Ein einzigartiger Kosmos, das EU-Parlament in Brüssel wurde von der „Süddeutsche Zeitung“ mit zwei Kennern – György Schöpflin aus Ungarn und Julia Reda aus Deutschland – erforscht.
24 Sprachen, 28 Länder, 751 direkt gewählte Abgeordnete: es gibt kein anderes Parlament auf der Welt, in dem so viele Nationen vertreten sind. Trotzdem ist eines der großen Probleme Europas, dass es von immer mehr Menschen nicht verstanden wird, was die Abgeordneten hier machen.
Der 77 jährige Ungar, György Schöpflin gehört in Brüssel zur Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) und er ist Mitglied der Fidesz-Partei des ungarischen Premiers Viktor Orbán. Seit dreizehn Jahren ist Schöpflin EU-Parlamentarier, als er herkam, war sein Land eines von zehn, die neu einzogen.
25 Mitgliedstaaten waren es damals und alle wollten in die EU. Vieles hat sich verändert, nun würden manche seiner EVP-Kollegen Fidesz am liebsten ausschließen. Julia Reda, Mitglied in der deutschen Piratenpartei, die in Brüssel zur Fraktion Die Grünen/Europäische Freie Allianz gehört, sagte der „Süddeutsche” sogar: „Leute über 40 haben ja kein Monopol darauf, die Gesellschaft zu vertreten.” Schöpflin meint: „Die Politik hat ihre Längen, aber sie kriegt mich zumindest jeden Tag aus dem Bett.”
György Schöpflin fehlt es in den Gängen dieses Hauses an Verständnis für seinen Nationalstaat, Julia Reda fehlt es manchmal am europäischen Bewusstsein. Der Ungar sagt, die großen Mitgliedstaaten wollten allen ihre Werte aufdrücken, „linksliberaler Universalismus“. Er sei kein Anti-Europäer, er sei z.B. für die Europäische Bürgerinitiative – Bürger sollen die Kommission auffordern dürfen, ein Gesetz vorzuschlagen – erklärt Schöpflin. Aber er findet auch richtig, dass Ungarn an der serbischen Grenze einen Zaun baut, während Julia Reda keine Grenzen will. Beide Abgeordnete sitzen im gleichen Haus, aber sie nehmen es ganz anders wahr.
Was sie gemeinsam haben: sie nehmen an denselben Sitzungen teil, haben Treffen, Termine und versuchen, Europapolitik zu machen. Und es gibt Trakte in diesem Haus, in denen seien sie noch nie gewesen, sagen beide Abgeordnete.
via sueddeutsche.de; Foto: europarl.europa.eu