„Ich kam am 9. Februar 1980 mit wenigen Kleidungsstücken, aber mit umso mehr Büchern in Berlin an. Dies war der Beginn meines als vorübergehend geplanten Aufenthalts in Berlin. Der Übergang ist für mich zu einem dauerhaften Aufenthalt geworden“, so schildert Professor László Ungvári seine Umsiedlung nach Berlin. Er gibt zu: „Aus Ungarn fehlt mir vieles, aber vor allem die menschliche Wärme, die andere Art des Umgangs miteinander“. Es folgt die Geschichte eines Ungarn, der das Land vor 40 Jahren verlassen hat.
Wann und warum haben Sie Ungarn verlassen?
Ich habe meine erste Frau, Martin Iris Rita Ungvári, während ihrer Studienzeit in Leningrad kennengelernt. Unsere Idee und Entscheidung war so, dass wir in Ungarn leben wollten.
Deshalb fand unsere Eheschließung dort statt und bei der Namenswahl für meine Frau nach der Eheschließung haben wir uns auch für die ungarische Version des Namens meiner Frau entschieden.
Nach unserer Trauung am 11. August 1978 lebten wir zunächst in einer Fernehe: Ich begann als Wirtschaftsingenieur in der Papierfabrik von Szolnok zu arbeiten. Da ich die Universität teilweise als staatlicher Stipendiat absolvierte, musste ich dort arbeiten, wo mir der Arbeitsplatz vom Staat zugewiesen wurde. Meine Frau wurde wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule für Ökonomie „Bruno Leuschner“ in Ostberlin und begann ihre Forschung zur Doktorarbeit. Auch ich hätte eher eine wissenschaftliche Arbeit bevorzugt, aber das war damals nicht möglich. Also flogen wir alle zwei Wochen zueinander. Selbst im Vergleich zu meinem damaligen monatlichen Gehalt (3.200 Forint) waren die Flugtickets zu dieser Zeit recht günstig (der Preis lag bei 400 Forint).
Dies dauerte eine Weile, was für uns jung Verheiratete eine sehr lange Zeit zu sein schien. Schließlich beschlossen wir, dass ich nach Berlin ziehe, bis meine Frau ihre Dissertation beendet hatte. Diese Entscheidung war zu dieser Zeit sehr schwer umzusetzen: Es musste eine Reihe von Anträgen formuliert und eine Menge Papiere beschafft werden.
Immerhin kam ich am 9. Februar 1980 mit wenigen Kleidungsstücken, aber mit umso mehr Büchern in Berlin an. Dies war der Beginn meines als vorübergehend geplanten Aufenthalts in Berlin. Der Übergang ist für mich zu einem dauerhaften Aufenthalt geworden.
Was ist Ihre lebendigste Erinnerung an Ungarn?
Ein Ungar bleibt immer ein Ungar.
Die ersten Jahre in Deutschland haben wir in der DDR gelebt. Ein prägendes Merkmal, ein prägendes Gefühl war die Farbe Grau. Die DDR war einfach grau. Dies wurde uns umso deutlicher – auch unseren Kindern – wenn wir jedes Jahr ein- bis zweimal nach Ungarn zu Verwandten fuhren.
In Ungarn waren wir in jeder Hinsicht in einer farbfrohen Umgebung: die Orte, die Geschäfte, die Kleidung, alles war im Vergleich zu der DDR farbenfroh.
Das hat uns aber nicht besonders gestört, denn wir wussten, dass wir in Ungarn leben werden.
Inzwischen war ich als Dozent an derselben Hochschule tätig an der meine Frau als wissenschaftliche Assistentin gearbeitet hatte. Ich habe Mathematik, Statistik und mathematische Modellierung gelehrt. Auch ich habe begonnen wissenschaftlich zu arbeiten und auf dem Gebiet der Stochastik zu forschen. So habe ich meine Doktorarbeit „Die Wirkungen des Zufalls in der Wirtschaft“ im Mai 1990 verteidigt. Dann kam die Wende und es wurde alles anders. Es sind plötzlich für mich und für uns Möglichkeiten entstanden, von denen wir noch zwei Jahre zuvor gar nicht träumen konnten.
Was fehlt Ihnen aus Ungarn am meisten?
Aus Ungarn fehlt mir vieles, aber vor allem die menschliche Wärme, die andere Art des Umgangs miteinander.
Man muss im Leben nicht immer berechnend sein. Natürlich fehlt mir auch, dass die Ungarn weinend feiern. Dies hole ich ab und zu mal bei meinen Ungarnaufenthalten nach.
Könnten Sie sich vorstellen, dass Sie oder Ihre Familie einmal zurückkehren?
Viele Menschen gehen nach Ungarn zurück oder sie gehen ganz einfach nach Ungarn, auch wenn sie niemals zuvor in Ungarn gelebt haben und auch wenn sie gar keine ungarischen Wurzeln besitzen, wenn sie das Rentneralter erreicht haben. Diese Option ist auch für uns sehr interessant.
Es ist eigentlich wunderbar, dass die meisten meiner Freundschaften in Ungarn auch nach so langer Zeit des getrennten Lebens nach wie vor bestehen, frisch, leidenschaftlich und ehrlich sind.