„Machtkämpfe gehören zum Alltag in einer Demokratie, nicht aber auf dem Rücken von Minderheiten ausgetragen“ – betont Michael Martens in seinem Meinungsartikel der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Der Autor analysiert den Fall von Klaus Johannis detailliert: Der Staatoberhaupt Rumäniens behauptete kürzlich, die Sozialisten wollen mit den Ungarn gemeinsam einen Teil des Landes (Siebenbürgen) zu rauben. Der Autor weist darauf hin, dass obwohl der diesjährige Karlspreis an Johannis verliehen werden sollte, mit ihm würde „ein Unwürdiger geehrt.“ Johannis Äußerungen haben laut Martens einen „anti-ungarischen Tsunami“ in Rumänien ausgelöst.
„Johannis tut nun alles dafür, Rumäninens Sozialdemokraten vor der nächsten Parlamentswahl, die in wenigen Monaten stattfinden soll, weiter zu schwächen“ – lautet im Artikel eine der möglichen Erklärungen dafür, warum Klaus Johannis gegen die ungarische Minderheit hetzt.
Der rumänische Präsident Klaus Johannis hat der sozialdemokratischen Partei seines Landes den „heimlichen Versuch“ unterstellt, „Siebenbürgen den Ungarn zurückzugeben“. In einer Gesetzesinitiative ging es um regionale Autonomie für das Szeklerland. Die Region hätte demnach zu einem gewissen Grad über ihre Finanzen selbst entscheiden und eigene Gesetze verabschieden dürfen. Auch sollte die ungarische Sprache auf lokaler Ebene der rumänischen gleichgestellt werden. Zuvor hatte die Abgeordnetenkammer, deren größte Fraktion die PSD stellt, keinen Termin für eine Abstimmung über diesen Gesetzesentwurf zur territorialen Autonomie des Székler-Landes anberaumt. Laut rumänischem Gesetz sollten Gesetzesvorlagen, über die nicht innerhalb von 45 Tagen nach ihrer Einbringung abgestimmt wird, automatisch als angenommen gelten. Mittlerweile wurde der Gesetzentwurf von der zweiten Kammer des Parlaments, dem Senat, abgelehnt. (Red.)
Das Gesetz war durchgehend chancenlos, alle wussten nämlich, dass der Senat, es auf jeden Fall niederstimmen werde. Und so geschah es auch. Warum wurde doch es bemerkenswert, dass ein Gesetzentwurf in dem rumänischen Parlament scheitert? – stellt die Frage der Autor.
„Bemerkenswert wird die Geschichte erst durch die Intervention des designierten Karlspreisträgers. Denn Klaus Johannis entschied sich, die legislative Lappalie zur Staatskrise aufzublasen – und dabei gleich auch gegen die Ungarn in Rumänien zu hetzen“ – so Martens und warf dem Staatspräsidenten vor, er konnte dafür sicher sein, dass seine Rhetorik „bei rumänischen Nationalisten auf fruchtbaren Boden fällt.“ Denn die beschwören immer wieder die angebliche Gefahr eines rumanischen Staatszerfalls, der im Szeklerland beginnen würde.
Laut dem Autor hat diese Angst überhaupt keinen Grund, Johannis wollte nur Stimmung machen, und das ist ihm auch gelungen.
Reaktionen in Rumänien
In Rumänien sind beim „Antidiskriminierungsrat“ mehrere Beschwerden über Johannis eingegangen – erzählt im Artikel ein Wortführer der Kritiker, Péter Eckstein-Kovács. Der Jurist betont, die Behauptungen von Johannis, dass Rumäniens Sozialdemokraten Siebenbürgen den Ungarn übergeben wollen, absurd sei. „Die Folgen dagegen seien ernst“ – so Eckstein-Kovács.
Johannis hat durch seine Verächtlichmachung der ungarischen Sprache unglaublich intensive nationalistische, anti-ungarische Reaktionen in der Bevölkerung provoziert, die besonders im Internet sichtbar waren.
so der Jurist.
Johannis begann seine umstrittene Rede auf Rumänisch, um danach die PSD auf Ungarisch zu begrüßen: „Jó napot kívánok (Guten Tag) PSD!“ Dabei sprach er die Partei auf karikierende Weise an, wie jemand, der einen ungarischen Akzent im Rumänischen verhöhnt. (Red.)
Das gleiche bestätigte das Mitglied der Organisation „Active Watch“ (sie analysiert die rassistische Kommentierungen im Internet). Ionut Campenau sagte der FAZ: „Durch das Netz schwappe eine Welle voller hasserfüllter Kommentare über die Bozgori“ (Bozgori ist ein Schimpfwort für Ungarn in Rumänien). Er zitiert auch einige davon:
„Tod den Ungarn, ich pisse auf diese Mistkerle“, „Du Bozgor, danke dem rumänischen Volk, dass wir euch bis heute hier geduldet haben, ohne euch zu exekutieren!“
Inzwischen verteidigte man die Nominierung von Johannis zum Karlspreis in Aachen. Der Vorsitzende des Direktoriums der Karlspreisgesellschaft sagte: er kenne Johannis seit vielen Jahren und habe keine Zweifel an dessen Preiswürdigkeit.
Doch gesteht Jürgen Linden ein, dass der Ton von Johannis ungewöhnlich war, aber stellt zugleich fest, dass „der Staatsoberhaupt dadurch noch nicht über Nacht zum Nationalisten geworden ist“. Der Autor des Artikels fügt jedoch hinzu: „Über Nacht tatsächlich nicht, sagen inländische Kritiker des Präsidenten, er schwimme vielmehr seit langem im Strom des rumänischen Nationalismus.“
(Der originelle Artikel erschien in der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, am 17. Mai 2020., Beitragsbild: MTI/EPA/Julien Warnand)