Ion Cristoiu (Jahrgang 1948), ein „Großkaliber“ der rumänischen Medienlandschaft, würdigt in seinem gewohnt polemischen Tonfall Orbáns jüngste Rede auf der Sommerakademie in Siebenbürgen.
In seinem Blog analysiert der bekannte Publizist, früher Chefredakteur namhafter Zeitungen und TV-Sender in Rumänien den Diskurs des unbequemen Politikers: Er nennt ihn geradezu „historisch“ und bescheinigt ihm philosophischen Tiefgang.
Bevor er die – seiner Meinung nach – bedeutsamsten Einsichten des ungarischen Ministerpräsidenten vorstellt, geht Cristoiu mit den Gegnern Orbáns hart ins Gericht. Angefeindet werde der Ungar sowohl von den „Herren“ wie auch von den „Lakaien“. Die Brüsseler Eliten, die Herren, wittern in Orbán zu Recht eine Gefahr für ihre Neuauflage des verblichenen Internationalismus unseligen Andenkens. Die Lakaien (als Beispiel nennt der Journalist die politische Klasse seines Landes) müssen mit ihrem schlechten Gewissen zurechtkommen, da sie aus Feigheit oder Eigennutz nationale Interessen sträflich vernachlässigen. Der Spruch des rumänischen Politikers Lucrețiu Pătrășcanu (1900-1954) „Bevor ich ein Kommunist bin, bin ich ein Rumäne“ soll hier jenen Dienstboten unter den Landespolitikern einen Spiegel vorhalten, die vollmundig EU-konforme Phrasen dreschen. Die gewählten Vertreter der europäischen Nationen sollten den Eurokraten Paroli bieten, wenn die legitimen Anliegen ihrer Wähler missachtet werden.
Der Hass auf Orbán habe dazu geführt, dass
einer der aussagekräftigsten von einem Europäer unterzeichneten Texte über den Niedergang Europas“
nicht auf der gleichen Augenhöhe, sondern aus der Froschperspektive der diensthabenden Journaille bzw. der politischen Söldner beantwortet wurde.
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Viktor Orbán entwirft seine Vision für die Zukunft Ungarns in einem Jahrzehnt des KonfliktsDas nächste Jahrzehnt werde ein Jahrzehnt der Gefahr, der Ungewissheit und des Krieges sein, und die Säulen der westlichen Zivilisation, die bisher als unerschütterlich galten, bekämen Risse, sagte der ungarische Ministerpräsident, Viktor Orbán, in seinem Vortrag auf der 31. Fidesz-Sommeruniversität im siebenbürgischen Kurort Tusnádfürdő (Băile Tușnad, Rumänien) am Samstag.Weiterlesen
Cristoiu hält Orbán zugute, dass er die Ängste der Europäer angesichts der Pandemie und des Krieges nicht verharmlost, sondern ihnen eine politische Stimme verleiht. Gleichzeitig befürwortet er Orbáns ganz und gar nicht populistische Art und Weise, die Illusionen des alten Kontinents beim Namen zu nennen: Dass nämlich die Wissenschaft allmächtig, ein Krieg in Europa und ein Kalter Krieg im Allgemeinen unmöglich sei. Wie etwa ein nüchterner Arzt will Orbán den europäischen Patienten nicht in falscher Sicherheit wiegen, sondern ihm die Diagnose mitteilen. Der Schlaf, die Betäubung ist keine Option. Dem Untergang sollte man beim klaren Verstand, ohne Selbsttäuschung begegnen. Auch wenn Cristoiu Orbáns Warnung vor einem Niedergang Europas teilweise für übertrieben hält, mahnt er zur Bescheidenheit, was die Zukunft Europas angeht.
Um die partikulare Perspektive Cristoius um eine ungarische Dimension anzureichern: Hier und nur in diesem Zusammenhang könnte die Einladung eines Amtsvorgängers Orbáns gültig sein: „Trauen wir uns zu, klein zu sein“, bezogen allerdings nicht auf Ungarn.
„Eine Rede, wie sie noch kein rumänischer Politiker nach der Wende gehalten hat und halten wird“, so das aus rumänischer Sicht bittere Resümee des bekannten Publizisten aus Bukarest.
Beitragsbild: MTI