Eine liberale Kommentatorin geht davon aus, dass die erwartete einwanderungskritischere Haltung der EU es der ungarischen Regierung schwer machen werde, ihre entsprechende Rhetorik beizubehalten. Seltsam, dass die Liberalen die Wende der EU hin zu einer strengeren Einwanderungspolitik als Niederlage für Ministerpräsident Viktor Orbán interpretieren würden, notiert ein regierungsnaher Kolumnist. Ein konservativer Kollege befürchtet wiederum, dass die Union unter deutscher Ratspräsidentschaft den Mitgliedsstaaten nach wie vor Einwanderer aufzwingen wolle, eine Presseschau von Budapost.
Ágnes Szűcs vermutet, dass die EU unter der deutschen Ratspräsidentschaft eine einwanderungskritische Wende vollziehen werde. Auf Index erinnert die liberale Analystin daran, dass sowohl die EU-Kommissarin für Inneres Ylva Johansson als auch der deutsche Innenminister Horst Seehofer einen strengeren gemeinsamen EU-Migrationsrahmen gefordert hätten. Dieser orientiere sich an dem Entwurf, für den der ungarische Ministerpräsident Orbán seit langem einträte. Also: Illegale Migranten von der EU fernhalten, bedürftigen Menschen in ihren Heimatländern statt durch das Gewähren von Asyl helfen und Vereinbarungen mit Transitländern treffen, um zu verhindern, dass undokumentierte Migranten die EU erreichen. Darüber hinaus sei die Teilnahme am EU-Migranten-Umverteilungssystem optional zu gestalten. Damit könne die ungarische Regierungspartei im Falle der Umsetzung dieser die Ideen von Ministerpräsident Orbán widerspiegelnden Strategie durch die Union künftig nicht mehr auf ihre Anti-Einwanderungsrhetorik zurückgreifen, um Wähler zu mobilisieren, glaubt Szűcs.
Dániel Galsai von Magyar Hírlap antwortet Szűcs: Es sei merkwürdig, dass die Liberalen die Wende in der Migrationspolitik der EU als eine Niederlage für Ministerpräsident Orbán betrachten würden. In ähnlicher Weise habe auch die Europaabgeordnete der Demokratischen Koalition Klára Dobrev geäußert, dass die gemeinsamen gegen die Einwanderung gerichteten Maßnahmen der EU Ministerpräsident Orbán einen schweren Schlag versetzen würden, erinnert Galsai.
Zoltán Kiszelly wiederum ist überhaupt nicht davon überzeugt, dass die EU eine Kehrtwende in der Migrationspolitik vollziehen werde. Der konservative Politologe vom Blog Mozgástér glaubt, dass Deutschland seinen Bevölkerungsrückgang weiterhin durch Zuwanderung ausgleichen wolle. Seehofers scheinbar strengere Vorstellungen von der Einwanderung würden illegale Migranten keineswegs aufhalten. Immerhin erkläre der deutsche Innenminister nicht, wie Migranten, denen Asyl und Aufnahme in die EU verweigert worden sei, in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden könnten, kritisiert Kiszelly. Noch problematischer findet er es aber, dass die EU weiterhin auf einem gemeinsamen migrationspolitischen Rahmen bestehe, auch wenn er den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit einräume, aus dem EU-Umverteilungsquotensystem für Migranten auszusteigen.
Kiszelly befürchtet, dass im Falle der Umsetzung einer gemeinsamen EU-Migrationspolitik die freiwillige Umverteilung von Migranten bald auch zur Pflicht erklärt werden könnte. Und so regt der Autor an, dass die Mitgliedsstaaten weiterhin für ihre eigene Gesetzgebung im Bereich der Migration zuständig sein sollten.
(via MTI, Beitragsbild: MTI Fotó: Sándor Ujvári)