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Zahl der Impfgegner und Impfskeptiker so hoch, dass sie vor den Wahlen nicht ignoriert werden können

Ungarn Heute 2022.02.16.
mihazank.hu

In Ungarn ist der Anteil der Impfgegner so hoch, dass die meisten politischen Parteien in den letzten Monaten versucht haben, sie anzusprechen. Bisher konnte die radikale Mi Hazánk (Unsere Heimat) von dieser Art von Kommunikation am meisten profitieren: die Partei hat dieses Jahr sogar eine Chance, ins Parlament zu gelangen. Aber die vereinigte Opposition mit der Mitte-Rechts-Partei Jobbik an der Spitze versucht auch, das Lager der Impfgegner anzusprechen. Währenddessen ist die Regierung auch daran interessiert, kontroverse Maßnahmen, darunter die Impfpflicht, von der Agenda zu nehmen, eher als Ungarns Impfquote zu erhöhen.

Obwohl Ungarn von allen postkommunistischen Ländern in Europa die höchste Impfquote hat, gibt es dennoch eine große Zahl an Menschen, die sich weigern, sich impfen zu lassen.

Nach den jüngsten Ergebnissen des Forschungsunternehmens Policy Solutions könnte der Anteil der ungarischen Wähler, die gegen die Impfung sind bis zu 30% betragen.

Außerdem sind die Impfgegner in Ungarn nicht eindeutig einer einzigen Partei zuzuordnen: Sie sind in allen politischen Lagern zu finden.  Da viele der Meinung sind, dass die Wahl durch die Mobilisierung unentschlossener Wähler entschieden wird, und es unter ihnen eine große Anzahl von Impfgegnern gibt, haben fast alle politischen Blöcke Ungarns begonnen, diese gesellschaftliche Gruppe ins Visier zu nehmen.

Mi Hazánk gegen Ungarns „Covid-Diktatur“

Die erste nennenswerte politische Formation, die sich in Ungarn gegen die Coronavirus-Impfung ausgesprochen hat, ist die außerparlamentarische rechtsextreme Partei Mi Hazánk (Unsere Heimat).

Die Partei wurde nach den Parlamentswahlen 2018 vom damaligen Jobbik-Mitglied László Toroczkai und einigen seiner Anhänger gegründet, nachdem Jobbik ihre rechtsradikale Ideologie aufgegeben hatte, um sich der Mitte zuzuwenden.

In der Folge begann Mi Hazánk, dieselben klassischen Botschaften zu verwenden, die ursprünglich zum Aufstieg ihrer Vorgängerin geführt hatten: Ungarischer Nationalismus, Ablehnung von LGBT-Rechten, politisches Christentum und romafeindliche Gesinnung. Diese Themen brachten der Partei jedoch nicht die gleiche Aufmerksamkeit und Popularität wie der Jobbik in den Jahren 2009-2010.

Dann erkannte Mi Hazánk, wie viele westeuropäische Radikale, die Chance der neuen Situation, die durch die Covid-19-Pandemie entstanden war.

Daher änderte die Partei ihre Kommunikation: Anstelle ihrer „klassischen“ rechtsextremen Themen und Botschaften prangerte sie zunächst die in den letzten Jahren in Ungarn eingeführten Covid-Beschränkungen und Lockdown-Maßnahmen an. Danach begann Mi Hazánk in dem Versuch, die Impfgegner für sich zu gewinnen, die Coronavirus-Impfung heftig zu kritisieren.

Die rechtsextreme Partei erreichte schnell einen bemerkenswerten Erfolg mit ihrer Kampagne. Im Januar brachten sie tausende Menschen gegen „Ungarns Covid-Diktatur“ auf die Straße und laut Umfragen hat Mi Hazánk auch ihre Unterstützerbasis bedeutend erhöht.

Analysten zufolge hat die Partei sogar die Chance, genug Stimmen von Impfgegnergruppen zu bekommen, um es über die 5% Hürde zum Einzug ins Parlament zu schaffen.

Laut Attila Tibor Nagy, einem von Azonnali befragten Politikexperten, könnte die Rolle der rechtsextremen Partei im Falle eines Einzugs in die Nationalversammlung sogar noch erheblich gestärkt werden, vor allem, wenn das Kräfteverhältnis zwischen Fidesz und der vereinigten Opposition in etwa ausgeglichen sein wird. Mi Hazánk könnte die Gruppe sein, die das Gleichgewicht in mehreren umstrittenen Fragen verschiebt.

Jobbik beschuldigt Orbán-Regierung, eine Impfpflicht einführen zu wollen

Angesichts des Erfolges der rechtsextremen Partei beschloss die inzwischen zur Mitte gehörende Jobbik, auch die Wähler anzusprechen, die gegen die Impfpflicht sind.

Die Partei, die Mitglied des ungarischen Oppositionsbündnisses ist, präsentierte ihre neue Botschaft erstmals im Januar, wobei ihr Vorsitzender Péter Jakab das Thema mehrfach ansprach, insbesondere in den sozialen Medien.

„Es wird keine verpflichtende Covid-Impfung eingeführt, wenn die Opposition [die Wahl] gewinnt“, erklärte Jakab vor einigen Wochen auf Facebook. Später kündigte die Partei sogar an, dass sie eine Petition gegen die Impfpflicht starten werde.

Laut Jakab habe „Viktor Orbán versprochen, dass es keine Pflichtimpfung geben würde, aber dann hat er sie für Polizisten, Feuerwehrleute, Lehrer und Beschäftigte im Gesundheitswesen zur Pflicht gemacht“, und dann hat er es den Arbeitgebern überlassen, über die Impfpolitik zu entscheiden. In einem auf seiner Facebook-Seite veröffentlichten Video sagt Jakab jedoch, dass die ungarischen Bürger selbst entscheiden können sollten, was sie wollen.

Der Parteivorsitzende erklärte später gegenüber Blikk, er wolle niemanden davon überzeugen, sich impfen zu lassen, er respektiere einfach „die Entscheidungen der Menschen“, und diejenigen, die sich nicht impfen lassen wollten, sollten stattdessen Zugang zu kostenlosen Tests haben.

Jakabs Haltung ist jedoch recht rätselhaft, da sich seine Partei vor nicht allzu langer Zeit nicht allzu sehr um dieses Thema zu kümmern schien. An dem Tag, an dem die Regierung den Arbeitgebern das Recht einräumte, die Arbeitnehmer zur Impfung zu verpflichten, gab Jobbik zum Beispiel nur eine Erklärung zu den hohen Benzinpreisen ab.

Später stellte sich auch die vereinigte Opposition hinter das Versprechen von Péter Jakab.

Ministerpräsidentenkandidat der Opposition verspricht, niemandem die Impfung aufzuzwingen

Péter Márki-Zay, der gemeinsame Kandidat der vereinigten Opposition für das Amt des Ministerpräsidenten, hatte zuvor nur subtil angedeutet, dass er eine Impfpflicht nicht für eine gute Idee halte, fügte aber hinzu, dass er „damit leben“ könne, wenn sie eingeführt würde.  Vor kurzem hat er sich jedoch entschieden gegen diese Idee ausgesprochen.

„Wir wollen die Impfung niemandem aufzwingen“, sagte Márki-Zay und betonte, dass er die Selbstbestimmung im Gesundheitsbereich für äußerst wichtig hält und während er allen dazu rät, sich impfen zu lassen, will er es niemandem aufzwingen.

Regierung verzichtet auf Impfstoffwerbung und verschiebt Kopplung von Impfbescheinigungen an Auffrischungsimpfungen

Trotz den Behauptungen der Parteien der Opposition scheint Fidesz ein begründetes Interesse an der Unterstützung von Impfgegnern zu haben.

Aus diesem Grund nahmen sie vor den näher rückenden Parlamentswahlen auch die frühere Botschaft von Viktor Orbán, „die Impfung ist die einzige Lösung“, etwas zurück.

Obwohl die Regierung den Arbeitgebern das Recht eingeräumt hat, ihre Arbeitnehmer zur Impfung zu verpflichten, haben Presseberichten zufolge nicht viele von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Obwohl die Impfung in einigen Bereichen des öffentlichen Sektors zur Pflicht gemacht wurde, gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Regierung eine allgemeine Einführung in Erwägung zieht.

„Es wäre naheliegend, eine Pflichtimpfung einzuführen. Es gibt Länder, die versuchen, dies zu tun. Ich würde das gerne vermeiden. (…) Ich glaube nicht, dass eine Impfpflicht funktioniert“, sagte Viktor Orbán im Dezember.

Die ungarische Regierung hat inzwischen auch ihren Plan verschoben, die Gültigkeit der offiziellen COVID-Impfbescheinigung nur für diejenigen unbefristet zu machen, die bereits drei Impfdosen erhalten haben. Sie hat sogar beschlossen, die Gültigkeit der Bescheinigungen für Personen, die nur zwei Impfungen erhalten haben, bis zum 1. Mai zu verlängern.

Impfung Wahlen 0-1

Es scheint, dass alle politischen Kräfte mit verschiedenen Mitteln und Botschaften an Impfskeptiker oder sogar Impfgegner appellieren. Ihr Aktionsplan ist es, nichts zu sagen, was diese potentiellen Wähler abschrecken könnte.

Via: Hungary Today ; Titelbild: mihazank.hu