Die dritte Welle der Coronavirus-Pandemie in Ungarn dauert nun offiziell seit drei Wochen und die Regierung kündigte neue Beschränkungsmaßnahmen ab dem 8. März an. Jedoch konnte man aus zwei verschiedenen Analysen, die die Bewegung der Bevölkerung auf nationalem Niveau anhand Daten der Mobiltelefone misst, ableiten, dass die ungarische Bevölkerung trotz der Schließungen nicht zu Hause blieb.
Während Entscheidungsträger regelmäßig Daten zur Bewegungsdichte der ungarischen Bevölkerung nutzen, um die Coronavirus-Epidemie unter Kontrolle zu bringen, hat ein ungarisches wissenschaftliches Projekt – unter der Leitung des ehemaligen Gesundheits-Staatssekretärs Miklós Szócska, Dekan der Fakultät für Öffentliche Gesundheit an der Semmelweis-Universität, und Professor Martin McKee – renommierte nationale und internationale Anerkennung erhalten.
Die Forschungsgruppe hat zusammen mit drei großen Mobilfunkanbietern eine Methodik zur Überwachung der Bewegungen der Bevölkerung entwickelt, ein genaues Werkzeug für die Regierung, um die Auswirkungen der einzelnen restriktiven Maßnahmen zu beurteilen.
Es ist wichtig anzumerken, dass das System für die persönliche Identifizierung völlig ungeeignet ist. So kommen das Forschungsteam und die Entscheidungsträger nicht in die Nähe von Daten, wie sich z. B. ein bestimmter Kunde oder seine Familienmitglieder im Land bewegen.
Miklós Szócska, Leiter der Forschungsgruppe Datennutzung und digitale Gesundheit der Arbeitsgruppe Epidemiologische Modellierung, zeigte anhand der entwickelten Mobilitäts- und Stay-at-home-Indikatoren auch auf, wie die ungarische Bevölkerung auf die restriktiven Maßnahmen im März reagierte.
Laut Szócska bleiben viele Menschen an den Wochentagen immer noch zu Hause, vor allem in der Hauptstadt und in kleineren Siedlungen, aber generell ziehen die Menschen in Siedlungen mit mehr als 25.000 Einwohnern immer mehr umher. Nach ihren Angaben waren die Menschen Anfang März mit ihrer Geduld am Ende.
„Am Wochenende vor dem Inkrafttreten der neuen restriktiven Maßnahmen am 8. März gab es eine landesweite Bewegung, als ob es gar keine Epidemie gäbe, und die folglich die Ausbreitung des Virus verursachte. Es war klar, dass die Menschen leider die Nase voll haben von der Pandemie und das Paket der Restriktionen für die sich schneller ausbreitende Variante nicht ausreichen würde“, sagte Szócska.
Laut einer weiteren Analyse, die von der wissenschaftlichen Seite Qubit der liberalen 444 geleitet wird und auf einer von Facebook und Google zur Verfügung gestellten Methodik basiert, können die Wochenendbewegungen der Ungarn im Vergleich zu den Daten einer Woche zuvor untersucht werden.
Die Daten von Google basieren auf Bewegungstrends im Laufe der Zeit nach geografischen Gesichtspunkten, über verschiedene Kategorien von Orten wie Einzelhandel und Freizeit, Lebensmittelgeschäfte und Apotheken, Parks, Verkehrsstationen, Arbeitsplätze und Wohngebiete.
Die Daten von Facebook hingegen verwenden zwei Metriken, „Change in Movement“ und „Stay Put“, die eine etwas andere Perspektive auf Bewegungstrends bieten. „Change in Movement“ untersucht, wie viel Menschen sich bewegen und vergleicht dies mit einer Basisperiode, die vor den meisten Maßnahmen zur sozialen Distanzierung liegt, während „Stay Put“ den Anteil der Bevölkerung betrachtet, der sich während eines ganzen Tages in einem kleinen Gebiet aufzuhalten scheint. Beide Datensätze zielen darauf ab, Einblicke in die Bewegung der Bevölkerung zu geben und wie sie sich als Reaktion auf Maßnahmen zur Bekämpfung von COVID-19 verändert; beide betonen jedoch, dass die Einhaltung strenger Datenschutzprotokolle oberste Priorität hat.
Basierend auf diesen Erkenntnissen zeigte sich eine Tendenz, dass die Mehrheit der Ungarn ihre Häuser vor Weihnachten verließ, vermutlich aufgrund der Urlaubsvorbereitungen. Anschließend wurde ein Abwärtstrend in der Bewegung beobachtet und im Januar kehrte das Land dann nach den Feiertagen zur Normalität zurück. Ab Januar konnte nur eine minimale Fluktuation in der Bewegung beobachtet werden. Laut den Indikatoren von Google stieg jedoch gegen Ende der letzten Woche, nach der Ankündigung der Schließungen (aber vor der Umsetzung am Montag), der Umsatz in Lebensmittelgeschäften, Apotheken und Restaurants im Vergleich zur Vorwoche weiter an, da mehr Menschen ihre Häuser verließen, um diese Orte zu besuchen.
Diese Bewegungstendenzen sind sicherlich besorgniserregend, wenn man bedenkt, dass der Anstieg der Infektionen in dem Land immer noch schwerwiegend ist und auch die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus steigt. Medizinische Experten warnen auch, dass, wenn sich die Zahlen weiterhin in diesem Tempo verschlechtern, die Frage der Wiedereröffnung des Landes erheblich verzögert werden kann.
(geschrieben von Márton Jász – Hungary Today, übersetzt von Ungarn Heute, Titelbild von Zsolt Czeglédi/MTI)