Der neu ernannte Staatssekretär für Verteidigungspolitik und Verteidigungsentwicklung hat dem Fachportal honvedelem.hu ein Interview gegeben. Wir haben die wichtigsten Aussagen für unsere Leser zusammengefasst.
Die geopolitische Großwetterlage erfordere ein von Grund auf erneuertes Verteidigungsministerium, betont Maróth. So wird z.B. die Entwicklung der verteidigungspolitischen Strategien wieder ins Ministerium eingegliedert. Andere gewichtige Fachbereiche, die zum Verteidigungsressort zurückkommen sind die Strategie der Innovations- und Fähigkeitsentwicklung, die Koordination der Verteidigungsindustrie, die Rüstungsbeschaffung, die Agentur für Rüstungsexporte und die HM Ei GmbH (Unternehmen im staatlichen Besitz mit den Schwerpunkten Infrastruktur und Software für Verteidigungsaufgaben).
Der von der Regierung unlängst errichtete Verteidigungsfonds sei eine Garantie dafür, dass die Streitkräfteentwicklung unabhängig von den Folgen der Wirtschaftskrise vonstatten gehen kann.
Die Bevölkerung solle mit der Verteidigungsstrategie der Regierung vertraut gemacht werden, dessen wichtigste Aspekte Ungarns Nicht-Beteiligung im Ukraine-Konflikt und die Potenzierung des Personals als wichtigste Verteidigungsressource überhaupt sind.
Der im Nachbarland stattfindende Krieg halte für Ungarn zwei grundlegende Schlussfolgerungen bereit. Zum einen die Bedeutung der sogenannten „hybriden Zone“ in der Kriegsführung, d.h. das Schlachtfeld der Kommunikation wird immer wichtiger: Aktuell kann man die strategische Bedeutung einer gelenkten Massenhysterie beobachten. Zum anderen die Notwendigkeit einer gründlichen Schulung im Umgang mit einer bisher unbekannten, neuen Rüstungstechnologie.
Ferner sei auch die Erkenntnis wichtig, dass ein massiver Außenangriff die militärische Widerstandsfähigkeit und Belastbarkeit einer nicht homogenen Nation wie die Ukraine neu definieren kann.
Auf die stark divergierenden Standpunkte in Zusammenhang mit den politischen und wirtschaftlichen Folgen des Krieges angesprochen, wies der Staatssekretär darauf hin, dass die NATO in militärischer Hinsicht in diesem Konflikt nicht als Kriegspartei agiere, daher kann von einer Uneinigkeit innerhalb des Verteidigungsbündnisses nicht die Rede sein. Mitgliedsstaaten hingegen beurteilen recht unterschiedlich die Notwendigkeit und das Ausmaß einer militärischen Unterstützung des angegriffenen Landes.
Der technologische Vorsprung der NATO sei seit der Wende nicht kleiner, sondern größer geworden, deswegen sei die Wahrscheinlichkeit eines russischen Angriffs gegen ein Mitgliedsland eher gering.
Längerfristig nicht unwahrscheinlich sei ein neuer Kalter Krieg, dem allem Anschein nach viele westliche Politiker psychologisch nicht gewachsen sind. Die ungarische Regierung wolle diesbezüglich jeglichen verantwortungslosen Aktionismus meiden.
Die nächsten Schritte in Bezug auf die Verteidigungsentwicklung seien nach Auskunft des Staatssekretärs der Austausch der längst überholten Rüstungstechnik sowjetischer Herkunft und zwar nicht auf Verteidigungstechnologie aus zweiter Hand, sondern auf modernste Waffen: Angepeiltes Ziel sei eine kleine, schlagkräftige, hervorragend ausgebildete Streitkraft. Das erfordere eine zähe, disziplinierte und unauffällige Arbeit.
Für die Öffentlichkeit sichtbar sei hingegen die Beschaffung modernster Artillerie-Waffen wie der PzH 2000 Haubitze und die Investitionen in der Rüstungsindustrie, wo der Staat quasi als Miteigentümer in Erscheinung tritt, wie beispielsweise im Fall der Airbus-Fabrik von Gyula. Ungarn werde von strategischen Investoren durchaus in Betracht gezogen und sogar bevorzugt, wie die jüngsten Erfolgsgeschichten in diesem Bereich zeigen.
In Hinblick auf die Erreichung der von der NATO empfohlenen 2 Prozent der BIP-Ausgaben für die Verteidigung mahnt der Staatssekretär zu einem besonnenen Optimismus: Ungarns diesbezügliche Beurteilung in NATO-Kreisen sei zwar überdurchschnittlich, die Altlasten der linken Regierungen erfordern jedoch außerordentliche Anstrengungen, da diese Hürde für Länder gedacht war, die militärisch gesehen wesentlich bessere Voraussetzungen haben.
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Beitragsbild: honvedelem.hu Facebook