"Wir werden nie ein Problem damit haben, dass die Unabhängigkeit der Justiz in Frage gestellt wird, aber dass die Ehe zweier Männer erlaubt oder verboten wird, kann nicht in Frage gestellt werden" so der Kanzleramtsminister. Weiterlesen
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán hat die Europäische Kommission, bzw. persönlich Ursula von der Leyen in einem Brief gebeten, alle dem Land zugewiesenen EU-Mittel auszuzahlen, einschließlich eines Darlehens im Rahmen des Wiederaufbafonds, aber er bittet dies zur Bewältigung der ukrainischen Flüchtlingskrise. Die Regierung hat früher auf diesen Kredit verzichtet, jetzt würde sie diesen doch verlangen. Das Kabinett fordert demnach eine Kreditlinie von insgesamt rund 3.400 Mrd. Forint. Die Europäische Kommission hat früher ihre Zustimmung zur Auszahlung von Pandemie-Hilfsgeldern an Polen und Ungarn verweigert, weil die beiden Länder die Rechtsstaatlichkeitskriterien noch nicht umgesetzt haben.
Nach früheren Berechnungen hätte Ungarn während der Coronavirus-Krise Anspruch auf rund 5.900 Mrd. Forint aus dem EU-Konjunkturprogramm gehabt. Ursprünglich war der Entwicklungsplan auf diesen Betrag ausgelegt, doch als das konkrete Programm im vergangenen Frühjahr vorgelegt werden musste, strich die Regierung unerwartet den Anspruch auf einen Kredit in Höhe von 3.400 Mrd. Forint und nahm dann im Herbst mit einer gigantischen Anleiheemission zu einem niedrigeren Preis Geld am Markt auf. Wichtig ist, dass die Regierung bereits zu diesem Zeitpunkt mitgeteilt hatte, dass sie nur vorübergehend auf die Sanierungsdarlehen verzichtete, und dass die Möglichkeit bestand, dass Ungarn die Darlehen später (teilweise) in Anspruch nehmen würde.
Was die Regierung jetzt fordert, war also zu erwarten: Sie bittet die Kommission unter anderem um eine Kreditlinie, aber jetzt fordert sie dies wegen der zusätzlichen Kosten aufgrund des Krieges in der Ukraine
Dem Brief zufolge will Orbán den Wiederaufbaufonds nicht in vollem Umfang für die ursprünglich vorgesehenen Zwecke ausgeben, sondern für die Verstärkung der ungarischen Armee, den Schutz der Grenzen und die Versorgung der Flüchtlinge sowie für die Linderung der durch den Krieg verursachten wirtschaftlichen Schäden.
Den Informationen zufolge hat also der Ministerpräsident die Europäische Kommission aufgefordert, die Konjunktur- und Wiederaufbaupläne, Partnerschaftsvereinbarungen und operationellen Programme der Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu genehmigen, die die Ostgrenzen der EU schützen. Er forderte die Kommission außerdem auf, einen raschen, gezielten und flexiblen Einsatz der EU-Haushaltsmittel zu ermöglichen, indem sie die Beschränkungen für Vorfinanzierungen, Kofinanzierungen und Umschichtungen aufhebt.
In seinem Schreiben bittet der ungarische Ministerpräsident die Kommissionspräsidentin auch um weitere Änderungen, z. B. dass die uns im Rahmen des Wiederaufbauprogramms zur Verfügung stehende Hilfe wegen des Krieges in der Ukraine nicht gekürzt wird, sondern der Betrag von 2.511 Mrd. HUF beibehalten wird.
Nach Angaben des regierungskritischen Portals 444 hat die Regierung nun zugesagt, sogar die Bedingungen zu erfüllen, die die Kommission bisher daran gehindert haben, einen erheblichen Teil des Hilfsprogramms zu genehmigen (Korruptionsbekämpfung, Mängel im öffentlichen Auftragswesen). Der Zeitung zufolge hat die ungarische Regierung unter anderem angeboten, eine neue Korruptionsbehörde nach estnischem Vorbild einzurichten, die dem Generalstaatsanwalt jährlich Bericht erstatten und die Abgeordneten bei der jährlichen Anhörung im Parlament informieren würde.
Laut einer Kopie des Briefes vom 18. März, der an Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen gerichtet war schrieb Orbán, Ungarn hat bisher mehr als 450.000 Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen, und Orbán nannte die „gemeinsame Verantwortung“ der Mitgliedstaaten in der Krise als entscheidend.
Zu diesem Zweck bittet Ungarn lediglich um sofortigen und effektiven Zugang zu den ihm zugewiesenen EU-Mitteln und darum, diese flexibel für die Zwecke verwenden zu können, die am besten zur Bewältigung der Krise geeignet sind
so Orbán in dem Brief.
Presseberichten zufolge hat parallel zum Brief des Ministerpräsidenten der Staatssekretär für EU-Fonds, Szabolcs Ágostházy, Gespräche in Brüssel geführt und kehrte mit der Botschaft an die ungarische Regierung zurück, dass
die Kreditlinie nur dann für Ungarn geöffnet werden kann, wenn das Geld in erster Linie dazu verwendet wird, die Energieabhängigkeit Russlands zu beseitigen
Da die Regeln für die Ressourcenzuteilung einstimmig von 27 Mitgliedstaaten beschlossen wurden, können sie nur mit der Unterstützung von 27 Mitgliedstaaten geändert werden, und es ist sehr fraglich, ob sie dazu bereit sein werden. Und es ist noch fraglicher, ob sie zustimmen werden, unsere Kreditlinie in Höhe von 3400 Milliarden Forint zur Linderung der Flüchtlingskrise zu nutzen, wie Orbán in seinem Schreiben darlegt.
Der Brief wurde auch an den Präsidenten des Europäischen Rates, die Mitglieder des Europäischen Rates und den Präsidenten des Europäischen Parlaments geschickt.
Das vollständige Schreiben ist auf Englisch HIER erreichbar.
(Via: portfolio.hu, 444.hu, Titelbild: MTI – Szecsődi Balázs)