Jenő Rácz hatte Ungarn im Alter von 18 Jahren verlassen und reiste rund zehn Jahre lang durch die Welt. Was ihn zurück in die Heimat zog, erfahren Sie unserem Artikel.Weiterlesen
Die Pandemie hat die gastronomische Landkarte Ungarns deutlich umgestaltet. Es scheint so, dass ein feines kulinarisches Erlebnis nicht mehr auf Budapest beschränkt ist; im Gegenteil, immer mehr Menschen neigen dazu, die Hauptstadt in Richtung des ungarischen Landes zu verlassen. Als Ergebnis dieser Tendenz erlebt die Region um den Plattensee eine gastronomische Renaissance.
Dies war kein rascher Prozess, aber die Pandemie hat es sicherlich beschleunigt. Wie das Portal válaszonline.hu andeutet, ist die Verwandlung des Plattensees in eine gastronomische Vorzeigeregion in den letzten fünf Jahren im Gange. Seit dem Beginn der Pandemie haben die renommiertesten, preisgekrönten Restaurants in der ungarischen Hauptstadt mit dem Ausfall der Touristen zu kämpfen, und die einheimischen Konsumenten bevorzugten eher auch die Restaurants auf dem Lande. Man kann mit Sicherheit sagen, dass der Plattensee im vergangenen Jahr zum „Rettungsboot“ der ungarischen Gastronomie geworden ist.
Möglichkeiten, die die Region bietet
Was das Essen am Balaton einzigartig macht, ist die Tatsache, dass es beim gastronomischen Erlebnis nicht nur ums Essen geht, sondern auch darum, die Werte der Region zu entdecken. Viele Restaurants rund um den See verwenden frische, lokale oder regionale, selbstgemachte Produkte, sei es Fisch, Rindfleisch, Käse oder Wein. Das ist etwas, was die Restaurants in der Hauptstadt nur begrenzt anbieten können.
Als Péter Felföldi 2017 sein Restaurant in der Hauptstadt verließ, wählte er den Hügel in Szigliget mit seinem malerischen Panorama als Standort für sein neues Bistro, „Villa Kabala“. Obwohl er damit zu kämpfen hatte, das Restaurant zu einem ganzjährigen Zielort zu verwandeln, scheint er seine Entscheidung nicht zu bereuen.
„Auf dem Lande hat alles eine Seele“ sagt der Kochchef und fügt hinzu: „Hier haben wir unseren eigenen Schinken, Salami, Käse, unsere Hühner legen die Eier. Der Wein und der Sekt kommen vom Weinberg meines Vaters in Badacsony, aber auch Sirup, Tonic, Pálinka und Gin bekommen wir von ihm. Das Mikrogemüse bauen wir in unserem Garten an, und wir sind gerade dabei, einen größeren Gemüsegarten anzulegen. Wir arbeiten mit Bauern zusammen, die uns die Tomaten bringen, sobald sie reif sind, den Salat, wenn er aus dem Boden gewachsen ist – sie bauen Radieschen und Pak-Choi für uns an. Was wir in Budapest nicht erreichen können, können wir hier.“
Von der Hauptstadt aufs Land: ist das ein Trend?
Die Geschichte der „Villa Kabala“ ist doch nicht einzigartig. Viele Restaurantbesitzer in Budapest sind in den letzten Jahren aufs Land gezogen und haben neue Geschäfte eröffnet. Außerdem versuchen einige auch in Budapest zu überleben, indem sie an anderen Orten, vor allem rund um den Balaton, sog. Pop-ups gründen.
Budapest ist am Boden, und ich sehe nicht, dass es bald wieder aufsteht. Jeder denkt, dass wir unsere Netze am Balaton auswerfen müssen
sagt Lajos Bíró, Besitzer der Bistro „Buja disznó“ auf dem Budapester Markt in der Fény-Straße. Er hat sich auch am ungarischen Meer abgesichert, indem er Berater für das Restaurant „Aranypatkó“ in Szigliget wurde.
Szigliget soll ein gastronomisches Paradies werden
Der bekannte ungarische Geschäftsmann und Restaurantbesitzer Károly Gerendai, arbeitet ebenfalls an einem neuen Projekt in Szigliget. In Zusammenarbeit mit dem Street-Food-Pop-up-Restaurant, des mit einem Michelin-Stern ausgezeichneten Costes von Jenő Rácz in Budapest, „Nudli tésztabár“ („Nudli Nudelbar“), und „Digó nápolyi pizza“ („Digó Neapolitanische Pizza“), soll in Szigliget ein sog. „Food Court“ entstehen. Die ehemalige Chefköchin von Costes, Eszter Palágyi, eröffnet hier auch ihr neues Restaurant. Der Food Court mit dem Namen ‚Várudvar‘ öffnet gerade an diesem Wochenende seine Türen. Gerendai sprach sogar auch über das Potenzial, „Food Court“ in ein ganzjähriges Projekt zu verwandeln.
Trotz der kontinuierlichen Lockerung der Reisebeschränkungen wird der Balaton höchstwahrscheinlich auch in diesem Sommer ein beliebtes Reiseziel sein. Gerendai hob hervor, dass Szigliget in der Region ein einzigartiger Ort in Bezug auf seine kulturelle Bedeutung ist und hofft, dass dieses neues Projekt die Ortschaft noch außergewöhnlicher macht.
Balaton vs. Budapest: Wer wird gewinnen?
Die Frage bleibt bestehen: Wird die Gastronomie des Balatons eine Herausforderung für Budapest bedeuten? Vor allem nach der Pandemie neigen die Menschen sicherlich dazu, an den Balaton oder zu anderen Orten auf dem Lande zu reisen, auf der Suche nach einem einzigartigen Restauranterlebnis mit regionalen und handwerklichen Produkten, etwas, das sie in der Hauptstadt einfach nicht bekommen können.
Gerendai hingegen glaubt, dass die Restaurants rund um den Balaton die Gastronomie der Hauptstadt nicht bedrohen würden, da sie nicht darauf abzielen, Orte für „fine dining“ zu schaffen. Aber er gab zu, dass die Eröffnung von Pop-ups und Restaurants am Balaton den Gastronomen in der Hauptstadt im Moment helfen kann, die durch die Pandemie verursachten Herausforderungen zu überstehen. Letztendlich scheint es, dass der Balaton und Budapest unterschiedliche, aber gleichermaßen einzigartige gastronomische Erlebnisse bieten, und wenn die Auswirkungen der Pandemie abklingen und die ausländischen Touristen in die Hauptstadt zurückkehren, werden die Restaurants in Budapest höchstwahrscheinlich ihren früheren Ruhm wiedererlangen.
(geschrieben von Dorottya Zalai – Hungary Today, Titelbild: Laposa Birtok – Badacsonytomaj – Ungarn Heute)