Kurz nach dem deutschen Asylstreit und dem gespannten EU-Gipfel kommen sowohl Kanzlerin Angela Merkel als auch Innenminister Horst Seehofer mit dem ungarischen Regierungschef Viktor Orbán zusammen. Obwohl die Standpunkte in den letzten drei Jahren sich nähern konnten, das Treffen wird doch – voraussichtlich – nicht gutgelaunt und unbefangen sein. Viktor Orbán fährt am 5. Juli nach Berlin.
„Die Reihenfolge kann nur sein: Verhandlungen zwischen Deutschland und Österreich, dann Verhandlungen zwischen Österreich und Ungarn. Und erst zum Schluss – wenn wirklich Klarheit über die deutsche Position herrscht – Verhandlungen zwischen Ungarn und Deutschland.” – äußerte der ungarische Ministerpräsident in einem BILD-Interview. Er betonte, dass er sich sogar ein bilaterales Abkommen mit Deutschland vorstellen könne, unter bestimmten Voraussetzungen. Er fügte hinzu: „Die ungarische Haltung ist im Übrigen bekannt seit 2015 und seit dem Brüsseler Gipfel von letzter Woche nun auch EU-Haltung: und zwar vertragsgemäßer Schutz der EU-Außengrenzen und Ankerzentren außerhalb der EU.“
Noch am Dienstagabend hat Orbán mit Österreichs Kanzler Sebastian Kurz telefoniert, „um das weitere Vorgehen mit unserem direkten, befreundeten Nachbarn zu besprechen“ – so Orbán. In diesem Telefongespräch bestätitgte Orbán seinen Standpunkt: zuerst müssen Österreich und Deutschland Verhandlungen führen, danach kann Ungarn einstimmen. Er informierte Kurz darüber: die Haltung seiner Regierung sei „seit 2015 unverändert“. Kein Asylbewerber könne nach Ungarn kommen, wenn er bereits in Griechenland oder in einen anderen EU-Mitgliedstaat eingereist sei.
Seit 3 Jahren nicht getroffen
Zuletzt trafen sich Merkel und Orbán im Februar 2015. Seit diesem gab es kein offizielles, zwischenstaatliches Gespräch zwischen ihnen. Bei einer darauf folgenden Pressekonferenz kritisierte Merkel scharf die Demokratie-Auffasung Orbáns: „Mit dem Wort, illiberal‘ kann ich persönlich in Zusammenhang mit Demokratie nichts anfangen“ – äußerte die deutsche Bundeskanzlerin. Merkel kritisierte damals die mangelnde Pressefreiheit in Ungarn, freute sich aber über starke Wirtschaftsbeziehungen.
Die Beziehungen zwischen Deutschland und Ungarn waren wegen der Migrationskrise immer angespannt. Darum war es überraschend, als Merkel vor einigen Wochen den ungarischen Zaun verteidigte. Sie sagte: „Ungarn habe ja eine EU-Außengrenze zur Serbien und macht da für uns gewissermaßen die Arbeit.“
Kritik der deutschen Opposition
Deutsche Oppositionspolitiker kritisieren das Treffen scharf. Kanzlerin Merkel mache damit einen Schritt in die falsche Richtung – äußerte der Linken-Bundestagsabgeordnete Niema Movassat, stellvertretender Vorsitzender der Parlamentariergruppe Tschechien-Slowakei-Ungarn, dem Tagesspiegel. Während der Grünen-Bundestagsabgeordnete Stefan Gelbhaar meint: Geschlossene Grenzen würden auch der ungarischen Wirtschaft schaden. Darauf sollte Merkel Orbán bei dem Treffen explizit hinweisen.
Ungarische Presse über das Treffen
Die regierungsnahe ungarische Tageszeitung „Magyar Idők“ spricht von „neuen Winden“, die nun in Europa wehen. Merkel wirke müde und schwach, sie habe zu Hause mit Seehofers Ultimatum zu kämpfen und bitte Orbán um ein Treffen – nicht umgekehrt. Das zeige, dass die „politischen Kräfte, die Masseneinwanderung unterstützen“, sich ihrem Ende zu bewegen würden.
Dagegen kommentierte die Tageszeitung „Népszava“: die deutsche Bundeskanzlerin solle Orbán nicht aufwerten, „Merkel bietet dem ungarischen Ministerpräsidenten mit ihrer Einladung nach Berlin eine große Bühne, anstatt ihm die Tür zu weisen.“
(Via: fnp.de, tagesspiegel.de, mti.hu, magyaridok.hu, nepszava.hu, Beitragsbild: MTI)