Kardinal Michael Czerny, der vatikanische Untersekretär für Migranten und Flüchtlinge, besuchte am Mittwoch eine Hilfsstelle der katholischen Caritas für Flüchtlinge aus der Ukraine im ungarischen Barabás. Weiterlesen
„Vor Brüdern fliehen wir, Fremde nehmen uns auf” – mit diesen Worten wandte sich eine alte Frau aus Kiew an Kardinal Czerny an der Hilfestelle der katholischen Caritas für Flüchtlinge. Was die Frau erlebt und zum Ausdruck bringt, ist eine Erfahrung vieler Menschen inmitten des Krieges. Kardinal Michael Czerny, Interimsleiter der Entwicklungsbehörde, Sondergesandter des Papstes traf sich im ukrainischen Bergsaß (Beregszász) mit hochrangigen Kirchenvertretern, sowie dem Leiter der Militärischen Administration von Transkarpatien. Es sind gerade mindestens 100.000 Flüchtlinge in der Region eingetroffen. Alle Einrichtungen der katholischen Kirche – Schulen, Pfarreien, Gemeinschaftszentren – wurden als Unterkunft zur Verfügung gestellt. „Die Not ist groß“ gaben die Vertreter der Kirche zu. Vor-Ort-Bericht von Ungarn Heute-Korrespondenten.
Einer unserer Besuche führt in die transkarpatische Stadt Bergsaß (Beregszász) zu einer Familie mit sieben Kindern. Unser Begleiter, Gábor Ecsy, Direktor der Katholischen Caritas Ungarns sagt: „Sie leben in Armut, die Kinder sind aber das Wichtigste für sie.“
Diese Familie ist eine von den 500 Familien, die von der Caritas unterstützt werden. Diesmal brachte der Caritasdirektor Lebensmittel für sie. Die Mutter ist mit den fünf kleinen Kindern und ihren alten Eltern in Bergsaß geblieben. Der Mann arbeitet in Ungarn, sein Verdienst ist aber nicht genug, um die gesamte Familie zu ernähren, Wohnung zu mieten, anderenseits ist es für sie unvorstellbar, die alten Eltern alleine zu lassen. Zwei der Kinder arbeiten und lernen in Ungarn, die anderen fünf – der Kleinste ist knapp ein Jahr alt – sind mit der Mutter zu Hause. Eine schwierige, aber keineswegs hoffnungslose Lage. Darüber spricht das Lächeln der Kinder, ihr Blick, der voll Zuversicht ist.
Wir treffen uns auch mit der lokalen Pfarrmitarbeiterin und ihrem Mann in Bergsaß, sie sind nun mehr die einzigen aus der Familie, die in der Heimatstadt geblieben sind. Sie freuen sich, daß ihre Familie in Ungarn in Sicherheit ist.
Bei uns in Bergsaß werden in erster Linie Kinder aufgenommen. Das Jüngste ist jetzt 14 Monate alt. Ich habe auch Enkel und fühle es als Pflicht, für die flüchtenden Kinder zu sorgen. Wir werden hier bleiben, ausharren, solange es notwendig ist. Heute haben wir zusammen Marmeladenknödel gemacht. Die Kinder haben gerne mitgeholfen. Die Kleineren verstehen nicht, warum sie hier sind, sie sind offen für das Spielen, die Größeren aber brauchen unseren Beistand. Wir müssen uns stark zeigen, dürfen vor ihnen nicht weinen
sagen sie mit Tränen in den Augen.
Kirche hilft bei der Versorgung
„Wir haben verstanden, dass nur mit gemeinsamer Anstrengung effektive Hilfe zu leisten ist. In Abstimmung mit Kommunen, Kirchengemeinden, anderen Wohlfahrtsverbänden und zivilgesellschaftlichen Organisationen müssen Strukturen aufrechterhalten bleiben, um den Menschen auf der Flucht Unterkünfte, eine Erstversorgung und Beratung anbieten zu können“ sagte Nilus Luscsak, griechisch-katholischer Bischof in Bergsaß, in der ukrainischen Stadt, wo die Flüchtlinge ebenfalls zu Tausenden ankommen. Viele ziehen weiter, aber einige bleiben tagelang in der kleinen Siedlung. Bei Ausbruch des Krieges flohen auch aus der transkarpatischen Ortschaft viele, vor allem junge Männer, die im Militärdienst standen und ließen ihre Familien zurück.
Der Gesandte des Papstes wurde in der Grenzstadt unter anderem von Miklós Lucsok, dem Apostolischen Statthalter der römisch-katholischen Diözese Mukachevo (Munkács), empfangen. Bischof Lucsok sagte vor Ort, sein Leben drehe sich jetzt nur um den Krieg. Als Pastor sieht er es als seine Aufgabe, sich auf den konkreten Tag zu konzentrieren:
Es sind 100.000 Flüchtlinge in Transkarpatien. Alle Einrichtungen der katholischen Kirche, Schulen, Pfarren, Gemeinschaftszentren wurden als Unterkunft zur Verfügung gestellt und die Gläubigen kümmern sich um die Versorgung der ankommenden Massen. Andererseits haben Schätzungen zufolge schon 30.000 Menschen der ungarischen Minderheit die Ukraine verlassen. Alte und kranke Menschen blieben ohne Angehörige zurück, ihre Versorgung obliegt ebenfalls der Kirche und ihrer Organisationen. Die Caritas ist auch hier eine tragende Säule der Hilfe
Die Not ist groß – sagt Bischof Lucsok weiter, und nicht nur in materiellem Sinn. Seelisches Leiden wirkt überwältigend, macht aber die Menschen für den Dienst an Mitmenschen stark.
Täglich kommen aus Ungarn große Mengen an Lebensmitteln in die Ukraine. Die Verteilung der Güter ist eine Herausforderung: die am Anfang geschaffenen Verteilungslinien funktionieren nicht, so viele Menschen entschieden sich inzwischen für das Gehen
Gehen oder Bleiben? – das ist eine brennende, viele Menschen beschäftigende Frage in diesen Tagen. Schweren Herzens überreden Eltern ihre Kinder zu gehen, ihre Sicherheit scheint das Wichtigste zu sein.
Alle Teilnehmer des Gesprächs bestätigen: Kardinal Czernys Präsenz steht für die Gesprächspartner für die Präsenz des Papstes, für die Präsenz aller Gläubigen und wird als Bekräftigung erlebt. Auf dem Programm der Michael Czerny begleitenden Delegation stand neben dem Treffen sowohl ein Besuch der Einrichtungen der Caritas in Bergsaß und Munkatsch. In beiden ukrainischen Städten lebt eine bedeutende Anzahl der ethnisch-ungarischen Minderheit. Fact
„Leid vereinigt uns, führt uns gegenseitig zusammen“ – im Zeichen des Zusammenhaltes fand ein Treffen im ukrainischen Bergsaß (Beregszász) mit Teilnahme von Kurienkardinal Michael Czerny, Bischof Miklos Lucsok apostolischer Administrator der Römisch-Katholischen Diözese Munkatsch, Nilus Luscsak, Bischof der Griechisch-katholischen Diözöse Munkatsch, Fabian Sandor Zan, reformierter Bischof von Transkarpatien, Fedir Rajcsinec, Hauptbischof der Freien Christen der Ukraine, sowie Viktor Mikita, Leiter der Militärischen Administration von Transkarpatien und Petro Zharkovsky Direktor der ukrainischen Caritas, statt.
Die Bischöfe vor Ort meinen, die Menschen sollten erleben, dass wir Christen alle ein große Familie sind, wo Menschen Essen, Zuhören angeboten wird.
Wir müssen zeigen, daß wir fähig sind zusammenzuhalten und gemeinsam zu handeln
betonen sie allerseits.
Petro Zharkovsky, Direktor der Caritas formuliert, die Menschen in der Ukraine sind bereit, ihr Land zu schützen. Sie glauben daran, dass ihnen Gott helfen wird. „Auf welche Weise, das wissen wir nicht. Unser Leben ist ein Kreuzweg, viele sind fähig, die Golgota zu besteigen, und sterben eher, als aufzugeben”. Viktor Mikita, Leiter des Militärverwaltungsamtes der Region Transkarpatien betont ebenfalls, die Aufgabe der Militärischen Administration ist vor allem, die Stabilität und Ordnung in Transkarpatien zu sichern. Er betonte ebenfalls, dass der Schutz der Heimat das vorrangige Ziel für sie ist.
In den Gesprächen wird immer wieder die Frage gestellt: Wann endet der Krieg?
Bischof Lucsok warnt vor Prognostizierungen. „Die größte Freiheit gibt uns, wenn wir auf Gott vertrauen und uns immer auf den konkreten Tag konzentrieren. Wir sind verwundet und wenn wir uns an Gott wenden, erleben wir eine tiefe Verbundenheit mit ihm und Versöhnung mit unseren Mitmenschen. So finden wir zu einem einfacheren, ehrlichen christlichen Leben. Unser Zusammenhalt kann auch Europa auf die Beine helfen.“
(geschrieben von Éva Trauttwein, Fotos: Zita Merényi)