicher Lieferung von zahlreichen Spendungen für Ungarn, besteht immer noch die Gefahr von einem Mangel an Inlandslieferungen, ganz zu schweigen von der Unsicherheit der zukünftigen Bedürfnisse mitten in der Coronavirus-Krise.
Die gespendeten Mengen sind deutlich unterschiedlich groß (die importierten und die vor Ort hergestellten Ausrüstungen) aber man kann natürlich argumentieren, dass jede einzelne fehlende Maske oder jedes Paar Handschuhe unsere Sicherheit und unsere Fähigkeit gefährden kann, das Risiko der Infizierung verringern zu können.
Die Situation ist jedenfalls kontrovers. Die höchste Priorität hat selbstverständlich die Sicherheit unserer eigenen Bürger, vor allem der Ärzte, der Krankenschwestern und anderer Gesundheitspersonal, die Tag und Nacht unter großem Druck und gefährlichen Umständen gegen die Epidemie kämpfen. Ihre Sicherheit zu gefährden wäre zweifellos ein Fehlverhalten.
Eine weitere interessante Frage ist die echte Motivation hinter diesen großzügigen Maßnahmen. Außenminister Péter Szijjártó sagte, dass es unser Interesse sei, Bosnien und Herzegowina zu helfen, weil das Land sich „auf einem Migrationsweg befindet, daher ist es wichtig, dass das Land weiterhin alles unternimmt, um die Migrationsentwicklung zu stoppen“
Man kann auch feststellen, dass es als Zeichen der Solidarität zu einem „Standard“ geworden ist, zwischen Ländern zu spenden. Während Ungarn beispielsweise in die Ukraine, nach Rumänien, Kroatien, Mazedonien, Bosnien und Herzegowina spendet, kamen Schutzausrüstungen und Materialien für Herstellung von Gesichtsmasken aus Ländern des Türkischen Rates.
Obwohl ich keine mathematische Berechnung durchgeführt habe, um die Summe dieser „Geben-und-Nehmen-Gleichung“ zu bewerten, ist es wahrscheinlich keine gute Idee, nur auf der Empfängerseite dieser Zusammenarbeit stecken zu bleiben.
Ethnische ungarische Parteien der Nachbarländer danken der Regierung für ihre Hilfe
Um zu einer beruhigenden Schlussfolgerung eines solch verwirrenden und komplexen Themas zu gelangen, ist es normalerweise hilfreich, wenn man einen Schritt zurücktritt und die Argumente aus einer breiteren Perspektive betrachtet.
Die Prioritäten der Bedürfnisse spielen eine wichtige Rolle, wenn wir Grenze zwischen den Gemeinschaften ziehen und ‚wir‘ und ‚andere‘ definieren, einfach weil unsere Verantwortung für uns selbst höher ist als für andere.
Aber wir Ungarn wissen alle, dass die Ungarische Nation nicht an die Grenzen Ungarns gebunden ist. Wenn wir Nachbarländern helfen, helfen wir auch Ungarn.
Solidarität ist ein sehr wichtiger menschlicher Wert, der nie aufgegeben werden dürfte, nicht einmal wenn die Situation schlimmer wird. Im Gegenteil, Solidarität wird in Zeiten der Not immer wichtiger. Großzügigkeit sollte andererseits aufrichtig sein und nicht auf Interesse beruhen. In erster Linie müssen wir jedoch Wohlwollen nachweisen.
(Der originelle Text erschien auf Hungary Today, Artikel geschrieben von Miklós Verseghi-Nagy, übersetzt von Borbála Verseghi Nagy, Beitragsbild: Eine Spende der ungarischen Regierung mit medizinischer Schutzausrüstung und Desinfektionsmitteln wird am 11. April 2020 in Farkaslaka (Siebenbürgen) im Hof des Bürgermeisteramtes verpackt, Via: MTI – Nándor Veres)