Das Wirtschaftsmagazin G7 hat die Preise von Aldi und Lidl in Ungarn unter die Lupe genommen.Weiterlesen
„Es ist kaum nachvollziehbar, warum Ungarn Lebensmittel importieren soll, in einem Land, wo man über genügend landwirtschaftliche Flächen und Süßwasser verfügt, um die eigene Bevölkerung zu ernähren“ sagte der ehemalige Kanzleramtsminister János Lázár in einem Interview mit dem Portal portfolio.hu. Seiner Meinung nach ist es äußerst wichtig, dass die ungarische Qualitätsrohstoffproduktion von einheimischen Akteuren entwickelt wird, auch wenn das nur mit staatlichem Eingreifen erreichbar ist. Er schlägt außerdem vor, dass der ungarische Staat versuchen sollte, eine einheitliche ungarische Handelskette zu schaffen. Er gab zugleich zu, dass für die Entwicklung der ländlichen Gebiete eine „noch nie dagewesene Menge an Förderungsmitteln zur Verfügung steht“.
Ungarn ist während der Coronavirus-Epidemie und wegen der Energiekrise mehrmals mit der Bedrohung der „Selbstversorgung“ konfrontiert worden. Deshalb ist es wichtig, die Unabhängigkeit des Landes anzustreben, sagt der ehemalige Minister János Lázár in einem Portfolio-Interview. Er glaubt, dass dies (die Unabhängigkeit) der einzige Weg ist, uns zu versorgen, und dies soll vor allem in drei Bereichen erreicht werden: in den Sektoren Energie, Finanzen und Lebensmitteln.
Die Pandemie bedroht den Warenhandel und den freien Markt auf der ganzen Welt. Im 21. Jahrhundert ist es sowieso wichtig, dass ein Land, d.h. Ungarn sowohl seine Selbstversorgung als auch seine Selbstbestimmung wiedererlangt, da derzeit etwa zehn Millionen Menschen auf eine angemessene Nahrungsmittelproduktion angewiesen sind
so Lázár. Laut dem Minister erfordert das
eine qualitativ hochwertige Rohstoffproduktion, z. B. in der Schweinefleisch- und Milchproduktion, wozu das Land heute noch nicht imstande ist. Der einzige Bereich, in dem wir unsere Souveränität wiedererlangt haben, ist das Gebiet der Hühnerfleisch-Produktion
Lázár hält es für unheimlich wichtig, dass Ungarn die heimischen Hersteller, Käufer, Verarbeiter, Groß- und Einzelhändler „ins Vorfeld rückt“.
Abzug den ausländichen Einzelhandelsketten und Discountern! Die EU-Mitgliedschaft hat die Möglichkeit einer patriotischen Wirtschaftspolitik nicht beseitigt, sie hat sie nur eingeengt. Es gibt noch viel Raum, um einheimische Spieler zu unterstützen
meint Lázár.
Seiner Meinung nach kann man nicht von heute auf morgen auf Importe verzichten, da die Versorgung der ungarischen Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln jetzt noch ohne Importe nicht möglich wäre, und einige Milchprodukte und Fleischerzeugnisse müssen noch lange importiert werden. Als positives Beispiel nannte er wiederholt die Verarbeitung von Hühnerfleisch.
Von einem Land wie Ungarn, das über Ackerböden in so guter Qualität und Süßwasser verfügt, könnte man erwarten, dass es sich selbst mit Nahrungsmitteln versorgt und so den Lebensunterhalt seiner Bevölkerung sichert. Wir haben das Land und das Wasser in der Hand, das Know-how und die Tradition, und trotzdem importieren wir Lebensmittel
Auf die Frage, ob er darin, dass große ausländische Lebensmittelketten wie Aldi oder Lidl ungarische Produkte auch in großer Menge anbieten, einen Fortschritt sieht, sagte er, dies sei nur „Marketing“ und „diejenigen, die etwas anderes glauben, sind naiv“.
Lázár ist der Meinung, dass es nicht riskant sei, ausländische Discounterketten im Land in den Hintergrund zu drängen und nennt mehrere große europäische Länder als Beispiele, auch in Mitteleuropa. „Wenn Polen, die Slowakei oder Österreich in der Lage sind, das zu schaffen, dann sollte man die ungarische Leichtgläubigkeit beiseite schieben, denn die Landwirtschaft und die Lebensmittelindustrie müssen in Ungarn zu einem strategischen Sektor gemacht werden, falls die Provinz in der Zukunft überleben möchte.“
Es sei aber auch schwierig, so Lázár, diese Ansicht zu ändern, weil die meisten Menschen diese ausländischen Ketten mögen, „da sie hier eine große Auswahl und gute Preise bekommen.“
Laut Lázár sollten die ungarischen Unternehmer erkennen, dass das, was für den Eigentümer von Spar, Lidl oder Aldi gut ist, auch für das ungarische Unternehmen gut sein sollte. Deshalb begrüßt er die Tatsache, dass das französische Unternehmen in Ungarn (Auchan) teilweise einen ungarischen Eigentümer hat.
Der Politiker fügt jedoch hinzu, dass für die Schaffung solcher ungarischen Ketten auch staatliche Mittel erforderlich sind. „Die Weigerung Ungarns, die Einzelhandelssteuer zu zahlen, war ein schwerwiegender Fehler, vielleicht einer der größten in den letzten 12 Jahren. Die Polen haben diese Debatte gewonnen, und es ist kein Zufall, dass sie in der Lebensmittelindustrie besser dastehen als wir.“
Der Politiker betonte auch, dass ein gutes Leben auf dem Lande nur möglich ist, wenn man hier für seinen Lebensunterhalt sorgen kann, und das ist ohne Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie nicht möglich.
Lázár ist der Ansicht, dass der Preisanstieg bei Lebensmitteln nur mit sozialen Mitteln (z. B. gezielte Unterstützung für Rentner) bekämpft werden kann und dass es „unklug wäre, in den Markt einzugreifen“.
Schließlich wies der Ex-Minister auch darauf hin, dass mit dem Wachstum der Weltbevölkerung die Nachfrage nach Nahrungsmitteln radikal steigen wird: Ungarn produziert Lebensmittel im Wert von 1.700 € pro Hektar Anbaufläche, die Österreicher 3.000 €, die Polen 2.500 €, die Niederlande 18.000 €, und 12 der 15 größten Lebensmittelunternehmen Europas sind in den Niederlanden ansässig.
(Via: portfolio.hu, Titelbild: Facebook-Seite von János Lázár)