Stimmen aus dem gesamten politischen Spektrum diskutieren nach wie vor die Auswirkungen der Niederlage des gemeinsamen Oppositionskandidaten bei der Nachwahl im Wahlbezirk Borsod 6.
Róbert Friss fragt sich und seine Leser in einem Kommentar zur am Sonntag abgehaltenen Nachwahl (siehe BudaPost vom 13. Oktober), ob die Zusammenarbeit der Oppositionsparteien beim nationalen Urnengang 2022 aufrechterhalten werden könne und sollte. In Népszava erklärt der linke Kolumnist die Niederlage des Oppositionskandidaten László Bíró, der zuvor antisemitische Verunglimpfungen von sich gegeben hatte, mit der „Anti-Nazi-Kampagne“ des Fidesz, „die das intellektuelle Hinterland der Opposition erfolgreich gespalten hat“. Antisemitismus sei nicht hinnehmbar, betont Friss, fügt aber hinzu, dass moralische Bedenken die Opposition bei der Erreichung ihres Hauptziels – ein Sieg über den Fidesz – behindern könnten. Bíró habe sich für seine Aussage entschuldigt, erinnert der Kommentator und notiert: Sobald die Opposition den Fidesz besiegt habe, könnten die linken Parteien Jobbik abwimmeln.
Auf Index vertritt Attila Tibor Nagy die Auffassung, dass die Opposition bei der Nachwahl in Borsod zum Teil wegen Bírós antisemitischer Tiraden besiegt worden sei; aber auch, weil der Fidesz viel mehr fürs politische Marketing aufgewendet habe als die Oppositionsparteien. Die Opposition könne 2022 nur gewinnen, wenn sie gemeinsame Kandidaten aufstelle, die stärker seien als Bíró – Kandidaten also, die ihre Fidesz-Konkurrenz nicht zuletzt in ländlichen Bezirken erfolgreich herausfordern könnten, schreibt der Analyst des politisch in der Mitte angesiedelten Zentrums für faire politische Analyse.
Die Opposition könne die wahren Gründe für ihre Niederlage nicht erkennen, vermutet Mariann Őry von Magyar Hírlap. Die regierungsnahe Kommentatorin stellt fest, dass sich Bíró nicht nur antisemitisch geäußert habe, sondern auch in mutmaßlich korrupte Geschäfte verwickelt gewesen sei. (Der parteilose Abgeordnete Ákos Hadházy hatte Bíró in einem Interview der Veruntreuung von 50 Millionen Forint an EU-Geldern bezichtigt – Anm. d. Red.) Őry findet es abstoßend, dass die im Hinblick auf den Antisemitismus stets wachsamen Oppositionsparteien Bírós Entschuldigung für bare Münze genommen und sich hinter ihn gestellt hätten. Bezüglich der längerfristigen Auswirkungen vermutet Őry, dass die Verhandlungsposition von Jobbik innerhalb der Opposition schwächer und Ferenc Gyurcsány infolge der Nachwahlen vom Sonntag noch stärker werde.
(Via: budapost.de, Beitragsbild: MTI – János Vajda)