In den Augen eines linksorientierten Kolumnisten sind die neuen außerordentlichen Maßnahmen von einem unersättlichen Machthunger motiviert. Sein der Regierung nahestehender Kollege dagegen sieht in ihnen den Versuch, der sozialen Gerechtigkeit zu dienen.
Ministerpräsident Viktor Orbán hat am Mittwoch angekündigt, dass ausgewählte Unternehmen für den Rest dieses Jahres sowie für das gesamte kommende Jahr mit einer Sondersteuer belegt werden. Mit ihrer Hilfe sollen angesichts der steigenden Energiepreise niedrige Versorgungstarife subventioniert und zusätzliche Verteidigungsausgaben finanziert werden. Die neue Steuer soll Banken, Versicherungen, großen Einzelhandelsketten, Energie-, Vertriebs-, Telekommunikationsunternehmen sowie Fluggesellschaften auferlegt werden, die im vergangenen Jahr zusätzliche Gewinne erzielt haben. Die Ankündigung erfolgte einen Tag nach der Ausrufung des „Kriegsnotstandes“, der die Regierung mit besonderen Vollmachten ausstattet (siehe BudaPost vom 26. Mai).
Die Regierung benötige keine Sondervollmachten, um die durch den Krieg in der Ukraine verursachten Probleme zu bewältigen, betont Miklós Hargitai. Und falls sie sich dennoch selbst zum Regieren per Dekret ermächtige, dann tue sie das aus unersättlichem Machthunger, behauptet der linke Kommentator in der Tageszeitung Népszava. Sie regiere seit über zwölf Jahren mit einer parlamentarischen Zweidrittelmehrheit und habe es mit einer zerstrittenen und schwachen Opposition zu tun, so dass sie ihre Vorhaben problemlos durchs Parlament bringen könne. Hargitay ist der Meinung, dass die Regierung von ihren zuerst im Rahmen der Migrationskrise 2015 und dann beim Corona-Notstand 2020 erlangten Sonderbefugnissen ganz verzückt sei. Den „Kriegsnotstand“ habe man nunmehr lediglich wenige Tage vor dem Auslaufen des Corona-Notstands ausgerufen.
In der Tageszeitung Magyar Nemzet erinnert Gergely Kiss daran, wie vor zehn Jahren 25 Prozent der ungarischen Haushalte Mühe mit dem Begleichen ihrer Stromrechnungen gehabt hätten. In der Folge habe die Regierung eine Senkung der Stromtarife beschlossen. Diese niedrigen Tarife seien nun aufgrund des starken Anstiegs der Energiepreise in Gefahr – eines Anstiegs, der durch die gegen Russland verhängten Sanktionen noch verstärkt werde. Gleichzeitig erhöhe die Regierung Jahr für Jahr ihren Verteidigungshaushalt, um die von der Nato geforderten Standards zu erfüllen. Für Kiss ist es nur allzu gerecht, wenn die Unternehmen, die während des Aufschwungs nach dem Kollaps der Sowjetunion riesige Gewinne erzielt hätten, einen Teil der gemeinsamen Lasten mittragen würden.
(Via: budapost.de, Titelbild: MTI/Fischer Zoltán)