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„Bei jeder Tasse Kaffee streben wir nach Perfektion” – INTERVIEW

Ungarn Heute 2020.11.21.

„Neben jeder Tasse Kaffee steht eine Waage und liegt eine Stoppuhr” – erzählt László Máthé, Mitinhaber des „Kútház (Brunnenhaus) Cafés und Manufaktur” in Gödöllő. Kaffeespezialitäten, Pistazieneis mit europäischer Auszeichnung, handgefertigte Gemüseaufstriche, hausgemachte Backwaren und, wie es heißt, „natürlich echt schmeckende Kuchen” werden hier angeboten. Liebhaber von Sisi sollten künftig nicht nur das Schloss in der Stadt besuchen, sondern unbedingt auch hierher kommen, um die revolutionäre Version der Wiener Sacher auch einmal zu probieren. Und die gibt es nur hier, auch wenn man eine Woche vor dem Besuch bestellen muss, glauben Sie mir, es lohnt sich. Interview.

„Pistazie ist ausverkauft, es gab nicht einmal Schokolade”, wie sehr trifft dieses Zitat von Bud Spencer im Sommer auf euch zu?

Pistazie gab es bei uns, und Schokolade auch. (lacht) Es kam vor, dass beides ausgegangen war, da beide Sorten im Sommer sehr beliebt waren. Somit trifft dieses Zitat nur zum Teil auf uns zu. Die Tatsache, dass es von Zeit zu Zeit ausverkauft ist, ist grundsätzlich positiv, da es die Nachfrage nach Qualität zeigt, welche wir hier anbieten. Unser Eiscremehersteller, Ádám Fazekas, hat sein Geschäft 70km von uns entfernt, in Rétság. Er beliefert uns mit diesen Premiumprodukten.

Dazu gehört die Pistazie, die mit dem Titel „Europas bestes Eis 2019” ausgezeichnet wurde. Ádám hat nach dieser Saison an einer italienischen Fortbildung teilgenommen. Er hat versprochen, dass wir im nächsten Sommer unseren Gästen weitere Neuigkeiten anbieten können.

Foto: KÚTHÁZ újhullámos kávékortyoló

Foto: KÚTHÁZ újhullámos kávékortyoló

In dieser grauen kalten Novemberzeit kann man es sich schwer vorstellen, doch gab es hier im Sommer lange Schlangen vor der Eis Theke. Hat euch die Corona Epidemie den Einstieg nicht schwer gemacht?

Wir haben am Anfang auch nicht gedacht, dass wir die Epidemie kaum spüren werden. Viele kamen gerne hierher um sich im Freien bewegen zu können. Hier neben dem Haus gibt es einen kleinen Platz, auf dem die Kinder, nach dem Eisessen oder währenddessen, gerne auf den Baumstämmen spielten, die Eltern dagegen in unserem Garten saßen. Wir haben uns gefreut, dass wir vor einer Woche auch unser Café eröffnen konnten. Somit haben wir nun das ganze Jahr über geöffnet.

Wir sind auf dem Campus der Szent István Universität in Gödöllő. Du unterrichtest hier. Wie begann deine Leidenschaft für Kaffee?

Ich habe an dieser Universität mit vielen ausländischen Studenten Kontakt. Mit einigen haben wir viel darüber gesprochen, dass auf dem Campus ein gemeinschaftlicher Treffpunkt fehlt, wo die Studenten sich hinsetzen und unterhalten können. Wir haben bemerkt, dass durch diesen Mangel ausländische und ungarische Studenten sich kaum kennen. Wir haben uns auch bei der Universität und einem türkischen Investor dafür beworben, aber am Ende hat es nicht geklappt. Die Idee allerdings wollten wir nicht verloren geben.

Außerdem hatte ich zur gleichen Zeit einen Master für Schokoladen-, Kaffee- und Teeherstellung an dem Budaer Campus der Universität begonnen. So haben wir weiterhin einen Platz gesucht –  damals noch für ein Café.

Schließlich erhielten wir von der Universität die Information, dass das Gebäude hinter uns zu vermieten sei.

Foto: Attila Lambert – Hungary Today

 

Das Brunnenhaus hat damals die Menschen überhaupt nicht mit Kaffee versorgt, besser gesagt mit gar nichts, weil es seine ursprüngliche Funktion, der Gegend Wasser zu geben, nie erfüllte. Was für eine Geschichte hat dieses Gebäude?

Es war tatsächlich ein Brunnen. Das Haus wurde 1954 erbaut und von bekannten Architekten der damaligen Zeit entworfen, ein unregelmäßiges Achteck, polygonaler Grundriss genannt. Die pyramidenförmige Dachkonstruktion ist doppelt gezimmert. In dieser ist ein Haken befestigt, dessen Funktion darin bestanden hätte, die Pumpe zu halten Doch heute ist sie nur noch ein Gestaltungselement. Es gibt auch einen tiefen Brunnen unten im Keller.

Welchen Stil hast du angestrebt?

Wir waren etwas an den Schutz des kulturellen Erbes gebunden, zum Beispiel waren sie bei den Farben sehr kritisch. Die weißen Türrahmen mussten erhalten bleiben, ebenso wie die Fensterläden. Die Beschriftung mussten wir bewilligen lassen, da es sich um ein Denkmal handelt.

Im Inneren haben wir einen industriellen Stil verfolgt. Er umfasst polierten Beton, Metall, rostigen Stahl und Massivholz.

Das Konzept der Designer des Designbüros GUBAHÁMORI, der Architekten Sándor Guba und Péter Hámori,  war die Kombination natürlicher Materialien. Sándor kommt übrigens auch aus Gödöllő.

Und dies war euer Konzept, damit lokale Hersteller, Manufakturen und Spezialisten bei der Umsetzung des Brunnenhauses zusammenkommen konnten. Mit wem könnt ihr zusammenarbeiten?

Zusammen mit dem Café wurde auch unsere Manufaktur für Lebensmittelherstellung gegründet, in der unsere Kuchen und Sandwiches hergestellt werden. Hier bereiten wir auch die Zutaten zu – Gemüse und Obst. Während des letzten halben Jahres haben wir unseren Beschaffungsort ausfindig machen können. Die Grundzutaten für unsere Gemüseaufstriche stammen hier aus der ökologischen Landwirtschaft in Gödöllő. Die Backwaren bekommen wir aus der nächsten Sauerteigbäckerei in Cinkota, einem Bäcker aus der Vorstadt. Diese werden vorbereitet geliefert und hier von uns gebacken.

Foto: Attila Lambert – Hungary Today

Wir haben bald eine Annahmestelle für die Produkte von Kiskenyér, einer kleineren Fabrik in Fót. Sie werden dann bei uns erhältlich sein. Die Kuchen werden von uns gemacht, wir haben sie gekostet und wir haben sie kreiert. Schließlich wurde durch eine Abstimmung entschieden, welche in der ersten Runde in unser Repertoire aufgenommen werden sollen.

Fact

 Das Rezept für die originale österreichische Sachertorte ist geheim, sodass jeder bei der Herstellung seiner Fantasie freien Lauf lassen kann. Genau das taten sie auch in der Café-Manufaktur. Bei dem Entstehen und dem Verkosten eines Sacher- und eines Schokoladenmousse-Rezepts kam die Idee, beides zu kombinieren. So wurde die Sacher-Mousse geboren. Leider haben sie uns auch dieses Rezept nicht verraten, doch soviel habe ich gelernt, dass es nur natürliche Zutaten enthält. Und das Pairing ist zu einem der Favoriten des Hauses geworden.

 

Sprechen wir auch über den Kaffee. Die Kaffeemaschine ist auch etwas Besonderes, da es davon sehr wenig im Land gibt. Warum habt ihr gerade diese gewählt?

Wir wollten eine Premiummaschine. Beim Zubereiten von Kaffee muss man auf den gesamten Prozess sehr genau achten. Welches Anbaugebiet, die Kaffeebohnen, das Rösten, die Mühle muss optimal eingestellt sein und die Maschine auch gut sein. Obendrein ist das Wasser sehr wichtig. Aus diesem Grund kochen wir Kaffee mit gefiltertem Wasser. Die Maschine ist eine „Ferrari Kategorie”, der Hersteller hat übrigens insgesamt 2 dieser blauen Maschinen im Land.

Foto: Attila Lambert – Hungary Today

Wir erwerben den Kaffee aus dem Madal Café, sie rösten ihn in Csömör. Wir verwenden derzeit einen äthiopischen und einen brasilianischen Kaffee. Ersterer wird speziell von jenen geschätzt, die New-Wave, fruchtige, säuerliche Aromen mögen. Die brasilianische Bohne hat einen mäßig leicht gerösteten, herkömmlichen Schokoladen-Haselnuss Geschmack.

Foto: Attila Lambert – Hungary Today

Übrigens messen wir alles während der Fertigung. 36g Kaffee kommen aus 18,5g Kaffeepulver bei 9 bar in 27 Sekunden. Wenn etwas nicht stimmt, wissen wir, dass wir etwas umstellen müssen. Bei jeder Tasse Kaffee streben wir nach Perfektion.

Foto: Attila Lambert – Hungary Today

Mehrere betreiben das Brunnenhaus, und ihr kommt aus ziemlich unterschiedlichen Bereichen des „zivilen Lebens”. Wie kam das Team zusammen?

Meine Schwester ist Konditorin, dadurch inspiriert, stellte ich mir vor, dass wir eines Tages etwas zusammen machen würden. Ich liebe Kaffee leidenschaftlich, meine Frau ist Künstlerin für angewandte Kunst. Sie war für das Design verantwortlich. Der Ehemann meiner Schwester ist Unternehmensentwickler und konnte seine Erfahrungen auch im Tourismus und in der Gastronomie sammeln. Wir konnten auch ihn für das Team gewinnen. Die Manufaktur wird von einer professionellen Konditorin Kollegin geleitet, die neben ihrem kleinen Sohn meiner Schwester helfen kann.

Foto: Attila Lambert – Hungary Today

Auch Freunde haben sich uns angeschlossen, wir sind mit mehreren anderen in einer Gebetsgruppe. Einige Leute sind für Kommunikation und Organisation verantwortlich. Jetzt finden sich die verschiedenen Personen für die unterschiedlichen Bereiche.

Wir bekommen immer mehr Aufträge für Veranstaltungen, daher besteht ein absoluter Bedarf an multifunktionalen Leuten.

Gödöllő ist knapp 30km von Budapest entfernt. Unsere österreichischen Leser wissen es vielleicht auch, denn hier befindet sich eine der Lieblingsresidenzen von Sisi, der ehemaligen Kaiserin von Österreich, der Schloss von Grassalkovich. Wie würdest du sie hierher ins „Kútház Café“ zu locken?

Hier können Sie den besten Kaffee und das beste Eis der Stadt bekommen (lächelt). Aber auch die unmittelbare Umgebung ist sehr schön.

Das Universitätsgebäude ist herrlich, hier befinden sich die Prämonstratenser Abtei und der Wasserturm, welcher ebenfalls ein Denkmal ist und zur gleichen Zeit wie das Brunnenhaus erbaut wurde.

Schon alleine wegen der Atmosphäre des Cafés lohnt es sich, zu uns zu kommen. Wer auch immer hier einkehrt, wird sicher staunen, was ein so kleiner Raum  fassen kann.

(Fotos: Attila Lambert, übersetzt von Katharina Haffner)