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Rumänische Kinder können den neuen, mit ungarischer staatlicher Unterstützung gebauten Kindergarten in Huedin (Bánffyhunyad) besuchen, aber die Unterrichtssprache wird Ungarisch sein, sagte ein Vertreter der reformierten Kirche am Donnerstag, berichtete die Tageszeitung Krónika auf ihrer Website.
In diesen Tagen wurden in Siebenbürgen (Rumänien) zwei Kindergärten eingeweiht, die mit ungarischer staatlicher Unterstützung gebaut wurden. Für einen deutschsprachigen Leser wäre das an sich keine Nachricht, die ihn vom Hocker reißt. Es ist ja selbstverständlich, wenn man in die Jüngsten investiert. Aber, Moment mal! Warum investiert in Siebenbürgen nicht der rumänische Staat, dem vor rund hundert Jahren diese Region nach dem Friedensvertrag von Trianon zugesprochen wurde? Diese berechtigte Frage zieht einen ganzen Rattenschwanz an weiteren Überlegungen nach sich. Sind die rumänischen Staatskassen leer? Hat der ungarische Staat zu viel Geld übrig? Gibt es in Ungarn keine Verwendung für diese Gelder? Fragen über Fragen, nur die dritte kann man bejahen.
Oft sind Fragen interessanter als Antworten, die nicht allgemeingültig sein können. Die geneigten Leser werden hiermit eingeladen, sich Fragen zu stellen, in der Hoffnung, dass sie dadurch einige Schlussfolgerungen ziehen können, die nicht nur für den westlichen Teil Rumäniens von Belang sind.
Gegeben ist eine Kleinstadt (Huedin, Bánffyhunyad), deren ungarischer Bevölkerungsanteil nur noch bei 30 Prozent liegt, jedoch der Vorort einer Gegend ist, wo es viele Dörfer mit ungarischer Mehrheit gibt. Am äußersten östlichen Rand Siebenbürgens haben wir ferner eine etwa tausendköpfige, rein ungarische Gemeinde (Comandău, Komandó). Die Ortschaften bekommen jeweils einen Kindergarten vom ungarischen Staat. In dem Städtchen zwischen Großwardein und Klausenburg gibt es Zwist im Stadtrat. Die Betriebskosten und die Entlohnung des Personals kann von der Reformierten Kirche, die den Kindergarten mit ungarischem Geld gebaut hat, nicht gedeckt werden. Die rumänischen Politiker wollen der Übernahme in das staatliche System nur zustimmen, wenn die Einrichtung allen Kindern der Stadt dient. Dafür müsste im Kindergarten auch Rumänisch verwendet werden, die Kleinen aus den maroden Kindergärten des Städtchens müssten alle in das neue, mit Mitteln aus Ungarn gebaute Haus umziehen. Nichts dergleichen in dem Bergdorf an der Grenze des Szeklerlandes: Ungetrübte Feststimmung, auch wenn der Vertreter der ungarischen Regierung an den Krieg, die Zerstörung und das Leid anderswo erinnert. Die Unterrichtsprache ist selbstverständlich Ungarisch, Rumänen gibt es hier kaum. So weit, so gut.
Warum kommt für die Reformierte Kirche die Verwendung des Rumänischen nicht in Frage? Statt einer Antwort darf der Autor dieses Beitrags eine Begebenheit aus seiner Kindheit in Ceaușescus Rumänien erzählen. Damals gab es keine Schulen mit ungarischer Unterrichtssprache mehr, lediglich „ungarische“ Klassen in den „rumänischen“ Schulen, die nach und nach verkümmerten, verschwanden. Als er in die angesehenste Oberschule seiner Heimatstadt im Westen Rumäniens kam, gab es dort neben den sechs rumänischen Klassen eine ungarische und eine deutsche. Zwei Jahre danach gab es die deutsche Klasse nicht mehr, nur die ungarische, wo allerdings nur einige Kernfächer in der Muttersprache unterrichtet wurden. Vor dem Abitur wurde die Klasse halbiert. Die Schüler dieser Klassenhälfte waren die letzten Ungarn, die am einstigen königlich-ungarischen Obergymnasium den Abschluss machen durften.
Ist ein solches Szenario vierzig Jahre später denkbar? Statt einer Antwort wieder eine Frage. Was hat der Krieg im östlichen Nachbarland Rumäniens mit der Sprachpolitik der ukrainischen Regierung in der östlichen, mehrheitlich russischsprachigen Landeshälfte zu tun? Wohlgemerkt: Die Europäische Union hat die von Russland angegriffene Ukraine offiziell in den Kreis der Beitrittskandidaten aufgenommen.
Beitragsbild: Der Stein des Anstosses, der neue Kindergarten in Huedin (MTI)