„Autorenfotos aus den 1950er, 60er und 70er Jahren“ wurden im Rahmen einer Kooperation mit dem Petőfi Literaturmuseum (Petőfi Irodalmi Múzeum) am 22. Oktober 2020 feierlich eröffnet. Da die Besichtigung der Ausstellung durch die Corona-Maßnahmen deutlich beschränkt wurde, wurde sie bis zum Sommer 2021 verlängert und wartet mittlerweile auch wieder auf Besucherinnen und Besucher in der österreichischen Hauptstadt. Im März startete das Kulturinstitut sogar eine neue Programmreihe zur Ausstellung.
„Der Balaton ist meine Riviera” – so sang es Lehel Németh in den 1960er Jahren über das ungarische Meer der Kádár-Ära. In den Jahren des Sozialismus, als die Auslandsreisen noch streng geregelt waren, konnte der Balaton den Wunsch der Menschen nach Meer, Badespaß und Erholung erfüllen. Aber wo und wie verbrachten die Schriftsteller in diesen Jahren einen Urlaub am Balaton, und was alles verrät das ihren Lesern? Diese Ausstellung sucht Antworten auf solche Fragen durch das Medium Fotografie.
Die erste Einheit der ausgestellten Fotografien gewährt einen Einblick in die Sommererlebnisse der Schriftsteller aus dem Freundeskreis des Lipták-Hauses in Balatonfüred. Der zweite Block umfasst Fotos im und um das Künstlerhaus für Autoren in Szigliget. Der dritte und größte Block umfasst Fotos in den Ferienwohnungen und Gärten von Autoren, bzw. Amateuraufnahmen von etlichen Schriftstellern, die als Gäste oder Touristen am Balaton verweilten.
Bei der feierlichen Ausstellungseröffnung war unter anderem die Literatin Anna Juhász zu Gast, die eine spannende Führung gehalten und im Auftrag des Petőfi Irodalmi Múzeum auch ein tolles Backstage-Video zusammengestellt hat.
Im März startete das Institut eine neue Programmreihe zur Ausstellung, in deren Rahmen sich das Collegium Hungaricum mit interessanten Vorträgen und Gesprächen aus der Galerie meldet. Der erste Vortragende war der Literaturhistoriker Dr. Endre Hárs (Wien/Szeged), der am 4. März die Ausstellung vorgestellt hat und der Frage nachgegangen ist, ob es möglich ist, den Alltag und den Zwang zum Schreiben „im Badeanzug“ (im heterotopischen Ausnahmezustand der Sommerfrische) gänzlich hinter sich zu lassen. Der deutschsprachige Vortrag kann auf dem YouTube-Kanal des Instituts angeschaut werden.
Im April folgt ein Gespräch mit Péter Rácz, dem Leiter des heute als Übersetzerhaus bekannten Lipták-Hauses in Balatonfüred über das Haus des Schriftstellers Gábor Lipták und seiner Frau Piroska Gyapai in Balatonfüred, das ein wichtiger Erholungsort der Schriftstellergeneration nach dem 2. Weltkrieg war. Es wurde oft auch als literarischer Salon erwähnt. Seine Gesprächspartnerin ist die Kulturmanagerin des Collegium Hungaricum Emese Dallos, die ebenfalls als Übersetzerin tätig und seit vielen Jahren ein regelmäßiger Gast im Übersetzerhaus ist.
Die Ausstellung ist von Montag bis Donnerstag zwischen 14:00 und 16:30 Uhr, unter Einhaltung der geltenden Coronavirus-Schutzmaßnahmen, zu besichtigen.
Das Lipták-Haus in Balatonfüred
Das Haus des Schriftstellers Gábor Lipták und seiner Frau Piroska Gyapai in Balatonfüred war ein wichtiger Erholungsort der Schriftstellergeneration nach dem 2. Weltkrieg; es wurde oft auch als literarischer Salon erwähnt. All die Jahre lang waren hier u.a. Iván Boldizsár, Tibor Déry, Gyula Illyés, Dezső Keresztury, László Németh, István Örkény, László Passuth, Lőrinc Szabó, Áron Tamási oder Sándor Weöres zu Gast. Die Gemütlichkeit des Lipták-Hauses und die freigeistige Atmosphäre zogen Maler und Schauspieler ebenso an. Die Gäste konnten in der geräumigen, mit Objekten der Volkskunst, Zeichnungen und Bildern verzierten und mit volkstümlichen und bürgerlichen Möbelstücken eingerichteten Villa auch eine Unterkunft bekommen; Abendessen und Hauswein gab es auch für den unverhofften Besuch. Die heißesten Sommertage der 1950er und 1960er Jahre wurden auf dem Segelschiff Addio III – das dem Arzt Boldizsár Horváth, einem Freund von Lipták gehörte – verbracht; die lustigen, geistreichen Zusammenkünfte und Feste fanden in der Villa und im dazugehörenden Garten statt. Das Lipták-Haus hat heutzutage Übersetzer zu Gast, die aus dem Ungarischen übersetzen.
Das Künstlerhaus in Szigliget
Das Schloss in Szigliget, das ab 1910 der Familie Esterházy, nach 1945 dem ungarischen Landwirtschaftsministerium gehörte, bekam 1952 einen neuen Besitzer und eine neue Funktion. Auf Initiative von György Bölöni wurde es vom Literaturfonds übernommen, um es als Künstlerhaus für Autoren zu führen. Nach den Umbauarbeiten fand die Eröffnung am 16. Juni 1953 statt. Sein Goldenes Zeitalter erlebte das Haus in den 1950er und 1960er Jahren. Schriftsteller und Literaten konnten seine Dienstleistungen – ausschließlich mit Überweisungsschein – das ganze Jahr über in Anspruch nehmen. Hier arbeiteten und erholten sich u.a. Gábor Devecseri, István Fekete, Gábor Görgey, Tibor Gyurkovics, Ferenc Juhász, Ferenc Karinthy, Amy Károlyi, Lajos Kassák, Imre Kertész, Ákos Koczogh, Emil Kolozsvári Grandpierre, Dezső Mészöly, László Nagy, Ágnes Nemes Nagy, Ottó Orbán, István Örkény, László Passuth, János Pilinszky, György Somlyó, Károly Szakonyi, Margit Szécsi, Gyula Takáts, Sándor Tatay, István Vas, Sándor Weöres und Zoltán Zelk. Ab 1968 nimmt das Haus auch Vertreter anderer Kunstgattungen als Gäste auf.
Ferienhäuser am Balaton
In den 1950er, 60er und 70er Jahren kauften oder bauten sich immer mehr Schriftsteller ein eigenes Haus am Balaton, oder sie nahmen alte Familienferienhäuser in Besitz und ließen sie umbauen. Gyula Illyés‘ Haus in Tihany, das er mit seiner Frau immer mehr nach eigenem Geschmack gestaltete, gehörte noch seinem Schwiegervater. Tibor Déry fand mit Hilfe von Gábor Lipták eine Villa mit Garten in Balatonfüred, die einer Renovierung bedurfte, und László Némeths Haus in Sajkad wurde von seiner Familie erbaut. László Passuth kaufte ein Grundstück in Tihany und ließ sich dort ein Haus bauen. Bulcsu Bertha fand Ruhe und Stille in der Natur, in der Nähe des Balatons in Balatongyörök, Péter Veres und János Kodolányi fanden sie in Balatonakarattya, György Rónay in Balatonszárszó, Gyula Takáts in Becehegy, Sándor Tatay in Badacsonytomaj, Tibor Tüskés in Balatonfenyves und András Fodor in Fonyódliget. Die Ferienhäuser am Balaton waren selbstverständlich Schauplätze des Familienlebens und des Treffens mit Freunden, aber – wie es Tibor Tüskés sagte – „man konnte hier Gelegenheit zum Arbeiten und Themen fürs Schreiben“ finden.