Wöchentliche Newsletter

Eine gastronomische Revolution in Siebenbürgen, die mit einem Michelin-Sternen-Dinner beginnt

Ferenc Rieger 2022.10.04.

Die Küche unserer Mütter und Großmütter muss auf Restaurant-Niveau gebracht werden, so Adorján Trucza in einem Interview für das ungarischsprachige Portal transtelex.ro aus Siebenbürgen.

Als wir Kinder waren, gab es den Begriff Slow-Food noch gar nicht, das Kochen mit saisonalen, frischen Zutaten war jedoch eine Selbstverständlichkeit, sagt der Gastronom aus dem ungarisch geprägten Szeklerland.

Fact

Die Urgroßmutter des Verfassers führte in der geräumigen Küche, wo sie nach dem Krieg einen erlesenen Kreis von Beamten bekochte, ein strenges Regiment. Niemand durfte ihr bei der Zubereitung der einfachen, aber köstlichen Speisen zusehen. Das, was nicht der eigene Garten hergab, musste durch Tausch von den Nachbarn besorgt oder auf dem Großen Markt vor der Arader Kathedrale erstanden werden. Schwäbische Bäuerinnen aus Neu-Arad und serbische Gärtner aus Gáj boten ihre ausgezeichneten Waren feil, im bunten Treiben mischten auch ungarische Winzer   aus der Weingegend von Ménes und rumänische Viehzüchter aus dem  Zarander Land mit. Die Philosophie ihrer Kochkunst begriff der Verfasser viel später, nach dem Lesen des Klassikers Pál Kövi’s „Der siebenbürgische Schmaus“ (Erdélyi lakoma). Heutzutage betonen die mit Michelin-Sternen ausgezeichneten Restaurants der Spitzengastronomie das gleiche Prinzip. Aber natürlich müssen wir das Sparherd der Urgroßmütter „uploaden“, um uns die moderne Küchentechnik dienstbar zu machen. Auch unsere Küchenroutinen müssen entwickelt werden, so dass mehr als nur ein erlesener Kreis in den Genuss des „siebenbürgischen Schmauses“ kommt.

Es lohnt sich auch, die Küchen anderer Länder kennen zu lernen, betont der Inhaber des Restaurants „Páva“ (Der Pfau) im siebenbürgischen Odorhellen (Székelyudvarhely, Odorheiu Secuiesc), denn man kann sich von ihnen inspirieren lassen, aber im Grunde müssen wir mit den Zutaten beginnen, die wir haben und selbst herstellen können. Die Wälder und Felder Siebenbürgens sind reich an Kräutern und Blumen. Der regierende britische Monarch kann als erklärter Siebenbürgen-Liebhaber ein Lied davon singen. Lammfleisch von bester Qualität und eine bunte Vielfalt essbarer Pilze sind Vorzüge des Landes, welche die siebenbürgische Küche wettbewerbsfähig machen könnten.

Die Idee eines gastronomischen Festivals kam dem Autodidakten und Besitzer des wohl besten Restaurants des Szeklerlandes, Adorján Trucza, erstmals im März dieses Jahres, als er eine Veranstaltung in den Salzminen von Salzberg (Parajd, Praid) mit organisierte, bei der es sich um das erste Michelin-Sterne-Dinner in Rumänien handelte. Dabei wurden unter anderen von Michelin-Chefs siebenbürgische Gerichte wie Ziegen-Tartar mit Hurut, Sabbatarisches Gefülltes Lamm nach Art von Pál Kövi und Baasener Fleischsuppe mit Griesknödeln zubereitet.

Es blieb aber nicht bei der Einladung von Sterneköchen nach Siebenbürgen. Anfang März hat Salt in Budapest ein Abendessen mit Páva veranstaltet. Diese Veranstaltung, an der Gastroexperten aus Bukarest und Ungarn teilnahmen, hat sehr gut funktioniert, aber man musste einen Mangel an Dialog zwischen den Spitzenköchen der benachbarten Länder feststellen.

Da kam der Beschluss, ein Festival zu veranstalten, erklärt Trucza. Er meint, dass Siebenbürger viele Werte in der Gastronomie haben, auf die sie vielleicht nicht stolz genug sind.

Dem enthusiastischsten Förderer der siebenbürgischen gastronomischen Revolution zufolge wird sich die Veranstaltung auf drei Säulen stützen. Die erste wird ein Veranstaltungszelt sein, in dem einige Aussteller verschiedene Gerichte zum Probieren anbieten werden. Die zweite wird ein Vortragsraum in der Scheune des Freilichtmuseums von Gyimes (Ghimeș) sein. Wo normalerweise Hochzeiten und Tanzabende veranstaltet werden, werden aus diesem Anlass einstündige Kochvorführungen von eingeladenen Köchen angeboten. Die dritte Säule des Festivals ist ein Raum des langsamen Kochens, in dem mehrere Stunden lang typisch siebenbürgische Gerichte oder andere gastronomische Verfahren vorgeführt werden. Die Beispiele reichen von der Zubereitung von gefülltem Gyimes-Kohl und armenischem Hurut bis zum Schneiden von Lammfleisch und dem Einlegen von Pilzen. Vor allem die Zubereitung des Hurut, die sich normalerweise über drei Tage erstreckt, ist eine echte Herausforderung für Menschen, die nicht einmal die Zeit für die Zubereitung einfacher Gerichte finden.

Aufgrund seiner Erfahrungen bei Páva ist Trucza der Meinung, dass die Gesetzgebung mit Bezug zur Gastronomie und die Schaffung stabiler Ketten von Lieferanten weiter vorangetrieben werden müssen, dass aber auch die siebenbürgische Öffentlichkeit ihre eigenen Werte wiederentdecken muss, die in den letzten Jahrzehnten zu „verkümmern“ drohten. Dazu sagt er lapidar: „Aus polnischem Schweinefleisch kann man kein szeklerisches oder siebenbürgisches Essen machen. Es ziemt sich auch nicht“.

Trucza sagt, es sei wichtig, dass die Menschen so viel wie möglich zu Hause kochen. Auf dem Markt gibt es hochwertigere Zutaten, aber sie sind saisonal begrenzt. Und wenn diese Grenzen erst einmal anerkannt sind, kann die breite Öffentlichkeit nach lokalen Rezepten suchen, die dieser Saisonalität Rechnung tragen.

Wir haben in Transsilvanien Rezepte für viele Dinge, aber sie sind in den letzten Jahren aus dem Fokus geraten. Doch unsere saisonalen Rezepte – seit Hunderten von Jahren erprobt und bewährt – funktionieren sehr gut.“

erklärt der umtriebige Gastronom und ermutigt seine Kollegen auf lokal erzeugte und qualitativ hochwertige Zutaten zurückgreifen, wodurch sie nicht nur die lokalen Erzeuger unterstützen, sondern auch die Grundlagen für die gastronomische Revolution in Siebenbürgen schaffen.

Das ist es, was Páva in jedem Fall anstrebt. „Wir wollen stolz auf diesen lokalen Charakter sein und sind der Meinung, dass er angesprochen werden muss. Wenn es mehr (solche Restaurants) gäbe, könnte die Situation nachhaltiger sein“, argumentiert Trucza und erklärt, dass er Fachleute zum Festival bringen wird, die für die Teilnehmer eine Inspiration sein können.

Beitragsbilder: Adorján Trucza Facebook