Dramatische Lage an der polnischen Grenze: Ungarns Justizministerin ruft EU zur Hilfe auf

In der Nähe der weißrussisch-polnischen Grenze kampieren trotz des nächtlichen Frosts immer noch Tausende von Migranten. Nach Angaben der polnischen Behörden könnten sich etwa 800 der 4.000 Migranten, die sich derzeit in dem Gebiet aufhalten, noch in unmittelbarer Nähe des weißrussischen Grenzzauns befinden. Zwei große Gruppen von Migranten haben den Zaun sogar durchbrochen und sind nach Polen eingeströmt, berichtete die polnische Nachrichtenagentur PAP am Mittwochmorgen. Warschau zieht Truppen zusammen und hat einen Krisenstab einberufen. Ungarns Justizministerin ruft EU zur Unterstützung Polens auf. Neben der Europäischen Kommission haben auch Deutschland und Frankreich die Belarussen öffentlich verurteilt, aber Ungarns Justizministerin Judit Varga erwähnt sie in ihrem Beitrag nicht.

In einem vom polnischen Verteidigungsministerium veröffentlichten Video ist zu sehen, wie der Einsatz von Pfefferspray durch polnische Grenzschützer kaum ausreicht, Menschen am Zerschneiden der Stacheldrähte von der belarusischen Seite aus zu hindern. Die Videoaufnahme ist wirklich schockierend. Und die Situation hat sich die letzten Tage noch verschlimmert. Am Mittwochmorgen konnten sogar mehrere Gruppen von Migranten ins Land einbrechen.

Nach Ansicht Polens bringt Weißrussland in organisierter Weise Menschen an die gemeinsame Grenze, um Druck auf seine Nachbarn auszuüben.

Polnische Behörden befürchten, dass die Spannungen in der Region in den kommenden Tagen zunehmen könnten und dass internationale Hilfe erforderlich sein könnte, um sie zu bewältigen. Der stellvertretende polnische Außenminister erklärte jedoch, dass sie die Unterstützung der gemeinsamen europäischen Grenzagentur Frontex noch nicht benötigen.

Der Sprecher des Geheimdienstkoordinators Stanislaw Zaryn sagt dazu:

Immer häufiger bringen die Belarusen Gruppen von Migranten an die polnische Grenze, bis zu 250 Personen, um sie en masse auf die polnische Seite zu geleiten. Sie kontrollieren und organisieren diese Gruppen, helfen aber auch, die Grenzbefestigungen zu durchschneiden

Der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki sagte am Dienstag, dass die Sicherheit der gesamten Europäischen Union gefährdet sein könnte und fügte hinzu, dass Belarus einen hybriden Angriff gegen die EU vorbereitet.

Der Schutz der polnischen Grenze liegt in unserem nationalen Interesse. Aber jetzt steht die Stabilität der gesamten EU auf dem Spiel

so der Ministerpräsident.

Er fügte hinzu, dass sie Europa gemeinsam mit ihren EU- und NATO-Partnern verteidigen würden. Die polnischen Behörden haben am Dienstagmorgen den Grenzübergang Kuznica nach der Ankunft von etwa 4500 Flüchtlingen vollständig geschlossen.

Justizministerin Varga: Die Europäische Union „muss Polen endlich als eine vereinte Gemeinschaft unterstützen“

Laut Judit Varga muss jetzt Polen nicht nur seine eigenen Grenzen, sondern auch die der Europäischen Union verteidigen. Die Justizministerin reagierte auf ihrer Facebook-Seite, in einem englischsprachigen Beitrag auf die Ereignisse an der polnischen Grenze und sagte, dass der „Migrationsdruck, der unseren Kontinent bedroht, kürzlich ein neues Niveau erreicht hat, da eine wachsende Gruppe von illegalen Migranten versucht, über Polen nach Europa zu gelangen“.

Genug der Worte, wir haben keine Zeit für technische Debatten

fügte sie hinzu.

„Wir haben ein Déjà-vu-Gefühl, denn 2015 versuchten Massen von Migranten genauso aggressiv nach Ungarn zu gelangen, indem sie die Barriere beschädigten, wie sie es jetzt zu Polen tun“, sagte Varga. „Wir haben damals die illegale Einwanderung gestoppt, obwohl uns alle für unsere Maßnahmen kritisiert haben und uns niemand zu Hilfe geeilt ist“, fügte sie hinzu. Varga betonte zugleich, dass sich Ungarn für seine „polnischen Freunde einsetzt“ und Brüssel auffordert, den Bau des Grenzzauns zu finanzieren, der, ob es ihnen gefällt oder nicht, das wirksamste Instrument zum Schutz unserer Schengen-Grenzen bleibt“.

Europäische Staaten verurteilen Belarus

Neben der Europäischen Kommission haben auch Deutschland und Frankreich die Belarussen öffentlich verurteilt, aber Ungarns Justizministerin Judit Varga erwähnte sie in ihrem Beitrag nicht.

Auch Außenminister Péter Szijjártó reagierte bereits auf die Krise und sagte, er glaube, dass die Letten, Litauer und Polen nun physisch mit dem konfrontiert seien, was Ungarn seit 2015 erlebe. Er äußerte sich aber zu Weißrussland nicht, von wo der Migrationsdruck ausgeht.

Szijjártó kritisierte weiterhin die Europäische Union und bezeichnete es als unverständlich, dass die Europäische Kommission „langsam alles finanziert, was dazu dient, die Migration zu erhöhen“, aber immer noch kein wirklich wirksames Instrument zur Eindämmung der Migration darstellt. „Es ist, als ob sie nicht auf diesem Planeten leben, die weiterhin die Unterstützung für Länder blockieren, die Zäune bauen“, sagte er und forderte die Brüsseler Behörde auf, ihre „Ambitionen aufzugeben, die Zusammensetzung der europäischen Bevölkerung zu verändern“.

(Titelbild: MTI/AP/BelTA/Leonid Shcheglov)